Kapitel 1

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Dicke Regentropfen klatschten gegen die Fensterscheiben des Autos und trübten die Sicht nach draußen. Wei Yings Kopf ruhte an der kühlen Scheibe, während die Landschaft an ihnen vorbeiflog, sodass man die Vollkommenheit des Waldes durch den sie fuhren nicht wirklich aufnehmen konnte. Doch seine Gedanken waren nicht bei der Straße oder gar der Schöhnheit dieses Landes durch welches sie fuhren, sondern bei dem Internat, in welchem er das letzte Jahr seiner Schulzeit mit seinen Geschwistern überstehen musste. Die letzten Wochen hatte er sich den Kopf über die bevorstehende Zeit zerbrochen und war sich unsicher, ob er das alles überhaupt wollte. Auch wenn er sich einerseits auf diese neue Erfahrung und die Erinnerungen und neue Freunde, welche er mit seinen Geschwistern finden würde, freute hatte er Zweifel, dass es wirklich so toll an dem international berühmten Internat war. Diese Zweifel traten das erste Mal auf, als er hörte, dass diese Schule voll mit unnötigen Regeln gestopft war. Seine Ziehmutter, Madame Yu, hatte ihn seit der Bekanntgebung damit tyrannisiert, dass er bloß keinen Unsinn anstellen solle, wie er es sonst tat. Klar, er war ein Unruhestifter in den Augen der Erwachsenen, aber das hieß nicht das er sich nicht zu benehmen wusste. Träge schweifte sein Blick zu seinen Geschwistern. Seine Shijie (ältere Schwester), Jiang Yanli, saß, mit konzentriertem Blick auf die Straße, neben dem Chaffeur und hörte über ihre Kopfhörer Musik. So wie er sie kannte dröhnte wahrscheinlich gerade die imposante Fülle eines Orchesters, welches ein klassisches Stück nach dem anderen performte, durch die Stöpsel. Sein Bruder, Jiang Cheng, hatte es sich auf dem Autositz neben ihm gemütlich gemacht und schlief tief und fest. Wei Ying musste ein kichern, sowie das Bedürfnis ein Foto von diesem Anblick zu machen, unterdrücken, als ihm das leichte sabbern seines Bruders im Schlaf auffiel. Er war froh, dass alles noch bei der gewohnten lockeren Beziehung zwischen ihm und seinen Geschwistern war, doch plagte ihn eine ungewisse Angst, dass sich alles mit dem Internat ändern könnte... Federleicht strichen seine Fingerspitzen über die beschlagene Fensterscheibe und kreirten ein Symbol. Er wusste nicht warum er es gezeichnet hatte, doch etwas tief in ihm drin sagte ihm, dass es ihn beschützen würde so lange es sichtbar war. Ein leichtes lächeln stahl sich auf seine Lippen, als die Gefühle, die er mit diesen Symbolen, welche er seit er sich erinnern konnte zeichnete, verband, hochkamen. Es war vertraut und beruhigend, es gab ihm das Gefühl etwas bestimmtes bei sich zutragen. Nur das er nicht wusste was dieses bestimmte etwas war, ob es eine Person oder ein Gegenstand oder am Ende etwas ganz anderes war. In seiner Kindheit hatte er öfter diese Symbole gezeichnet, doch nach dem Brand vor zehn Jahren hatte er damit aufgehört. Es hatte etwas tröstliches es immer noch zu können...wie als wäre es nicht das Unheil höchstpersönlich, wie man ihm es Jahre lang einredete.

