Kapitel 8

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Ein lauter Knall durchbricht die Stille, worauf grimmige Blicke und Geschimpfe verschämter Gäste folgen. Hastig räume ich die Scherben auf und wische die Essensreste weg. Mike, ein Kollege, eilt zur Hilfe. Nachdem die Schweinerei verschwunden ist, kehrt wieder Ruhe ins Lokal ein.

Mein Blick schweift zur Küchentür. Dahinter ist er. Ob er meinen Fauxpas mitbekommen hat? Kopfschüttelnd wasche ich mir die Hände. Die restliche Arbeitszeit vergeht ruhig, ohne einen Zwischenfall.

Gabi hält mich fest. Gemeinsam warten wir auf ihr Taxi. Fröhlich erzählt sie mir, wie gut es gerade mit ihrer Mutter läuft. Die beiden lagen für lange, sehr lange Zeit im Streit, wegen verschiedenen Weltansichten, oder so etwas in der Art. Artig, wie ich bin, höre ich ihr gebannt zu.

Hinter meinem Rücken geht eine Autotür auf. Ich brauche mich nicht umdrehen, um zu wissen wer es ist. Meine augenblickliche Anspannung verrät es ohnehin schon. "Soll ich euch mitnehmen." Seine vertraute Stimme schallt über die ganze Gasse, dennoch klingt es so fremd in meinen Ohren.

Dankend lehnt Gabi ab, weil sie ja extra ein Taxi zu ihrer Mutter, die außerhalb wohnt, bestellt hat. Bejaht allerdings für mich, weil ich sonst den Bus nehmen müsste. Stock steif wie ein Baumstamm erstarre ich. Nein. Keine einzige Autofahrt werde ich mit ihm verbringen.

Da ich nicht will, dass Gabi von Thomas und mir weiß, gehe ich wie ein treudoofer Hund zu Thomas. Er lächelt mich schüchtern an, so als würde er nicht wissen, ob er mich überhaupt anlächeln darf. Darf er nicht. Ausdruckslos steige ich ein. Eine Minute später startet er den Motor.

Gabi winkt mir freudestrahlend zum Abschied mit einem Blick, der alles sagt. "Wo wohnst du jetzt?" Seine Frage bleibt unbeantwortet. Er ist klug genug, um in der Stadt zu bleiben und nicht aufs Land zu fahren.

"Wie geht es dir?" Will er mich verarschen? Wütend funkel ich ihn an. Thomas versteht sofort. Nach der nächsten Abbiegung bitte ich ihn anzuhalten. "Wieso?" Genervt verdrehe ich die Augen. "Weil ich aussteigen will."

"Warum denn das? Lion, ich fahre dich schon nach Hause, vorausgesetzt du sagst mir irgendwann wo du wohnst." Mit all meiner Kraft reiße ich mich zusammen. "Ich will aber nicht, dass du mich nach Hause fährst. Ich will gar nichts von dir!"

Thomas seufzt. "Wieso bist du dann ins Auto gestiegen?".                            "Muss doch nicht jeder wissen, dass ich dich hasse." Wortlos fährt er an den Rand und hält an, nachdem ich ihn noch einmal böse angesehen habe.

So schnell ich kann befreie ich mich aus dem Sicherungsgurt und steige aus. "Wirst du mir irgendwann verzeihen können?", fragt Thomas vorsichtig. Mit einem Knall schließe ich die Autotür.

Weinen, Schreien, Lachen, Boxen, treten, schlagen, verzweifeln, tot umfallen. Den ganzen Weg bis zur nächsten Straßenbahn und zu meiner Wohnung versuche ich mich für eine Sache zu entscheiden, komme aber zu keinem Ergebnis.

Weinen, weil er mir so sehr wehgetan hat. Schreien, weil ich verdammt wütend auf ihn bin. Lachen, weil ich nicht vor seinen Augen zusammengebrochen bin. Boxen, um meine Wut rauszulassen, sowie treten und schlagen. Verzweifeln, weil alles in mir tobt ohne Ende. Tot umfallen, weil alles in mir schmerzt, weil es viel einfacher wäre.

Ich führe meine Abwägungen nicht weiter aus. Til überrascht mich mit einem mir sehr fremden Anblick. Er sitzt in der Küche am Esstisch und lernt. Er lernt von sich aus. Überrascht bleibe ich im Türrahmen stehen, ohne mich bemerkbar zu machen. Als ich mich genauer umsehe, fällt mir noch etwas anderes auf. Die Wohnung ist sauber. Til hat ernsthaft geputzt.

"Wer bist du und was hast du mit meinem Mitbewohner gemacht?", platzt es ohne Vorbehalt aus mir heraus. Til läuft rot an. "Kann ich nicht auch mal fleißig sein?" Schief grinsend setze ich mich zu ihm. "Könntest du ja, bist du nur nie." Nun grinst auch er schief.

"Stimmt. Gewöhn dich nicht daran." Entwaffnend hebe ich die Hände in die Luft. "Keine Sorge. Das würde ich doch niemals tun. Also? Wofür, oder für wen hast du aufgeräumt?" Ich kenne Til gut genug, um zu wissen, dass es immer jemanden gibt, wenn er sich auffällig verändert.

"Er heißt Hannes. Das ist dieser Typ, den ich in diesem zu kleinen Streberlook überzeugt habe mir seine Nummer zu geben. Problem an der Sache ist, er steht eben auf Streber. Brave Jungs und so." Lachend stehe ich auf und nehme mir etwas zu trinken.

"Willst du ihn beeindrucken, oder?" "Nope. Ich will ihn nur ins Bett bekommen." Und das alles nur für einen One-Night. "Strengst du dich dafür nicht ein wenig zu sehr an?"

"Nein. Jemanden ins Bett zu bekommen auf einer Party oder im Club ist leicht, wenn man betrunken ist. Aber nüchtern ist eine andere Sache. Da denkt man oft zu viel nach." So tuend als würde ich sein Gefasel nachvollziehen, verlasse ich die Küche. Til hat schon irgendwo einen kleinen Knacks weg.

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