𝘵𝘸𝘦𝘯𝘵𝘺-𝘵𝘩𝘳𝘦𝘦.

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"Yoongi, kommst du? Es wird Zeit!"
Die Stimme meiner Mutter schallte nur gedämpft zu mir herüber.
Schnell murmelte ich irgendetwas unverständlich zustimmendes.

Ausgestreckt lag ich auf meinem Bett, die Arme hinter dem Kopf verschränkt, und starrte an die Decke.
Meine Haare waren noch ein wenig nass von der Dusche und meine Beine steckten in einer Jogginghose.
Es war Freitagvormittag, und eigentlich hatten Hoseok und ich uns für heute verabredet.
Gestern hatte ich ihm jedoch wieder absagen müssen, da meine Mutter und ich nur heute einen Termin beim Arzt bekommen hatten.
Ich wollte da nicht hin.

Wie gerne hätte ich, anstatt mehr oder weniger gegen meinen Willen in diese deprimierende Praxis verfrachtet zu werden, etwas mit meinem neuen Kumpel unternommen.
Am liebsten hätte ich diesen blöden Termin einfach geschwänzt und mich wie letztes Mal unauffällig an Hoseoks warme Brust geschmiegt.

Beim Gedanken an Mittwochabend begann mein Herz wieder ein wenig aufgeregt herumzuflattern.
Es war so schön und entspannt gewesen... Himmel, wie sehr ich den Arztbesuch gegen eine Wiederholung dieser Erfahrung eintauschen wollte.

"Yoongi! Mach schon, sonst kommen wir wieder zu spät!", rief meine Mutter durch den Flur.
Gleich darauf hörte ich, wie sie mit schnellen Schritten auf meine Zimmertür zukam.
Hastig richtete ich mich auf und rutschte an die Bettkante, bemüht, wenigstens so auszusehen, als hätte ich mich beeilt.

Schon öffnete sich die Tür und meine Mutter steckte ihren Kopf mit den glänzenden, schwarzen Haaren durch die Tür.
"Na los... du bist ja noch nichtmal richtig angezogen! Ach Yoongi, wir sind schon spät dran!"
Gestresst hastete sie auf meinen Kleiderschrank zu, um mir eine Jeans und ein Hemd zuzuwerfen.
So war sie, bevor sie mich zu sehr stresste, nahm sie die Dinge lieber selbst in die Hand.

Empört fing ich beides auf, hielt aber das Hemd anklagend in die Höhe.
"Eomma, ich zieh doch kein Hemd an! Ich will da eh nicht hin... können wir nicht absagen?"

Mit den Augen rollend schnappte sie sich das Hemd wieder und drückte mir ein graues Sweatshirt in die Hand.
"Schatz, ob du ein Hemd trägst oder nicht ist mir egal, Hauptsache du gibst jetzt mal ein bisschen Gas! Es wird echt knapp sonst! Und da müssen wir leider hin, Großer."
Im Vorbeigehen strubbelte sie mir beiläufig übers Haar, bevor sie mein Zimmer wieder verließ.

Missmutig tauschte ich mein Schlabbershirt gegen das Oberteil aus und streifte mir umständlich die Jogginghose von den Beinen.
Ich hasste es, meine Jeans anzuziehen. Total umständlich und zeitaufwendig.
Als ich das Ding endlich über meine Hüfte gestreift und den Reißverschluss geschlossen hatte, waren schon wieder drei Minuten vergangen.
So schnell es eben ging, hievte ich mich in meinen Rollstuhl und verließ anschließend das Zimmer.
Im Flur wartete Eomma bereits vollständig gerichtet mit Handtasche und Schlüsseln in der Hand auf mich.

Auf der Fahrt war es still. Nachdem meine Mutter mir in den Beifahrersitz geholfen und meinen Rollstuhl im Kofferraum verstaut hatte, war kein Wort mehr gefallen.
Gedankenverloren starrte ich aus dem Fenster.
Was Hoseok wohl gerade tat? Ob er vielleicht auch an mich dachte? Wobei, seine Gedanken drehten sich garantiert nicht so oft um mich wie die meinen sich um ihn.

Generell machte es mich irgendwie nervös, nicht zu wissen, was er von mir hielt.
Klar, er mochte mich, was er auch immer wieder betont hatte, aber nur als Freund.
Ob er wohl auch ein wenig auf Jungen stand?
Wobei, er war absolut der Typ Mädchenschwarm. Er hatte schließlich auch schon ein paar Freundinnen gehabt.

Super, Yoongi.
Zwar hatte ich mir mittlerweile eingestanden, ein bisschen in meinen Kumpel verliebt zu sein, aber das Ganze war umso schlechter für mich, wenn er diese Gefühle nicht erwiederte.
Und selbst wenn er mich gern hatte, wenn er nicht an Jungen interessiert war, dann konnte auch ich nichts daran ändern.
Erst recht nicht ich. So ein Typ wie Jungkook vielleicht, mit toller Figur und hübschem Teint. Wobei... die Geschmäcker waren ja angeblich verschieden.
Auf was Hoseok wohl so stand? Auf schmale, blasse Mädchen?
So weit davon war ich schließlich nicht entfernt.
Sarkastisch lächelte ich mein eigenes Spiegelbild in der Fensterscheibe an.

Es fuchste mich irgendwie total, nicht zu wissen, was Hoseok fühlte.
Wenn ich doch bloß wüsste, dass er schlichtweg kein Interesse an mir auf romantischer Ebene hatte, dann könnte ich meine Gefühle in den hintersten Winkel meines Herzens sperren und so gut verstecken, wie es ging.
Hauptsache, wir blieben befreundet... ich wollte mir das nicht kaputt machen.
Hoseok war mein erster richtiger Freund nach einem halben Jahr, und ich mochte ihn bereits jetzt so gern als würde ich ihn schon seit Jahren kennen.

Wenn ich allerdings irgendwann auffliegen und er herausfinden würde, was ich für ihn empfand, was dann?
Die Chancen, dass er meine Gefühle erwiderten, waren recht klein.
Schließlich war es allein, dass er auf Jungs stand, unwahrscheinlich, und dass er aus allen hübschen, queeren Jungen, die er wohl tagtäglich sah und von denen er so ziemlich jeden hätte haben können, auch noch mich gut fand.
Aber wenn er doch auch Jungs mochte?
Was dann?
Natürlich könnte ich ihn irgendwann - Betonung auf irgendwann - danach fragen, aber was, wenn danach alles anders war? Wenn dieses Unbeschwerte, Leichte an unserer Freundschaft verloren ging?

Unvorstellbar. Lieber würde ich für immer unerwiderte Gefühle für ihn hegen.
Dann könnte ich immerhin trotzdem in seiner Nähe sein.
Es war erstmal besser, verdeckt zu bleiben, beschloss ich.
Doch in meinem Herz, diesem dummen, naiven Teil, saß dennoch ein Keim Hoffnung, das spürte ich.

Erschöpft ließ ich meinen Kopf an die Lehne sinken und starrte weiter aus dem Fenster.
Insgeheim hoffte ich trotzdem, dass meine Gefühle erwidert wurden.
Wie eine hartnäckige Klette klebte sie in meiner Brust, die Hoffnung.

𝙩𝙧𝙪𝙚 𝙗𝙚𝙖𝙪𝙩𝙮 | 𝙨𝙤𝙥𝙚Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt