Him

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"Mika? Frühstück wenn du willst?"

Ich sah zu meiner Abgeschlossenen Tür, zurück auf meinen Arm und lies meine Klinge immer noch durch meine Haut gleiten. So schnell es ging. Desto tiefer ging ich.
Die Tränen auf meinen Wangen waren bereits getrocknet und mein Herzschlag komplett entspannt, davor hatte ich nämlich mal wieder einen Nervenzusammenbruch gehabt- auch Selbstmordgedanken.
Am liebsten hätte ich alles sofort beendet.

"Mika?"

"Ja!" Murmelte ich mit kratziger Stimme. "Ich komme gleich!"

Ich zog meinen Ärmel über meine frischen Schnitte und bemerkte das mein Kreislauf kurz zusammen sackte aber sich wieder aufraffte.
Als ich endlich stand räumte ich meine Klinge an einen sicheren Ort und sorgte dafür das niemand ihn je entdecken würde. Dann machte ich mich auf zum Essen. Je mehr Stufen ich hinunter stieg, desto schlechter ging es mir. Irgendwie war mir schlecht und meine Gelenke schmerzten enorm.

Nachteil von Depression.

Moment, gab es überhaupt Vorteile?

Nachdem ich dann aber endlich saß und mich zu meiner Familie setzte, begann ich langsam zu Essen. Naja, eher würgte ich es mir rein.

"Geht es dir gut?"

Ich nickte, murmelte, "Klar.", und sah nicht einmal auf.

Meine Mutter schüttete mir ein Glas Wasser ein und reichte es mir. "Du hast sicherlich zu wenig getrunken heute..."

"Danke." Murmelte ich, trank soviel ich konnte und musste versuchen mich auf dem Stuhl zu halten, weil mein Kreislauf gar nicht damit klar kam das ich mich so schnell bewegte.

"Mika?"

Das klang nach meinem Vater.

"Mika du solltest dich lieber-" Kurz wurde alles schwarz und ich öffnete darauf wieder meine Augen, sah auf und in die Augen meines Vaters. "-schon gut ich habe ihn Ann." Er sah zu mir und strich mein Haar aus meinem Gesicht. "Na komm kleiner..." Er griff unter mich und hob mich hoch in seine Arme. "Bringen wir dich lieber ins Bett."

Ich sagte nichts aber merkte umso mehr wie sehr mich diese Situation an meine Kindheit erinnerte. An die Zeit, in der es mir noch gut ging, ich unbeschwert und glücklich war...
Damals hatte mein Vater mich immer ins Bett gebracht wenn es mir nicht gut ging...oder als ich schon einmal einen Kreislaufzusammenbruch hatte.

Aber die Vergangenheit tat mir nicht gut. Deswegen dachte ich nicht all zu lange darüber nach.

Nachdem meine Mutter meinem Vater die Tür zu meinem Zimmer geöffnet hatte legte er mich auf mein Bett und zog meinen Pulli aus da er wirklich sehr hoch geschnitten war und mir etwas die Luft abschnürte. Das ich ein TShirt trug merkte ich erst als es soweit war und meine Eltern erblickten beide meine Wunden, eher das was ich lieber verheimlichen wollte.

"Ich hole den Verbandskasten." Murmelte Mum und verschwand. Mein Vater reichte mir meine Wasserflasche und ich trank etwas. Dann, als ich mich wieder hinlegte, strich er mein Haar zurück und betrachtete mich etwas.

Ausatmend lächelte er leicht und sagte nichts, ich schloss meine Augen.

"Soll ich-"

"Schon gut, ich kümmere mich um ihn." Sprach mein Vater zu meiner Mutter. Mich verwunderte seine einfühlsame Art. Normalerweise bekam ich immer nur seine Arschloch Art zu Gesicht.

"Okay."

Meine Mutter stieg wieder die Treppen hinab. Für sie war das Ding mit dem Verbandsmaterial schon Normalität- auch wenn ich es nie wollte das sie dich darum kümmerte. Aber manchmal war ich leider zu schwach um mich selbst dazu zu bringen meine Wunden zu versorgen.

