𝘧𝘰𝘶𝘳𝘵𝘺-𝘴𝘪𝘹.

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"Yoonie, Lust auf ein spontanes Date?", Hobis Stimme, warm und erfreut mit mir zu telefonieren, gab mir ein warmes Gefühl der Vertrautheit im Bauch.
"Was heißt spontan?", murmelte ich, rieb mir müde über die vom Schlaf verklebten Augen, "Ich bin noch im Bett."

"Deswegen ist deine Stimme so süß kratzig", bemerkte Hoseok, ich konnte sein Schmunzeln förmlich vor mir sehen.
Verlegen rutschte ich auf die Seite, kratzte mich hinter dem Ohr.
"Also, wie spontan muss ich sein?"

"Ich könnte dich in einer Dreiviertel Stunde abholen", schlug er vor.
"Hmmm", mein zustimmendes Brummen reichte ihm wohl nicht, er wartete auf eine Antwort.
"Ist okay", meinte ich also, ging im Kopf schnell durch, ob die Zeit reichen würde, mich für ihn herzurichten.
Zwar musste ich nur duschen, mich anziehen und meine Haare trocknen, aber ich wollte schließlich hübsch sein, wenn wir uns trafen.

"Und was hast du vor?", fügte ich hinzu, gähnte verhalten.
"Überraschung", flüsterte er geheimnisvoll, gefolgt von einem Kichern.

Eine Überraschung? Neugierig schob ich mein Handy näher an mein Ohr.
"Für mich?"
"Für wen denn sonst, etwa für deine Mum?", schnaubte Hobi belustigt.
"Jaja, schon klar. Ähm... brauch ich irgendwas? Und wie lang werden wir weg sein? Ich muss meinen Eltern Bescheid geben."

Tatsächlich wollten meine Eltern immer ziemlich genau wissen, wo ich war, auch wenn ich mit Hobi unterwegs war.
In den letzten drei Monaten, seit ich den Dunkelhaarigen das erste Mal getroffen hatte, war Hobi mein einziger Kumpel, also, offiziell Kumpel, mit dem ich mich getroffen hatte.
Ob meinen Eltern das irgendwie auffiel, ob sie ahnten dass wir nicht aus purer Freundschaft quasi aneinanderklebten, wusste ich nicht.
Ich schätzte, sie waren einfach nur froh, dass mich endlich mal jemand aus meinem Selbstmitleid fischte und ich freiwillig die Wohnung verließ.

"Mhhh... wann genau wir wieder da sein werden, kann ich nicht sagen. Aber bestimmt nicht vor 18 Uhr. Ist das okay?"
18 Uhr... wenn er mich abholte, würde es halb Zehn sein. Was hatte er denn geplant, was so viel Zeit beanspruchte?
So langsam wurde ich wirklich neugierig.

"Ist okay. Auch wenn ich jetzt ziemlich neugierig bin, was du vorhast", lächelte ich, "Ich sag's meinen Eltern."
"Perfekt. Dann hol ich dich später ab. Achso, genau, zieh vielleicht was bisschen wärmeres an, es ist ganz schön frisch draußen, ja?"

Die Art, wie seine Stimme diesen fürsorglichen Klang annahm und mir klar machte, dass mein Wohlergehen ihm wichtig war, zauberte mir ein dümmlich glückliches Grinsen ins Gesicht.
Ich mochte es, wie er sich in allem, was mich betraf, Mühe gab.
"Ist okay, Eomma", grinste ich, "Ich freu mich, bis später."





Es war tatsächlich ziemlich frisch draußen, was für Ende November natürlich nicht allzu erstaunlich war.
Ich war froh, unter meinen ockerfarbenen Strickpulli noch ein Tshirt gezogen zu haben, zusammen mit meiner kuscheligen Jacke und der schwarzen Cordhose aus festem Stoff fühlte ich mich perfekt für das Wetter gerüstet und irgendwie auch recht hübsch.

"Mit dem Bus?"
Mit großen Augen wies ich auf den Reisebus, der auf der anderen Straßenseite wartete, die Türen geöffnet, während einige Menschen einstiegen.
"Richtig", antwortete Hoseok mit einem seichten Lächeln.
"Ich hab extra geguckt, ob die da rollstuhlgerecht ausgestattet sind. Komm, der fährt bald."