*Flashback*

Gelangweilt lag der siebenjährige Wei Ying in seinen Bett. Durch das offene Fenster fiel das Mondlicht in das Kinderzimmer und legte den Blick auf die Sternklarenacht frei. Schon seit mehreren Stunden drehte sich der kleine in seinem Bett von der einen auf die andere Seite, da er nicht einschlafen konnte. Schließlich erhob er sich und schlich auf leisen Sohlen über den alten Holzboden zum Fenster. Gekonnt wich er den knarzenden Dielen aus und erreichte fast lautlos sein Ziel. Kalte Nachtluft strich ihm über die Wange und lies ihn frösteln, sodass er das Fenster schließen wollte. Vorsichtig drückte er dieses zu...durch den plötzlichen Temperaturumschwung beschlug die Fensterscheibe und lies die Sicht nach draußen verschwimmen. Fasziniert fuhr Wei Ying mit seinem Finger über die kaltfeuchte Oberfläche. Ein warmes Kribbeln bildete sich in seinen Fingerspitzen, und wie von selbst führten diese eine Bewegung aus. Ein Symbol, rotleuchtend, brannte sich in das Glas. Es hatte etwas altes und mächtiges an sich, wie als hätte es lange in dem Jungen geschlummert und war nun der Kontrolle von Wei Ying entwischt. Erschrocken wich der Junge zurück, als erste Flamme aus dem Symbol flammten. Hungrig leckten sie übers Glas und erreichten in Windeseile den trockenen Holzrahmen. Geschockt stand Wei Ying vor den immer größer werdenden Flammen, unfähig sich zu bewegen...es dauerte ein wenig bis der kleine sich aus seiner Starre löste und ängstlich wimmerte, laut genug um seine Mutter zu wecken. Schnelle Schritte waren auf dem Flur zuhören und ein leichtes Knarzen, als Cangse Sanren die Schiebetür aufriss. Nun war sie es die erschrocken aufschrie. Panik spiegelte sich in den tiefbraunen Augen wieder, die normalerweise voller Wärme und Liebe waren. Ängstlich und besorgt sah sie zu ihrem Sohn, welcher in dem brennenden Raum stand und sie aus großen hilflosen Augen ansah. Von dem Schrei seiner Gemahlin herbeigerufen kam nun auch der Wei Changze, der Vater des Jungen, angehechtet. Mit Schreck geweiteten Augen kam er schlitternd zum stehen, da ihm hohe Flammen engegenzüngelten. Allmählich begann das Feuer sich auszubreiten und drohte das gesamte Haus mitsamt der jungen Familie zu verschlingen. In all dem Chaos stand Wei Ying einfach nur da. Kein einziger Funken berührte ihn...doch welches Elternteil würde in so einer Situation auf so eine Kleinigkeit achten? Selbst wenn, würde es nur als Zufall abgestempelt worden. In ihren Augen schwebte er in höchster Gefahr, in welcher er unter normalen Umständen auch gewesen wäre. Die Hitze des Feuers wurde für die älteren unerträglich, nichts desto trotz stürmte Wei Yings Vater in den brennenden Raum, um seinen Sohn auf den Arm zu nehmen und zurück zu Sanren zu rennen. Rote Blässchen bildeten sich auf der Haut von Yings  Eltern und brannten Male auf ihre Körper, welche die beiden für immer zeichnen würden. Male die sich in die Erinnerungen des Jungen einbrannten und ihm schlaflose Nächte und Tage voller Trauer und Schuldgefühlen bringen wird. Schwerhustend kam seine Mutter auf halber Strecke zum Ausgang des Hauses zum stehen, da der Rauch immer dichter wurde und seinen Weg in ihre Lunge fand. Mit zitterndem Körper sank sie zu Boden und blieb dort nach Luft ringend liegen. Die ersten Flamme leckten sanft an ihrer Kleidung und warteten auf den passenden Moment um die Kleidung, samt der jungen Frau, zu verschlingen. Hilflos setzte der Vater Wei Ying ab. "A-Ying...du rennst los wenn ich es dir sage. Ich komme dann mit Mama nach." Tapfer nickte der kleine Junge und wartete auf das Zeichen seines Vaters, nichtsahnend was es für ihn bedeutete jetzt seine Eltern allein zulassen. Aufmerksam beobachtete der Mann die Bewegung der Flammen. Und als er dachte eine frei Schneise zu sehen, sagte er dem Jungen, er solle los laufen. Flink trugen die kleinen Beine den Jungen durch das restliche brennende Haus. Es war, wie als würden die Flammen dem Jungen ausweichen und ihm Platz machen...fast schon wie als würden sie ihn schützen. Schwerkeuchend kam Wei Ying unversehrt vor dem Haus der Familie zum stehen...nicht mal seine Kleidung war angekokelt. Eine kleine Menschenmenge aus der Nachbarschaft hatte sich mittlerweile vor dem brennenden Haus versammelt und nahmen den Kleinen mit schützenden Armen in Empfang. Das laute Schallen von Sirenen hallte durch die kleinen Straßen und ein Feuerwehrfahrzeug traf am Ort des Geschehens ein. In dem Moment wo Wei Ying sah, dass Hilfe kam hörte sein Körper auf zu kämpfen und sackte bewusstlos in sich zusammen...nun würden sich andere darum kümmern, dass seine Eltern gerettet werden, waren seine letzten Gedanken bevor die Dunkelheit ihn schützend aufnahm.
Später wachte er wohlbehalten im Krankenhaus auf, jedoch beantwortete niemand seine Frage wo seine Eltern sich befinden, auch auf die Frage ob sie verletzt sind bekam er nur einen wehmütiges Kopfschütteln. Erst nachdem sich alte Freunde seiner Eltern dazu bereiterklärten ihn aufzunehmen wurde ihm erzählt, dass sein Vater bei dem Versuch seine Mutter aus dem Feuer zu retten zusammen mit ihr verunglückt sei. So geschah es, dass er beim Jiang-Clan in Yunmeng aufwuchs. Geprägt von Gefühlen und Erinnerungen, die schwer auf seinen Schultern lasteten.