Ich würde sie sonst einfach bluten lassen oder eintrocknen...

Okay, eigentlich hoffte ich inständig das ich daran verbluten würde...
Das musste aber keiner wissen.

Stillschweigen versorgte mein Vater meine Wunden und gab mir Traubenzucker um meinen Kreislauf wieder hoch zu bekommen. Das half etwas.

"Mir war nie bewusst wie sehr dich das schwächt."
Seine Stimme riss mich aus meinem Selbsthass.

"Was meinst du?"

"Mir war nie bewusst das deine Depression und dein Borderline sich so auf deinen Körper auswirken."

Ich lachte falsch auf.

Das wüsste er, wenn er sich mal für mich jucken würde.

"Ich weiß...Ich sollte es wissen wenn-"

"Lass gut sein." Wank ich ab. "Du willst es nicht wissen und auch nicht verstehen."

Das traf ihn. Mich aber nicht mehr.

"Mika...-"

"Schon gut." Unterbrach ich ihn. "Ich habe mich damit abgefunden."

Er nickte nur, sagte nichts mehr.
"Brauchst du noch etwas?"

Als ich verneinte half er mir auf um wieder nach unten zu gelangen. Das funktionierte gut. Danach setzten wir uns wieder an einen Tisch und aßen gemeinsam. In Ruhe und in Frieden.

Als dann der nächste Tag anbrach fiel es mir sehr schwer mich für die Schule fertig zu machen, doch ich schaffte es irgendwie.

"Vergiss nicht das du heute Therapie nach der Schule hast!" Rief meine Mutter mir nach als ich das Haus verlies. Ich verdrehte aber nur meine Augen.
Dieser Typ hatte doch eh keine Ahnung was er da sagte, denn er kam einfach nicht mit mir klar. Ende. Außerdem war er der Meinung das ich zurück in die Jugendpsychatrie müsse da ich absolut nicht stabil genug wäre.

Tatsächlich vermisste ich die Zeit dort.

Ich hatte einen geregelten Tagesablauf, es war immer jemand da und ich liebte die Sport- und Ergotherapie was man auch "Kreativitäts- Stunde" nennen konnte. Die Leute die ich dort kennengelernt hatte waren wirklich sehr korrekt gewesen, nur lebten sie Meilen weit weg und konnte mich schwer besuchen.

Als wäre der Zufall nicht komisch genug bekam ich tatsächlich eine Nachricht von einem mit dem ich mich sehr gut verstanden hatte. Ab und zu zockte ich mit ihm R6 oder GTA.

>>"Wie läuft es in Californian? Da lebst du doch oder?"

"Ja. Es läuft gut und bei dir?"<<

>>"Lüg nicht Bro...Mir gehts echt beschissen, hier ist höchster Stress, weil wir umziehen."

<<"Oh fuck...Willst du später reden?"

Jeder den ich aus der Psychiatrie kannte war absolut korrekt und loyal. Klar, manche hatten wirklich nen' Lattenschuss aber die meisten wussten genau was ich wann oder wie fühlte wenn ich dies oder das von mir gab.

>>"Ich ruf dich dann an! Sag mal...kennst du die Melbourne Street?"

"Das ist das Viertel um die Ecke bei mir wieso?"<<

>>"Da ziehe ich hin. Melbourne Street 12!"

"Krass alter! Gehst du dann auf die Highschool in der Nähe?" >>

<<"Ja man, mein Dad hat mich schon fürs Football Team angemeldet! Ich bin sowas von gespannt."

"Mein Vater hat das selbe gemacht. Aber nicht weil ich es wollte..." >>

<<"Fuck it Bro, wir machen die kalt! Ich melde mich später, vielleicht sehen wir uns noch!"

Hatte ich wirklich gerade einen Freund gefunden?

kill us allWo Geschichten leben. Entdecke jetzt