Kapitel 33

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Anspannung zieht sich durch meinen ganzen Körper. Verkrampft sitze ich vor dem Rechner und warte auf die Ergebnisse der letzten Prüfung. Obwohl mein Gefühl diesbezüglich positiv ist, erstarre ich, als die Ergebnisse online gestellt werden.

Hastig scrolle ich zu meinem Namen. Bestanden. Mein Magen entkrampft sich. Erleichtert lasse ich mich nach hinten auf den Stuhl fallen. Augenblicklich teile ich Thomas die frohe Nachricht über WhatsApp mit. Es fühlt sich immer noch so unwirklich an mit ihm zu schreiben, zu telefonieren, bei ihm zu sein, eben einfach diesen Menschen erneut bei sich zu haben, an meiner Seite.

Es dauert nicht lange, bis er seine Glückwünsche äußert. Nachdem wir ein wenig über unwichtige Dinge geschrieben haben, kommt er auf Sophie zu sprechen. Nervosität macht sich sofort bemerkbar. Wie wird es wohl sein sie nach so langer Zeit wieder zu sehen? Ob sie mich noch mag? Oder wird es ihr erneut schwerfallen sich daran zu gewöhnen?

Anstatt mir den Kopf zu zerbrechen, lege ich das Handy beiseite und widme mich meinen Lernunterlagen zu. Ganze zwei Stunden läuft mein Gehirn auf Autopilot. Wie eine Maschine nehme ich den Lernstoff in mich auf. Das Thema ist gut zu verstehen und meine Konzentration war noch nie besser.

Gegen Abend lege ich dann doch die Bücher weg. Til war so nett zu kochen und somit genieße ich eine leckere Portion Spagetti Bolognese unterhalten von Pretty Woman.

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Mit zitternden Gliedmaßen, stelle ich die Teller auf den Tisch. Drei. Mehr nicht. Thomas, Sophie und ich. Thomas steht entspannt in der Küche und bereitet das Mittagessen zu, während meine Nerven ein wenig durchdrehen.

Es sind genau vier Jahre vergangen, als ich Sophie das letzte Mal gesehen habe. Damals hatte sie sich schon ein wenig an die Vorstellung von Thomas und mir gewöhnt, doch wie sieht es jetzt aus? Hat Thomas wenigstens schon vorgebaut, oder wird seine Tochter in wenigen Minuten aus allen Wolken fallen? Inständig bete ich für die erste Variante.

Ein Schlüssel dreht sich in der Tür. Laut ächzend wird diese geöffnet. Alles hört sich doppelt so laut an, wegen der undurchdringlichen Stille im Haus. Zu mindest, im Esszimmer. Sophie lächelt, als sie mich sieht. Ich lächle zurück. Kein Wort fällt.

Sie trägt ein schwarzes Top, worüber sie eine weiß-schwarze Jacke gezogen hat, kombiniert mit einer schwarzen Jeans und flachen Vans. Ihre Haare fallen in Locken lang herunter, dazu ein freundlich lächelndes, dezent geschminktes Gesicht. Alles in allem sieht sie einfach wunderschön aus.

Ein paar wenige Minuten später, tritt Thomas ins Esszimmer. Liebevoll nimmt er sein Kind in den Arm. Genauso liebevoll erwidert sein Kind die Umarmung. Freude sammelt sich in meinem Innern bei diesem Anblick der Vertrautheit. Anschließend begrüßt Sophie mich noch einmal richtig, ebenfalls mit einer Umarmung.

"Schön, dich endlich wieder zu sehen." Fröhlich klopft sie leicht auf meine Schulter. "Fin.. Find ich... auch", stammel ich. Unbegreiflich, wie verunsichert man sich von einer auf die andere Sekunde verhalten kann. Ich räuspere mich. "Gut siehst du aus." Sie lächelt. "Danke."

Thomas rennt schnell wieder zu seinen Frikadellen, da diese sonst verbrennen. Eine Weile sitzen wir, Sophie und ich, allein am Tisch. Wir wissen beide nicht, was wir sagen sollen, also schweigen wir konsequent. Auf ihren Wangen bildet sich eine leichte Röte ab. Ihr Unbehagen ist mindestens genauso groß, wie meins.

Es ist seltsam, dass wir beide hier sitzen mit der Absicht, sich besser kennen zu lernen, weil ich mit ihrem Vater zusammen bin. Wohl bemerkt: Kein Altersunterschied liegt zwischen ihr und mir, und ein großer Altersunterschied liegt zwischen ihrem Vater und mir. Als würde ich meine Cousine zum ersten Mal treffen.

Endlich kommt Thomas mit dem Essen. Erst jetzt, wird mir bewusst, wie hungrig ich bin. Morgens habe ich keinen Bissen runter bekommen, was zur Folge trägt, dass ich nun den ganzen Inhalt des Kühlschranks essen könnte. Sophie scheint es ebenfalls so zu gehen, so wie sie die Frikadellen ansieht.

Das Essen verläuft großteils schweigsam. Manchmal wirft Thomas einen Komentar ein zu den unterschiedlichsten Dingen, um immerhin zu versuchen ein Gespräch zu entfachen. Keiner weiß, was er sagen soll.

Nach dem Essen räumen wir zusammen den Tisch ab. Thomas spült. Sophie und ich machen es uns auf der Couch im Wohnzimmer bequem.

"Ihr seid also wieder zusammen", bemerkt Sophie. Nicken meinerseits. "Seid ihr glücklich?" Langsam entspannt sich mein Körper. "Ja, also bis jetzt schon." Nicken ihrerseits. Stille. "Ich hatte damals voll das schlechte Gewissen, als es mit euch dann vorbei war. Ich wollte meinen Vater immer nur glücklich sehen und es hat mich einfach fertig gemacht ihn so traurig zu sehen." Ihre Worte treibt die Röte in meine Wangen.

"Ihr passt echt gut zueinander." Salopp wirft sie einen Kommentar nach dem anderen ein. Allmählich werde auch ich entspannter. Es baut sich eine richtige Unterhaltung zwischen uns auf. Zu dieser stößt kurz später auch Thomas hinzu. Er nimmt mich in den Arm, während seine Tochter von ihrem Uni-Alltag erzählt.

Dieses Bild möchte ich festhalten. Es soll niemals aus meinem Kopf, aus meiner Erinnerung verschwinden. Thomas, Sophie und ich, sitzend auf der Couch, erzählen von unserem Leben. Heimat. Das hier ist mein Zuhause. Mehr brauche ich nicht.

I am his. Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt