Dienstag, 13.7: Karla
"Hallo", begrüßte Silas mich knapp. Er stand breitbeinig vor der geöffneten Tür und musterte mich mit einem Blick, den ich nicht recht zu deuten wusste.
Seine grünen Augen wirkten irgendwie dunkler als sonst. Aber vielleicht war das auch pure Einbildung. "Hallo", mir fiel einfach nichts Besseres ein. Zum Glück war es Silas, der die peinliche Stille unterbrach: "Ich dachte schon, du kommst gar nicht mehr."
"Ja, ich äh... wollte meine Sachen holen", gab ich zurück, "ist deine Mutter da?" "Nein, du kannst ganz unbesorgt sein.", Silas trat einen Schritt zur Seite, sodass ich in die leere Wohnung blicken konnte. Leer, von dem großen Chaos einmal abgesehen.
"Ähm", begann Silas nach einer Weile, in der ich bloß schweigend in den Flur gestarrt hatte, "willst du nicht reinkommen? Deine Sachen holen und so?" "Klar", ich trat ein und Silas schloss behutsam die Tür hinter mir.
Ohne ihn weiter zu beachten ging ich auf seine Zimmertür zu und trat ein. Innerhalb weniger Minuten hatte ich all meine Sachen wieder in meinem kleinen Rucksack verstaut.
Silas hatte mir nur wortlos zugeschaut und immer wieder nervös mit dem Fuß auf den Boden getippelt. Jetzt stand ich wieder vor der Wohnungstür und wusste nicht, wie ich mich am besten verabschieden sollte. Wieder nahm Silas mir das Reden ab.
"Tja", stöhnte er, "schade, dass du schon gehst. Ich hab es wohl echt vermasselt." Verwirrt blinzelnd blickte ich auf. "Du hast es vermasselt?" "Ja, natürlich ich", erwiderte der Junge, "du hattest wirklich Recht! Ich bin total unsensibel! Mir war nicht klar, wie viel dir deine Freundin bedeutet. Und ja, ich habe selbst keine Freunde. Und das nicht ohne Grund."
"Ist es nicht! Bei dem, was bei dir abgeht, kann ich es total verstehen, wenn du manchmal einfach durchdrehst.", entgegnete ich. "Damit muss ich halt klar kommen.", erwiderte er gleichgültig. "Mann, Mann, Mann. Ich dachte schon, nach der Show die ich abgezogen habe, möchtest du mich nie wieder sehen. Ganz ehrlich, ich hätte es sogar verdient! Immerhin habe ich dich angebrüllt und bin dann fast fünf Stunden alleine durch Berlin geirrt, ohne dir Bescheid zu sagen. Ich war einfach so...", ich schnappte nach Luft.
"Hör auf. Natürlich möchte ich dich noch sehen! Vorausgesetzt, du kannst mir überhaupt verzeihen.", unterbrach mich Silas, bevor ich weiter sprechen konnte. "Natürlich kann ich das! Ist das dein Ernst?", rief ich. Mein Herz machte vor Freude tausend Hüpfer.
"Mein voller Ernst", eine paar Sekunden sagte er gar nichts, "aber heißt das dann, du bleibst doch hier?" "Wenn du nicht...", setzte ich an. "Nein, bin ich nicht! Und jetzt komm, ich habe dir nämlich etwas Wichtiges mitzuteilen!", mit diesen Worten nahm mir Silas den Rucksack ab und bedeutete mir, ihm in sein Zimmer zu folgen.
Dort angekommen warf er meinen Rucksack wieder aufs Bett und ich lies mich in der Hängematte nieder, während mein Freund auf den voll geräumten Schreibtisch kletterte und sich ein großes Stück Schokolade aus einer halb aufgerissenen Packung in den Mund stopfte.
"Du auch?", nuschelte er und ich nahm dankend an. Ungeduldig wartete ich, bis er sein eigenes Stück endlich herunter geschluckt hatte. Seinem Blick nach gefiel es ihm, mich auf die Folter zu spannen. Genüsslich brach er sich ein zweites Stück Schokolade ab und schob es sich ebenso langsam in den Mund.
"Ich dachte, du hättest mir etwas Wichtiges mitzuteilen.", merkte ich an, konnte mir aber ein Grinsen nicht verkneifen. "Oh ja, das habe ich auch. Sehr wichtig sogar!" Silas räusperte sich, schlug seine schokoladenverschmierten Hände kurz aneinander und fuhr fort: "Während du nämlich durch die halbe Millionenstadt gejagt bist, habe ich ein bisschen recherchiert."
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Ficção AdolescenteVirtuelle Freunde sind toll! Sie loben und bewundern dich, sie sind dir für jede Antwort dankbar und füttern dich mit Selbstbewusstsein. Aber sind sie auch noch da, wenn du gerade mal nicht perfekt gestylt bist? Trösten sie dich, wenn du nicht mehr...