8997 Follower, oder auch Kapitel XVI

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Freitag, 09.07: Karla

"Gleich sind wir da.", jubelte Alessia und ich blickte aus dem Fenster. Der geräumige Bus holperte eine kleine Anhöhe hinauf auf dessen Spitze man eine Burgruine erkennen konnte. Ich war schon oft hier gewesen und doch zogen mich diese alten Gemäuer immer wieder in ihren Bann. 

Unter der Ruine lag das Dorf. Unzählige kleine Häuser waren dicht aneinander gereiht und sahen alle so aus, als könne der nächste Windstoß sie umreißen. Die Dächer lagen krumm und schief auf den viel zu bunten Wänden mit den kunstvollen Holzverzierungen und betonten diesen Eindruck zusätzlich. 

"Wahnsinn", flüsterte der Fuchs. Ich starrte zum hundertsten Mal auf dieser Busfahrt zu Silas hinüber. Seine Gedanken schienen ganz woanders zu sein. Wie schon beim Frühstück starrte er emotionslos auf den Boden. Hatte ich irgendetwas Falsches gesagt? Oder war der ganze nächtliche Ausflug reine Einbildung gewesen? Dort hatte er doch noch gelacht, so als sei nichts gewesen. 

Es nützte nichts, sich über einen so seltsamen Jungen wie Silas den Kopf zu zerbrechen. Morgen war er vielleicht wieder super gut drauf. Ich zwang mich, meinen Blick von ihm abzuwenden und mich stattdessen wieder auf Alessia zu konzentrieren. 

Diese hatte inzwischen ihre Nase gegen die Fensterscheibe gedrückt und schaute staunend zur alten Ruine hinauf. "Und- wo willst Du gleich als erstes hin?", fragte ich sie zur Ablenkung. "Also ich will auf jeden Fall da hoch und mir die Ruine mal genauer ansehen", erklärte der Fuchs, "glaubst Du, es ist sehr weit bis nach oben?" 

"Nicht wirklich. Ich war schon oft da. Allerdings ist die Ruine selbst abgesperrt. Da darf man nicht mehr rein.", informierte ich meine Zeltnachbarin. "Glaubst Du im Ernst, ich lasse mich von so ein paar Plastikbändern und einem Betreten verboten abhalten?", Alessia grinste schelmisch. 

"Natürlich nicht!" Lachend warteten wir ab, bis der Bus endlich anhielt und einige Betreuer aufstanden, um die Türen zu öffnen. "Schau mal in den Himmel!", murmelte ich während Alessia und ich die hohen Stufen hinab stiegen, die zum Bus führten. 

Im Himmel hatte sich eine dicke Wolkenwand gebildet, die nur darauf wartete, sich ordentlich auszuregnen. "Ach, wir sind doch nicht aus Zucker.", erwiderte der Fuchs unbeirrt. "Wenn Du meinst." "Kommt er auch mit?", sie senkte ihre Stimme. "Er?" "Ja er, der Wolf.", zischte sie. "Ach so", ich drehte mich unauffällig nach hinten um. 

Der besagte Junge verließ gerade den Bus. Er hatte sich den Kragen seines Pullis beinahe komplett Gesicht gezogen und wirkte immer noch abwesend, "ich gehe mal fragen." Mit diesen Worten löste ich mich von Alessia und stapfte möglichst selbstbewusst auf Silas zu: "Ich, äh wollte dich fragen, ob Du mitkommen willst. Wir wollen zur alten Burgruine dort oben, auf dem Hügel." 

Silas antwortete nicht und schaute stattdessen nur in den grauen Himmel. "Wenn wir uns beeilen, schaffen wir es noch bevor der Regen so richtig losgeht.", fügte ich schnell hinzu. Der Junge nickte kurz und begleitete mich zurück zu Alessia. 

Sie musterte ihn von oben bis unten, bis ich ihr einen strengen Blick zuwarf. "Na dann", ich blickte noch einmal skeptisch in den Himmel, "sollten wir uns lieber mal beeilen." Zügig liefen wir den steilen Hang hinauf. Auf dem Weg begegneten uns noch einige andere Jugendliche, die offenbar die selbe Idee hatten. 

Doch als wir in etwa die Mitte der Strecke erreicht hatten, hielten es die Wolken nicht mehr aus. Dicke, kalte Regentropfen prasselten auf uns nieder. Alessia ließ sich davon nicht im Geringsten stören, sondern marschierte weiter, so als sei nichts gewesen. Ich räusperte mich. "Wir sind doch gleich da.", war ihre Antwort und Silas und ich stapften ihr murrend hinterher. 

Der Hang war in kürzester Zeit vom Regen durchweicht und ziemlich rutschig. Meine Sneaker waren nicht dafür geeignet, matschige Steilwege hinauf zu kraxeln, aber irgendwie musste es gehen. 

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