Dienstag, 13.7: Karla
Gähnend schlug ich meine Augen auf und schaute mich um. Ich brauchte meine Zeit, bis ich kapierte, dass ich mich in Silas Zimmer befand. Durch das halb offene Rollo fiel etwas Licht in das kleine Zimmer und lies die Staubflocken leicht umhertanzen.
Ordentlich war es hier wirklich nicht, wobei man das von meinem eigenen Zimmer auch nicht behaupten konnte. Immerhin war das hier -ganz im Gegensatz zum Rest der Wohnung- ein Ort, an dem ich mich ausgesprochen wohl fühlte. Die Matratze, auf der ich bis eben geschlafen hatte, lag gegenüber von Silas Bett und als ich mich aufrichtete sah ich, dass das Bett leer war.
Ein kurzer Blick auf meine Armbanduhr, die ich wohl gestern Nacht vergessen hatte abzunehmen, verriet mir, dass es erst halb neun war. Sollte ich einmal in den Flur gehen und nachsehen, ob Silas dort war?
Auf der anderen Seite hatte ich keine große Lust, seiner betrunkenen Mutter noch einmal zu begegnen. Wer wusste schon, wie sie reagieren würde? Schließlich gab ich mir doch einen Ruck und schlich langsam auf die halb angelehnte Zimmertür zu. So leise wie es ging öffnete ich sie und spähte vorsichtig in den Flur.
Außer mir befand sich niemand in dem spärlich beleuchteten Gang. Erst jetzt wagte ich es, mich richtig im Flur um zu sehen. Aus der Küche drangen Geräusche, aber ich wusste nicht, ob es Silas oder seine Mutter waren, die da gerade mit irgendwelchen Kochtöpfen hantierten.
"Stell dich nicht so an", zischte ich mir selbst zu, "sie ist nur eine Frau wie jede andere. Sie tut dir nichts." Ich straffte meine Schultern und lief so selbstbewusst, wie es mir eben möglich war, auf die Küche zu. Dabei tippelte ich nervös mit den Fingern auf meinem Knie herum. Umso erleichterter war ich, als ich erkannte, wer da mit dem Rücken zu mir am Gasherd stand- Silas!
"Guten Morgen.", murmelte ich zögerlich und grinste verlegen. Silas drehte sich ruckartig um. "Karla", ein Lächeln umspielte seine Lippen, "das Essen ist gleich fertig." In der ganzen Küche roch es bereits köstlich nach Spiegelei.
"Du äh", stammelte ich, während ich die zwei Teller, die Silas schon bereit gestellt hatte auf dem halb gedeckten Tisch verteilte, "isst deine Mutter nicht mit?" "Nein, nein", erwiderte er und drehte den Herd ab, "die ist schon bei der Arbeit."
"Und was arbeitet sie?", hakte ich nach. "Seit neustem arbeitet sie bei einer Fastfood- Kette am Stadtrand. Würde mich aber nicht wundern, wenn sie da auch bald wieder raus fliegt." "Auch?", wiederholte ich.
"Du kannst dir gar nicht vorstellen, wie oft sie ihre Arbeit wechselt. Inzwischen kann ich kaum noch zählen, wie oft sie schon irgendwo raus geflogen ist." "Aber woran liegt das?", fragte ich. Ein bisschen konnte ich es mir schon denken.
"Sie ist einfach total launisch. Mal ist alles ganz normal mit ihr und sie ist wirklich nett, dann gibt es Tage, an denen sie nur schläft oder trinkt. Manchmal heult sie auch herum wie ein Kleinkind, oder schreit die ganze Zeit.", erklärte Silas.
Er tat so, als wenn ihn das alles kein bisschen berühren würde. Aber ich konnte ihm ansehen, wie verletzt er war.
"Es tut mir so leid.", ich blickte betroffen zu Boden. Doch Silas kippte jedem von uns nur energisch ein Spiegelei auf den Teller, sodass eins davon beinahe auf den staubigen Boden gefallen wäre.
Gerade noch rechtzeitig fing ich es mit dem Teller auf. "Danke", gab der Junge knapp zurück und setzte sich zu mir an den Tisch. Dann biss er kommentarlos in sein mit Schinkenwurst belegtes Brot und ich tat es ihm schließlich gleich.
Wenn wir heute wirklich weiter kommen wollten, dann musste es mir unbedingt gelingen, die Stimmung etwas aufzuheitern. "Äh, wann wollen wir denn los?", mir fiel momentan einfach nichts Besseres ein.
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Ficção AdolescenteVirtuelle Freunde sind toll! Sie loben und bewundern dich, sie sind dir für jede Antwort dankbar und füttern dich mit Selbstbewusstsein. Aber sind sie auch noch da, wenn du gerade mal nicht perfekt gestylt bist? Trösten sie dich, wenn du nicht mehr...