𝘵𝘩𝘪𝘳𝘵𝘺-𝘯𝘪𝘯𝘦.

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"Yoongi-Boongi, was ist eigentlich dein Traum?", fragte er schließlich, schob mit dem Zeigefinger die Brille ein Stück höher auf meine Nase.

Mein Traum?
Wie kam er denn da jetzt drauf?
Nachdenklich starrte ich an die Decke.
Klar, ich hatte Träume, viele sogar. Aber was war mein ultimativer Traum?

Wieder gehen zu können? Wieder tanzen zu können?
Okay, ja. Definitiv zweites. Tanzen zu können beinhaltete ja quasi gehen, und theoretisch war mir das Tanzen viel wichtiger als das Gehen.
An den Rollstuhl und so hatte ich mich so langsam gewöhnt, ich konnte mich ja immer noch fortbewegen.
Aber meinem größten Hobby konnte ich eben gar nicht mehr nachgehen.

Wahrheitsgemäß antwortete ich, überraschend leicht kamen mir die Worte über die Lippen.
"Tanzen", meinte ich, mit einem kleinen, traurigen Lächeln auf den Lippen.
"Hmmm", machte Hoseok, zog mich wieder enger an sich, "Das dachte ich mir."

"Wieso?"
"Nur so. Hat mich interessiert."
"Und deiner?"
Kurz schwieg er, schien ebenfalls nachzudenken.
"Gute Frage. Wahrscheinlich, professionell tanzen zu können. Oder Choreograf werden."

Ich musste lächeln, sah ihm in die Augen und nickte zufrieden.
"Wenn du das wirklich willst, dann schaffst du das. Ich hab dich ja schließlich tanzen sehen, ich fand's einfach nur toll."
"Aww, Yoonie", grinste er und brachte seine Grübchen zum Vorschein.

Ohne groß darüber nachzudenken, neigte ich meinen Kopf in seine Richtung, legte eine Hand in seinen Nacken und küsste ihn auf die vollen Lippen.
Wie die letzten Male schoss eine Armee von Schmetterlingen durch meinen Bauch, als ich seinen weichen Mund an meinem spürte, seine Hände an meiner Taille.
Nach ein paar Sekunden löste ich mich wieder, öffnete die Augen wie nach einem schönen Traum.

Hoseok starrte mich verklärt an, "Das war das erste Mal, dass du mich geküsst hast", murmelte er begeistert.
Verlegen zuckte ich die Schultern.
"Es gibt für alles ein erstes Mal."
"Machen wir ein zweites Mal draus", grinste er, was ich ihm natürlich nicht abschlagen konnte, also zog ich ihn wieder näher an mich und verband unsere Lippen.

Keine Ahnung, wie lange wir da standen - beziehungsweise saßen - und uns küssten, es hätten zwei, aber auch zwanzig Minuten sein können.
Jedenfalls hörten wir erst auf, als von der Wohnungstür auf einmal das Geräusch von Schlüsseln im Schloss hertönte und wir geistesgegenwärtig auseinanderfuhren.

Blitzschnell griff ich wieder nach der Zwiebel und begann fiebrig, sie kleinzuschneiden, während Hobi in Lichtgeschwindigkeit zwei Meter von mir wegrutschte und nach der nächsten Paprika griff.
"...die Briefmarken vergessen, holst du die morgen früh, Schatz?", hörte ich meine Mutter gedämpft durch die Tür, dazu ein Brummen von meinem Vater.

Appa. Er hatte Hoseok noch nie getroffen, bloß Eomma...
Sofort bildeten sich in meinem Kopf die skurrilsten Szenarien, bevor ich mich selbst zur Ruhe zwang.
Offiziell war Hoseok schließlich ein ganz normaler Kumpel, jemand, dem mein Vater nicht allzu viel Aufmerksamkeit schenken würde.
Er wusste ja nicht, dass wir zusammen waren.
Er wusste auch nicht, dass ich auf Jungen stand... und dass ich einen Freund hatte, geschweige denn, dass dieser Junge hier besagter Freund war.

Ich liebte meinen Vater, er war ein toller Mensch, aber genau wie bei meiner Mutter wusste ich absolut nicht, wie er dazu stehen würde, wenn ich auf einmal statt einem Mädchen einen Jungen anschleppen würde.
Auf einmal war ich froh, das mit Hobi und mir erst mal geheim zu halten, und dass Hobi einverstanden war. Schließlich hatte er darum gebeten  erstmal undercover zu bleiben.

"Dein Vater?", flüsterte Hobi mir zu, sein Gesicht hatte eine gesunde Farbe angenommen, hoffentlich sah man mir unser Rumgeknutsche nicht an...
Unauffällig wischte ich mir mit dem Ärmel über den Mund, bevor ich ihm besänftigend zunickte.

𝙩𝙧𝙪𝙚 𝙗𝙚𝙖𝙪𝙩𝙮 | 𝙨𝙤𝙥𝙚Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt