Wir stehen viele Minuten einfach nur da. Uns gegenüber auf dem Balkon in der Dunkelheit der Nacht. Nur eine Minute. Bei dem Gedanken zittert mein ganzer Körper. Ich will seine Erklärungen nicht hören. Egal, was für Gründe er gehabt hat, sie wären nicht genug, um es vom Tisch zu kehren.
Er hat mich verletzt und noch nicht einmal den Mut besessen, mir zu sagen, wie ernst es ihm wirklich ist.
Doch wenn ich auf die letzten Wochen zurückschaue, weiß ich, er wird nicht aufgeben und ich werde so auch nie damit abschließen können."Eine Minute", wiederhole ich und gehe in einen ruhigeren Raum, wo man sich besser unterhalten kann. Es bleibt dafür nur das Bad übrig. Ich stelle mich auf die andere Seite des Raums, um möglichst viel Abstand zwischen ihm und mir zu bringen. "Also?", vordere ich ihn auf zu sprechen. Unsicher tritt er von einem Bein aufs andere.
"Lion, es tut mir leid." Ist das seine Erklärung? Augenverdrehend verschränke ich die Arme vor der Brust. Thomas kommt einen Schritt auf mich zu. "Eines musst du wissen, du warst nicht nur eine belanglose Affäre." Meine Nackenhaare stellen sich auf. Es gibt so vieles, was ich ihm sagen, entgegenschreien, könnte, bleibe jedoch still. Noch ein Schritt.
"In der Zeit, wo wir uns nicht gesehen haben, kamen Zweifel auf. Ich habe es immer und immer wieder durchdacht. Jeden Tag. Es war eine zu glückliche Vorstellung, aber auch eine angsteinflößende." Erneut legt er eine Pause ein. Ungeduldig mahlt mein Kiefer. Meine Nerven hängen nur noch an einem sehr dünnen Faden.
"Ich dachte immer wieder daran, wie leicht es für dich wäre mich irgendwann wegzuschmeißen, wenn ich plötzlich dich zu alt und eingerostet für dich bin. Oder es einen besseren gibt. Dann war da auch noch Sophie. Ich hatte einfach Angst. Als dann der Tag kam habe ich gekniffen." Zwei Schritte. Noch einen und er steht direkt vor mir. "Mit aller Kraft, habe ich es ausgeblendet, wo ich an diesem Abend hätte sein sollen."
Noch ein Schritt. Ich trete zurück, bis ich die Wand im Rücken spüre. Eine Minute ist lange vorbei. "Und seit dem habe ich es bereut. Eine Zeit lang stand ich jeden Tag kurz davor zu dir zu fahren und mich zu entschuldigen, aber habe es nicht getan. Ich habe mich oft verflucht, mich aber dann damit abgefunden. Ich war selbst schuld."
Wieder macht er einen Schritt auf mich zu. Er ist so nah, dass ich seinen Atem spüren kann. Seine Augen blicken mich traurig an. Behutsam legt er seine Hände um mein Gesicht. Automatisch halte ich den Atem an. "Gott, es tut mir so leid, Lion!" Er ist mir gerade so nah. Es sind nur wenige Zentimeter. Sanft landen meine Lippen auf die seinen. Sofort erwidert er den Kuss. Ich kralle mich in seine Haare, während seine Zunge über meine Lippen gleitet. Es ist ein intensiver Kuss, der meinetwegen ewig dauern könnte.
Leider ist dem nicht so. Ein lautes Klopfen lässt uns aufschrecken. Draußen ruft jemand laut, dass er auf die Toilette muss. Geschockt von ihm, von mir selbst, sehe ich Thomas an. Unsanft schubse ich ihn zurück. "Komm mit nicht mehr zu na." Der Fremde sieht mich dankbar an, als ich aus dem Bad trete. Schnell verabschiede ich mich von Gabi, ziehe mich an und verschwinde anschließend.
Um vier Uhr morgens laufe ich quer durch die Stadt, allein, in Begleitung der Lichter der Stadt. Am Horizont kann man schon den leicht angedeuteten Sonnenaufgang sehen. Er hatte Angst. Vor was? Der Mann war schon einmal Verheiratet. Er war damals bereit sich fürs Leben zu binden, aber für eine normale Beziehung fehlte ihm der Mut? Es ergibt alles keinen Sinn für mich. Mein Kopf dreht sich.
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"Ich weiß genau, was du Samstag gemacht hast." Gabi blickt gespielt böse in meine Richtung. Verwirrt starre ich zurück. "Was soll ich denn verbrochen haben?" Sie zieht noch einmal von ihrer Zigarette. "Du hast mit ihm rumgemacht." Ich bekomme eine leise Ahnung. "Mit wem?"
Sie nimmt noch einen Zug, dann zerdrückt sie die Zigarette auf dem Boden. "Mit Thomas. Jemand hat euch aus dem Bad gehen sehen. Und du sollst ziemlich aufgeregt gewirkt haben." Meine Wangen werden heiß.
"Das stimmt nicht. Ich habe einen Freund." Den letzten Teil betone ich absichtlich stark. Aber Gabi sieht nicht überzeugt aus. Kein bisschen. "Das Argument zieht nicht, Lion. Wir haben schließlich alle schon einen Ausrutscher gehabt." Verzweifelt wippe ich hin und her. Sie grinst.
"Das ist doch nicht schlimm. Nur gut zu wissen, dass Thomas schwul ist, sonst hätte ich mir noch Hoffnungen gemacht", witzelt sie. Um nicht weiter darüber reden zu müssen, wechsel ich das Thema auf ihre Mutter. Gabi durchschaut den Sinn und Zweck, sagt aber nichts dagegen.
Nach der Pause, konzentriere ich mich nur noch auf die Arbeit für den Rest des Tages.
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I am his.
RomanceFortsetzung von 'He is mine'. Jung, schwul und ein beschädigtes Herz. Lion ist zweiundzwanzig Jahre alt und versucht sein Leben wieder zu ordnen, doch als er langsam über Thomas hinwegkommt, begegnet er ihm wieder... (boyxboy) Folgender Teil: You a...