Seine erstaunlich warmen Finger griffen nach meiner kalten Hand, gemeinsam überquerten wir die Straße.
Vor dem Bus angekommen hielt Hoseok verwirrt an. Wir standen vor der hinteren Tür.
Der Einstieg zum Bus war ziemlich klassisch Reisebus, ein enges, steiles Treppchen, das in den höhergelegten Sitzbereich führte, von rollstuhlgerecht keine Spur.
"Hä?", machte Hobi, seine dunklen Augenbrauen zogen sich verwirrt und gleichzeitig unzufrieden zusammen, "Ich hab extra so gebucht, dass wir keine Probleme haben! Warte kurz, ich frag mal den Busfahrer."

Er ließ meine Hand los, stapfte etwas ungehalten zur vorderen Tür und erklomm federleicht die Stufen, um zum Busfahrer zu gelangen.
Ein bisschen blöd stand ich mit meinem Rollstuhl in der Gegend herum, knetete unwohl meine Finger.
Ich spürte, wie einige Leute im Bus auf uns aufmerksam wurden, ein paar Blicke streiften mich, beobachteten neugierig Hoseok, wie er entschlossen auf den Busfahrer einredete.

Sofort fühlte ich mich unwohl, die Aufmerksamkeit der fremden Menschen verunsicherte mich.
Konnte Hobi nicht einfach wieder kommen und wir nahmen einen anderen Bus?
Es war natürlich blöd, dass wir ein bisschen verarscht wurden von dem Busunternehmen, aber die Situation gerade ließ mich echt blöd fühlen.

Endlich, nach bestimmt zwei Minuten sprang Hoseok elegant die letzten zwei Stufen des Busses herab und kam auf mich zu, seine Miene verärgert, aber einigermaßen besänftigt.
"Der Busfahrer kann wohl nichts dafür, da ist wohl sein Chef dafür verantwortlich. Das können die doch nicht bringen, oder? Du hast genauso das Recht, Bus zu fahren und das bequem, vor allem wenn ich das so gebucht habe! Aish, das regt mich total auf."

Verunsichert nickte ich, versuchte mich nicht von den vielen Blicken, die offensichtlich auf uns gerichtet waren, beeinflussen zu lassen.
Ich zupfte ihn am Ärmel, um seine Aufmerksamkeit zu bekommen.
"Komm, lass uns bitte gehen, Hobi. Die gucken alle schon."
Ich hasste es, wie kläglich meine Stimme klang, aber da ergriff Hobi schon wieder das Wort.

"Ach Quatsch, sollen die doch gucken. Wir fahren da jetzt mit, der Busfahrer hat gesagt, wie können deinen Rollstuhl in den Gepäckraum tun, da ist eh kaum was drin weil's nur ein Tagesausflug ist. Von sowas lassen wie uns doch nicht unterkriegen, oder?"

"Du vielleicht, aber ich schon", murmelte ich, bereute es im nächsten Moment, als ich sah, wie Hobis Lächeln kippte.
"Yoonie... sorry, echt. Ich weiß, du bist nicht so der... Draufgänger. Aber schau mal, es ist ja nicht unsere Schuld, dass das Unternehmen das mit dem rollstuhlgerecht verkackt hat. Ich versprech dir, es wird toll heute, also komm! Ich bring dich hoch."

Einerseits war es total süß, wie er versuchte, mich aufzumuntern, andererseits wurde es mir von Sekunde zu Sekunde unangenehmer, denn scheinbar wartete der ganze Bus nur auf uns. Ich spürte die Blicke der Leute ohne hinzusehen.
Wie würden sie erst gucken, wenn Hobi und ich den Bus betraten?
Und wenn sie merkten, dass wir keine normalen Freunde waren, viel zu zärtlich miteinander umgingen.
Die meisten Leute, die ich kannte waren nicht besonders cool mit homosexuellen Leuten, und ich hatte Angst vor den Blicken.

In diesem Moment hupte der Busfahrer, schien uns dazu bewegen zu wollen, endlich einzusteigen.
"Arschloch", murmelte Hoseok, fasste entschlossen meine Hand.
"Komm, Yoongi. Das wird schon, lass die einfach gucken. Die haben doch alle keine Ahnung, wie toll du bist. Apropos, will eigentlich keiner von denen helfen? Unhöflich."

Schließlich seufzte ich ergeben und nickte. Alles würde gut werden, Hobi war ja da. Und außerdem... vielleicht hatte er ja Recht und es war das Beste, einen Scheiß auf die anderen und ihre Meinung zu geben.
Auch wenn das das leichter gesagt als getan war.

𝙩𝙧𝙪𝙚 𝙗𝙚𝙖𝙪𝙩𝙮 | 𝙨𝙤𝙥𝙚Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt