Regenwolken

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Schnell schlüpfe ich aus meiner Arbeitskleidung, ziehe mir bequeme Sachen an und springe durchs Fenster in den kühlen Abendhimmel.

Mit meinen schimmernden Flügeln schraube ich mich bis über den Rand des Kessels in die Luft.
Oben halte ich inne und beobachte , wie gerade die Sonne hinter dem Wald der Elementgeister verschwindet.
Tief atme ich ein und lasse sehnsüchtig meinen Blick über die Fabelwelt schweifen.
Bisher hatte ich noch nie das Geld um zu reisen, abgesehen davon müsste ich sofort für alle tanzen, wenn ich ein anderes Volk besuchen würde.
Außerdem kenne ich sowieso niemanden außer Isla.

Ich drehe ein paar Runden und lasse meinen Fülgel ein bisschen Freiheit.
Oft fliege ich auch in die Richtung der Lagune der Wassernymphen, da es der am nächsten liegende interessante Ort ist. Aber kurz vor der Grenze stoppe ich immer und beobachte, in der Hoffnung das mich niemand sieht, die Wassernymphen.
Des öfteren sind irgendwelche Männer dort, dann mach ich sofort kehrt. Sowas möchte niemand mit ansehen.

Kurz bevor ich wieder zurück nach unten tauchen möchte, nehme ich aus dem Augenwinkel pechschwarze Nebelschwaden hinter dem Wald der Elementgeister wahr. Ich halte noch einmal inne, doch genaues kann ich nicht erkennen.
Wahrscheinlich nur Regenwolken, ich zucke mit den Achseln und trete meinen Weg nach Hause an.

Am nächsten Morgen stürmt Isla glücksstrahlend in die Küche von Missy, wo ich an meinem Kaffee nippe.
"Meine Güte, so wie du schaust, wirst du noch zur Fee, du Grinsekatze." schmunzle ich über meinen Tassenrand.
"Ich lächle einfach für uns beide. Außerdem ist heute ein wundervoller Tag zum einkaufen."

Doch kaum sind wir auf der Hauptstraße unterwegs, kommt uns ein Elfenbote entgegen.
"Miss Isla kommen sie, es ist etwas passiert." meint er gehetzt und wir stolpern ihm ins Gasthaus hinterher.
Dort hat sich eine große Elfengruppe und, zu meiner Verwunderung, ein Mitglied des Hofstaates von unserem König Adian versammelt.

"Hamish! Was machst du den hier?" quiekt Isla vergnügt auf und hüpft auf einen grauhaarigen, älteren Elfen zu.
"Ich bin im Auftrag von Königin Maisie hier. Schön dich zu sehen."
Er lächelt sie warm an und schließt sie kurz in die Arme.
Während die beiden ihren kleinen Plausch halten, stehe ich ein wenig verloren in der Ecke rum.

Ich versuche mich möglichst cool hinzustellen und betrachte die anderen Personen der Truppe.
Alle reden durcheinander und diskutieren.
"Nein, wir besprechen das mit dem König. Ihr seid hier im Feenkessel und nicht im Elfental, also befolgt auch die Anweisungen des Königs!" überschreit der Abgesandte vom Hof die anderen.
Nach einer kurzen Stille geht das debattieren von vorne los.
"Äußerst heikel"
"versteht das nicht"
"betrifft euch nicht"
"dauert zu lange"
Stirnrunzelnd schnappe ich ein paar Wörter auf und werde nicht schlau draus.
Alle hacken auf den Hofboten ein.

Gerade kommt Isla wieder auf mich zu, als sich die Gruppe in Bewegung setzt und Hamish uns mitzieht.
Er wird in ein Gespräch verwickelt, während wir auf die Kronenstraße biegen.
Anscheinend hat sich der Bote doch durchgesetzt.

Isla und ich fallen ein bisschen zurück und ich frag sie, wer dieser Hamish ist.
"Er ist der Adoptivvater von Finlay und wahrscheinlich mein zukünftiger Arbeitskollege. Zumindest haben sie versprochen mich nicht bei der nächsten Hütervereidigung zu vergessen."
Die Hüter sind ganz hohe Tiere bei den Elfen und sehr bekannt bei allen Völkern. Sie bewahren Wissen und Erinnerungen auf, damit sich alte Fehler nicht wiederholen.
Sehr perfektionistisch diese Elfen, wenn man mich fragt.

Innerlich beglückwünsche ich Finlay, anscheinend hatte er ziemlich Glück gehabt mit seinem Adoptivvater. Hamish scheint sehr bodenständig und beführwortet offensichtlich die Beziehung von Isla und ihm.

Nachdem uns ein breit lächelnder Wachposten die Tür öffnet, treten wir in den Thronsaal ein. Der gesamte Saal ist voller Pflanzen, sogar von der Decke ringelt sich Efeu bis auf den Mosaikboden, der Blumenmuster zeigt. Kleine Wasserfälle sprudeln aus den Seitenwänden in kleine Becken.
Bunt bemalte Tänzerinnen führen gerade eine Art Ringelrei Tanz auf. Oder irgendwas anderes, ich kenn mich mit dem Gehüpfe ja nicht aus.

Unsere Gruppe durchquert zielstrebig den Saal, an den Tänzerinnen vorbei, bis vor ein Podest. Erst als die anderen mit ihren Nasen fast den Boden putzen, bemerke ich, dass dort König Adian sitzt. Etwas verspätet deute ich auch eine Verbeugung an.
Er ist genauso grün angezogen wie der ganze Urwald im Thronsaal und rund um seinem Sessel wuchern Farne. Über ihm ist ein rundes Glasfenster eingelassen, sodass er von strahlensten Sonnenschein beschienen wird, nur seine Miene zeigt eindeutig Gewitter. König Aiden lächelt zwar, doch seine dunklen Augenbrauen furchen tief zusammen, was sehr unnatürlich und gruselig aussieht.
Er ist um die 100 und hat kurzes dunkelbraunes Haar, was im starken Kontrast zu seinen blassblauen Augen steht. Seine hellbraunen mit Goldlinien durchzogenen Flügel schwingen angespannt hin und her.
Elfen und Feen können bis zu 200 Jahre werden. Ich glaube der Rekord liegt bei einem Elf mit 204.

"Willkommen im Feenpalast meine Herren", mit einem Seitenblick zu Isla und mir, "und Damen. Ich hatte eigentlich gehofft Sie früher begrüßen zu können." vorwurfsvoll blickt er in die Runde. "Per Feenpost hat mir die Elfenkönigin ein dringendes Gespräch mit ihren Abgesandten geraten. Nun was ist passiert?"

Das würde mich auch mal interessieren. Den Gesichtern nach scheint etwas sehr Ernstes zu sein.
"Majestät, in der Lagune wurde eine Wassernymphe ermordet. Man hat sie mit den Füßen an einen Baum im Wald der Elementgeister gebunden. Sie ist qualvoll ausgetrocknet." Ein entsetztes Raunen ging durch den Saal.
Isla und ich blicken uns mit großen Augen an.
Wie grausam kann Jemand sein?
Wassernymphen haben zwei Gestaltformen, einerseits können sie zwei Beine haben, andererseits eine Flosse. Sie können nie länger als einen Tag ohne Wasser auskommen.
"Majestät", ergreift der Redeführer wieder das Wort und bringt den Saal zu schweigen. "Außerdem wurde im Elfental ein Anschlag verübt, es ist glückerweise niemand ernsthaft verletzt. Ein Feuervogel hat eine Elfenkriegerpatroullie nahe dem Wald angegriffen." Isla schnappt erstickt nach Luft und schlägt sich die Hand vor dem Mund. "Er hatte, statt normalerweise goldene, pechschwarze Augen. Sie konnten ihm jedoch entkommen."
"Da war Magie im Spiel." sinniert Hamish.
"Oder irgendeine Krankheit hat die Feuervögel befangen. Eindeutig und viel beunruhigender ist der Vorfall mit der Wassernymphe.", wendet König Adian ein und erhebt sich.
"Wir müssen aber beidem auf den Grund gehen. Auch darf man den Mord an dem Waldgeist nicht vergessen.", erwähnt ein größer dürrer Elfenbote.
Ein Elf mit weinrotem Umhang ergreift das Wort und wendet sich an den König:"Unsere verehrte Königin Maisie hat uns bereits Instruktionen gegeben, was wir mit Euch besprechen sollen. Ihre Kriegsminister haben einen Plan eruiert, um der unbekannten Gefahr entgegen zu wirken.", näselt er wichtigtuerisch.
König Adian lässt sich wieder auf seinen grünen Sessel sinken und erwidert verbissen:"Ist ja schön, wenn die Königin alles schon wieder 'eruiert' hat. Na gut, ich höre?"

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