Regen prasselt gegen die Fensterscheibe. Die Luft riecht angenehm sauber. Es ist ein herrlicher Abend. Sebastians Arme schlingen sich von hinten um mich. Entspannt lehne ich mich gegen ihn. "Danke", flüstert er in mein Ohr, woraufhin ich ihn fragend von der Seite ansehe. "Dass du mich mitgenommen hast. Es ist schön hier." Lächelnd küsst er mich.
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Mama will uns gar nicht mehr gehen lassen. Sie betont zehn Mal, dass wir schnell wiederkommen sollen. Im Gegenzug betone ich zehn Mal, dass sie ihre Zeit mit dem Nachbarn verbringen soll. Dafür ernte ich erneut einen bösen Blick. Bevor ich aus der Tür gehe, zieht sie mich noch einmal kurz zurück. "Du bist jung, dir steht alles offen. Es muss nicht immer alles für die Ewigkeit sein, solange es für diesen Moment gut ist, reicht's." Fragend sehe ich sie ihn, aber dann schließt sie die Tür. Schulterzuckend gehe ich zum Wagen.
Glücklich fahren wir nach Hause in die Stadt. Im Radio Beyoncé. Ich bewege mich zur Musik.
Til begrüßt mich überschwänglich. Die Wohnung ist in einem katastrophalen Zustand. sehnlichst wünsche ich mir diesen komischen Streber zurück, mit dem er mal etwas hatte. Sebastian kann sich glücklich schätzen nicht mit reingekommen zu sein. Meine Wahl besteht zwischen lernen oder aufräumen. Ich schalte meine Lieblingsplaylist auf dem Handy an und lege los.
Es wäre eine Untertreibung zu sagen, die Wohnung war unordentlich. Ich weiß nicht was ich unter der Couch hervorgeholt habe, aber es war mehr als ekelhaft. "Wie war es bei deiner Mutter zusammen mit deinem Schatzel?", fragt Til, während ich spüle. Sein spitzbübisches Grinsen sehe ich auch, ohne mich zu ihm umzudrehen.
"Gut." Jetzt hebt er eine Augenbraue. "Gut? Mag sie ihn, oder hasst sie ihn?" Komischer Kauz. "Sie mag ihn sehr." Augenverdrehen. "Bei dir ist auch immer alles Friede-Freude-Eierkuchen." Wenn er wüsste... "Was ist eigentlich mit dir?" Ich drehe mich zu ihm um. "Was meinst du?"
"Na, willst du für den Rest deines Lebens dich Single durchs Leben schlafen?" Til richtet sich bedrohlich auf. "Vielleicht." Seine Stimme ist beängstigend ruhig. "Ich meine das nicht böse. Aber macht dich das wirklich glücklich?"
"Ich habe mein Leben und du deins. Es geht mir gut und das ist die Hauptsache. Wenn ich bock auf jemanden habe, der mein Leben bestimmt, sage ich bescheid." Er schlurft zurück in sein Zimmer. Verwirrt bleibe ich zurück. Ist er verärgert oder nicht?
Sebastians Stimme schläfert mich nach und nach ein. Er berichtet von seinem bevorstehenden Uni-Tag. Ich liege auf meinem Bett, das Handy neben mir. Seit einer Stunde versuche ich einen Kopfstand zu machen, scheitere aber jedes Mal. Aufgegeben, schließen sich ständige meine Augen. Sebastians Stimme entfernt sich immer mehr. Bald ist er nur noch ein leises Rauschen im Hintergrund. Dann ist es weg.
Ein schwarzes Loch reißt alles mit sich mit. Erst das Haus meiner Mutter, danach Thomas' Haus, anschließend die Wohnung meines Vaters. Am Ende ist alles weg, was mein Leben definiert. Die Häuer, die Gärten, die Orte, einfach alles. Und die Personen? Sie sind nicht wieder zu finden. Aufgebracht renne ich durch einen Wald, der in Flammen steht. Alles verschwindet. Mein ganzes Leben. Ich renne, doch komme nirgendswo an. "Lion!" Ein Rufen in der Dunkelheit. "Lion!" Erneut ruft es nach mir. "Lion!"
Nass geschwitzt schrecke ich hoch. Aus meinem Handy dröhnt ein wiederholtes "Lion!" Genervt lege ich auf. Ich brauche eine Minute, um diesen schrecklichen Traum zu verarbeiten. Alles kracht in sich zusammen. Mein Leben wird zerstört sein. Menschen ohne jegliches Gewissen haben so ein leichtes Leben. Im Moment beneide ich jeden skrupellosen Bankräuber.
Bestimmt werde ich mich selbst verraten, wie der psychopathische Schwachmat in Edgar Ellen Poes Schwarzer Kater. Sebastian wird mich durchschauen. Neben mir liegt mein Handy. In meinem Kopf seine Nummer.
Lion: Zeit?
Eine knappe Woche. Mehr Zeit habe ich nicht gebraucht, um einen Fehler zu machen. Eine Minute. Zwei. Er schreibt. Keine Nachricht. Er schreibt erneut.
49 5830 221: Wann und wo?
Lion: In einer Stunde im Park. Mal sehen, ob du den Weg dieses Mal findest...
Ich lasse die Stunde verstreichen. Erst dann mache ich mich auf den Weg. Zu meiner Überraschung sitzt er erwartend auf einer Parkbank, als ich ankomme. Er lächelt schüchtern. Unbehagen macht sich in mir breit. Das hier ist der letzte Ort auf dieser Welt, wo ich sein sollte. "Warum sollte ich herkommen?" Seine Stimme sanft, wie immer.
Schulterzuckend setze ich mich wieder neben ihn. "Keine Ahnung." Thomas spielt nervös mit seinem Schlüsselbund. Das Klacken hat eine beruhigende Wirkung. Wir schweigen uns an. Doch es ist nicht besonders unangenehm. Im Gegenteil, es entspannt. Meine Müdigkeit kehrt zurück.
Wie von selbst bette ich meinen Kopf auf seiner Schulter. Er legt eine Hand auf meinen Oberschenkel und streichelt diesen behutsam. Meine Augen geschlossen, sitze ich auf einer unbequemen Parkbank neben Thomas und schlafe langsam ein. Er ist einfach nur da.
Die ganze restliche Nacht weckt er mich nicht auf. Er sitzt nur da, sieht mir beim Schlafen zu, nickt vielleicht auch ein, zwei Mal ein, bis die Sonne aufgeht und ich erwache.
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I am his.
RomanceFortsetzung von 'He is mine'. Jung, schwul und ein beschädigtes Herz. Lion ist zweiundzwanzig Jahre alt und versucht sein Leben wieder zu ordnen, doch als er langsam über Thomas hinwegkommt, begegnet er ihm wieder... (boyxboy) Folgender Teil: You a...