7543 Follower, oder auch Kapitel VI

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Freitag, 02.07: Karla

Kichernd hatten wir hinter dem Vorhang ausgeharrt und festgestellt, dass Milo Recht gehabt hatte, denn das Theaterstück war wirklich totlangweilig gewesen. 

Das, was wir hinter der Bühne mitbekommen hatten, war eine stinknormale, überdrehte Vampirgeschichte gewesen und nicht einmal die Hauptdarsteller hatten gut gespielt. 

Langsam verbeugten sich die Schauspieler und mein Bauch begann zu kribbeln, wie er es immer tat, wenn gleich mein großer Auftritt war. 

Einer nach dem anderen verließen die Darsteller die Bühne und gingen an uns vorbei in die Umkleiden, die sich praktischerweise direkt neben dem Backstagebereich befanden. Bevor wir uns aufgestellt hatten, hatte Milo noch einmal einen kritischen Blick auf meine Hüfte geworfen, aber ich hatte ihm versichert, dass jetzt wirklich alles in Ordnung war.

Jetzt standen wir hier und warteten darauf, dass auch das letzte Mitglied der Theater- AG die Bühne verließ. Meine Füße juckten und freuten sich auf eine umwerfende Choreografie. Endlich war es soweit! 

Als erstes betrat Milo die Bühne, gefolgt von einem weiteren Jungen, zwei Mädchen , dann wieder zwei Jungen und dann ich. Lässig setzten wir uns in unsere Positionen und ich versuchte noch, irgendwo im Publikum meinen Bruder zu finden. Doch gerade als ich den Kopf meiner Oma erblickte, startete auch schon die Musik und ich richtete mich erschrocken auf. 

Meine Arme bewegten sich inzwischen fast automatisch, so oft hatte ich das Lied schon gehört und die Choreo in der Schule und in meinem Garten wiederholt. Manchmal war es ganz gut, dass uns das blendende Licht der Scheinwerfer, die kurz nach der Musik eingeschaltet wurden, den Blick auf das Publikum vorenthielt, denn die Menschenmenge hätte so manche Tänzer unter uns nervös gemacht. 

Mir war egal, vor wie vielen Leuten ich tanzte. Oder eigentlich auch nicht- den gerade die Menschenmenge machte für mich den Reiz aus. Die Zeit zu den Soloparts kam mir unendlich kurz vor und schon setzte Antonia zu ihrer Flugrolle über Marie an. 

Meine Hände zitterten und waren schwitzig, als ich mich auf den Handstand vorbereitete. Ausgerechnet jetzt meldete sich auch noch meine Hüfte wieder und erinnerte mich an den schmerzhaften Unfall bei der Probe. 

So, als wenn sie mir sagen wollte: "Hey, ich bin auch noch da. Lass das lieber sein!" Aber jetzt gab es definitiv kein Zurück mehr. Ich nahm Schwung und stütze mich auf meine rutschigen Hände. 

Die Bühne gab mir erstaunlich guten Halt und ich lief im Rhythmus auf und ab, ohne ein einziges Mal zu schwanken. Als ich wieder zurück auf die Füße sprang, und meine Haare mir ins Gesicht peitschten, lächelte mir Milo kurz zu, bevor er seinen gekonnten Rückwärtssalto vorführte und vom Publikum einen Extra- Applaus erntete. 


Freitag, 02.07: Ivy

Auch wenn ich mich auf die Theateraufführung vor lauter Luke nicht richtig konzentriert hatte, war ich davon überzeugt, dass die Aufführung der Hip- Hop AG viel aufregender gewesen war. 

Das einzige Problem war Karla, die auch mittanzte. Irgendwie musste ich die ganze Zeit zu ihr herschauen und bei dem Anblick ihrer vor Aufregung leicht geröteten Wangen und dem Lächeln in ihrem Gesicht verspürte ich einen Stich im Bauch. 

Anscheinend wollte irgendein komischer Teil von mir immer noch mit dieser Zicke befreundet sein. Und Tanzen, das konnte sie wirklich gut. Jeder Schritt sah so perfekt aus, als hätte sie ihr Leben lang nichts Anderes gemacht und bei ihrem Handstand wäre ich am liebsten aufgesprungen und hätte laut gejubelt. 

Aber das hatte sie nicht verdient. Nicht nach all dem, was sie mir angetan hatte. Ich spürte, wie ein paar weiche Lippen mir auf die Wange küssten und vergaß meine Gedanken an Karla. Ein neues Leben hatte begonnen. 

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