*Flashback Ende*

Ein leichtes rütteln an Wei Yings Schulter riss ihn aus seinen Erinnerungen. Mit Tränengefüllten Augen sah er in das beruhigende braun der Augen von seiner Shijie. "Hattest du einen Albtraum?" Fragte ihre weiche klare Stimme besorgt nach. Wie in Trance nickte er, unfähig ein Wort hervorzubringen und genauso wenig gewillt eine Erklärung abzuliefern. Die Stimme seines Bruders riss ihn jedoch aus dieser Starre. "Beweg deinen faulen Arsch aus diesem Auto. Wir sind da!" Überrascht sah Wei Ying auf. Die Erinnerung wieder in die letzte Ecke seines Verstandes geschoben, stürmte er förmlich aus dem Auto und merkte jetzt auch, dass es aufgehört hatte zu regnen und die Sonne durch die dichte Wolkendecke blinzelte. Eine rießige Berkette erstreckte sich vor ihnen mit einem schmalen Weg, welcher als Wolkenpfad beschriftet war. "Da müssen wir unser ganzes Gepäck hochschleppen?" Beschwerte sich Wei Ying, als er den schmale Pfad erblickt hatte, doch auf diese Frage bekam er nur einen Klaps auf den Hinterkopf von Jiang Cheng. "Falls es dir noch nicht aufgefallen ist haben wir kein Gepäck dabei, oder überraschst du uns jetzt damit, dass sich in unserem leeren Kofferraum aufeinmal ein von dir gepackter Koffer befindet?" Genervt schüttelte Cheng den Kopf und lief an ihm vorbei zum Pfad. Empört sah Wei Ying ihm nach, wurde jedoch schnell wieder von Yanli mit einem lächeln besänftigt. "Komm wir wollen doch noch rechtzeitig zum Abendessen ankommen." Sanft zog seine Shijie ihn hinter sich nach, lies ihn aber bei dem Pfad los, da dieser zu schmal war um zwei Personen neben einander laufen zu lassen. Sie waren umgeben von einer wunderschönen Vielfalt der Natur. Vogelgezwitschert lies diesen Ort noch idyllischer wirken, verstummte jedoch bei der Anwesenheit der Geschwister. Nach einer gefühlten Ewigkeit kamen sie endlich vor einer Mauer mit einem Tor an. Zwei Männer in traditioneller Kleidung standen an beiden Seiten der Tore und schienen zu vermerken wer das Gelände betrat und wer es verlies. Mit gesenkter Stimme redete Jiang Cheng kurz mit den beiden Männern und zeigte die Einladung vor, schließlich wurden sie durchgelassen und betraten ein Wäldchen. Doch in dem Moment in dem Wei Ying das Gelände betrat wurde ihm urplötzlich schwarz vor Augen.
Es war wie eine Erinnerung, oder ein Traum den er schonmal geträumt hatte...es hatte etwas vertrautes...wichtiges. Etwas was er vor langer Zeit schonmal erlebt hatte, aber dann vergessen...

Er stand vor den Toren des Wolkennestes zusammen mit anderen. Sie trugen alle traditionelle Kleidung und der Wind spielte mit seinem langen Schwarzen Haar. Warte- lang? Er war sich ziemlich sicher eigentlich kurze Haare zu haben. Aufeinmal machten die Personen neben ihm Platz, sodass der Blick auf den schmalen Pfad frei gelegt wurde - den Wolkenpfad. Warum machen sie so plötzlich Platz? Und dann kam ER seine Aura war kalt und ernst. Das weiße Gewand umspielte sanft seine Beine und lies nur wage erahnen, dass der Besitzer des Gewandes von schmaler Statue war. Wei Yings Augen wanderten weiter hoch über den Körper des jungen Mannes zu dem Gesicht. Elfenhafte ernste Züge definierten das hübsche Gesicht des wahrscheinlich gleichaltrigen Mannes. Sein glänzend schwarzes Haar war streng traditionell nach hinten gebunden und von einer silbernen Spange auf seinem Kopf geschmückt. Elegant schritt er an ihnen vorbei und wollte das Tor zum Wolkennest durchschreiten, doch irgendwas...oder jemand? Hielt ihn auf. Irgendetwas passierte, aber was?

Schwerkeuchend erwachte er in den Armen seiner Shijie. Während seine Shijie ihn besorgt musterte, wurde er von dem herablassenden Blick seines Bruders fast umgebracht. Doch trotz der Kälte welcher dieser Blick zeigen sollte konnte Wei Ying einen Funken Besorgnis auch in seinen Augen finden. "Shijie, was ist passiert?" Fragte er immer noch verwirrt das Mädchen, welches ihn sanft ihm Arm hielt. "Du bist plötzlich zusammengebrochen. Wir haben die letzten fünf Minuten darauf gewartet das du wieder wach wirst. Wenn du länger bewusstlos gewesen wärst hätten wir dich natürlich ins Wolkennest gebracht. Geht's dir jetzt besser?" Immer noch verwirrt nickte er. Dieser Traum...er war so realistisch und er fühlte sich so wichtig an. Doch um so mehr er sich versuchte zu erinnern desto mehr versank die Erinnerung an den Traum ins Ungewisse schwarze, welches einen Teil seines Kopfes einnahm und gerade so welche Träume fraß und im Gegenzug Bewusstlosigkeit mit Stereo Geschrei zurückgab. Vorsichtig wurde ihm von Yanli hochgeholfen, damit sie ihren Weg fortsetzen konnten. Auf wackeligen Beinen erreichte er gemeinsam mit seine Geschwistern die Ansammlung an Häusern. Ein Mann mit langem Haar und einem spärlichem Kinnbart erwartete sie schon.

until we meet again (modern AU)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt