--- Follower, oder auch Kapitel XXIX

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Mittwoch, 14.07: Karla

Wir hatten so lange im Raum abgewartet, bis Luke wieder zu den beiden Männern gestoßen war. Er hatte versprochen, sie so lange wie möglich aufzuhalten, bevor sie handeln konnten. Bevor Ivy etwas passieren konnte. Trotzdem wurde mir beim Anblick der Uhrzeit übel. Eine Viertelstunde blieb uns noch, um Ivy in einem viel zu großen und verwinkelten Gebäude zu suchen. 

"Wir müssen an das denken, was Jo gesagt hat. Wie hat er sein Gefängnis beschrieben?", flüsterte ich. Inzwischen hockten wir in einer kleinen Nische, um ja nicht entdeckt zu werden. Ich wusste immer noch nicht ganz, ob wir Luke trauen konnten. Aber jede Sekunde, in der uns nicht plötzlich einer der Männer von hinten packte, bestärkte mich in meiner Entscheidung, Luke zu trauen. Er hatte selbst total verzweifelt gewirkt. Doch hoffentlich würde es ihm auch gelingen, die Verbrecher irgendwie aufzuhalten. 

"Von irgendeiner Mauer hat er gesprochen", erinnerte sich Silas, "aber die gibt es hier ja überall. Um ehrlich zu sein, habe ich dem Schleimer nicht so richtig zugehört." "Na toll", erwiderte ich, "das hätte uns jetzt wirklich sehr geholfen." Trotz meiner Angst versuchte ich mich an Jos genaue Worte zu erinnern. Ja, Mauern hatte er erwähnt. Angst. Und noch etwas. "Silas", triumphierte ich, "er hat Keller gesagt! Da bin ich mir ganz sicher!" 

"Aber Moment. Woher weiß er von einem Keller? Er war doch eingesperrt, dachte ich.", merkte Silas an. Und er hatte Recht. Wie sollte Jo gewusst haben, wo er eingesperrt war? "Die Fenster", erklärte ich, "in allen Räumen hier gibt es Fenster. Und in Kellern gibt es bekanntlich keine. Daraus muss Jo geschlossen haben, dass er sich in einem Keller befindet." 

"Gut kombiniert", lobte Silas. "Los", zischte ich, ohne mich richtig darüber zu freuen, "wir haben keine Zeit zu verlieren. Lass uns jetzt nach unten gehen und gucken, ob es hier irgend einen Zugang zu Kellerräumen gibt." Blitzschnell und trotzdem bedacht darauf, möglichst kein Geräusch zu verursachen, liefen wir die steinerne Wendeltreppe hinab. 

Unten angekommen, blickten wir eilig um uns und verständigten uns darauf, in zwei Richtungen auszuschwärmen. Ich übernahm den Teil nahe des Eingangs, während sich Silas in den hinteren Bereich zurück zog. 

In meinem Kopf rief ich nach Ivy, auch wenn ich wusste, dass das nichts brachte. Je mehr Zeit verging, desto lauter wurden die Schreie. So als wollten sie mich antreiben. Zuerst tastete ich die Wände ab und suchte nach einer Tür, ehe ich meinen Blick auf den Boden richtete. Vielleicht gab es ja so etwas wie eine Luke, die nach unten führte.

Doch sowohl an den Wänden, als auch auf dem Boden fand ich nichts dergleichen. Und so rückte ich immer weiter in Silas Bereich vor, wo ich genauso gründlich suchte. Dabei versuchte ich die verzweifelten "Ivy? Wo bist du?"- Rufe in meinem Kopf auszublenden. Wie schon erwartet, gelang es mir nicht. 

Ich wollte mich schon wieder dem Boden zu wenden, als ich mit meinen Finger plötzlich eine Unebenheit in der Mauer ertastete. Ja, da war etwas! Ein Griff, oder ein Hebel. Vorsichtig zog ich daran und noch bevor ich zur Seite springen konnte, öffnete sich ruckartig eine Tür in der Wand- und die untere Kante traf mich mit voller Wucht am Schienbein. Ich verzog mein Gesicht und hielt nur mit Mühe einen schmerzerfüllten Schrei zurück.

Silas, der mich offenbar die ganze Zeit beobachtet hatte, kam herbei geeilt und staunte nicht schlecht. "Gut gemacht", flüsterte er und ich deutete auf mein Schienbein, "kannst du auftreten?" Ich stellte mich auf mein rechtes Bein, um zugleich wieder zum linken zu wechseln. "Nur schwer", erwiderte ich. 

"Na gut", Silas dachte kurz nach, "gib mir deine Handytaschenlampe. Dann suche ich alleine weiter." Obwohl ich viel lieber mitgekommen wäre, nickte ich und überreichte ihm mein Handy: "Sei vorsichtig." "Klar", er nahm das Smartphone entgegen und kurz darauf glimmte ein kleines Licht auf, mit dessen Hilfe Silas die Treppenstufen ausleuchtete, die hinter der Mauer nach unten führten. 

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