Kapitel 20

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Meine Hand streicht über einen warmen nackten Brustkorb. Der Duft, der mich umhüllt ist angenehm vertraut. Aber dann realisiere ich, wo ich bin. Schlagartig öffne ich die Augen. Neben mir liegt Thomas. Nackt, nur von einer Decke umhüllt und schläft friedlich.

Angestrengt versuche ich den letzten Abend zusammenzusetzen. Meine Erinnerung ist verschwommen. Ich erinnere mich noch an die Bar und das ich nach Hause wollte. Mein Puls rast, neben mir Thomas, der ruhig vor sich hin döst.

Leise, wie ein Reh, krabbel ich aus dem Bett. Meine Klamotten liegen im ganzen Zimmer verteilt. Als diese wieder an meinem Körper sind, lasse ich den Blick durch den Raum schweifen. Hier hat sich nichts verändert. Doch, es ist ein Bild auf seinem Nachttisch dazugekommen. Neben dem, wo er mit Sophie als sie drei war, im Garten spielt, steht eines von ihrem Abschluss. Lächelnd hält sie ihr Abschlusszeugnis in der Hand, er neben ihr mit einem genauso breiten Lächeln. Aber ansonsten hat sich dieser Raum nicht verändert. Ein Schauer zieht sich durch meinen Körper.

"Schleichst du dich raus?" Thomas' Stimme klingt rau und verschlafen, aber auch genauso sanft. Das hat sich ebenfalls nicht verändert. "Du musst nicht gleich gehen." Scheu sehe ich ihn an, völlig überfordert von allem.

"Ich sollte gar nicht hier sein." Er richtet sich auf. "Bist du aber." Hastig ziehe ich meine Schuhe an. "Lion, verschwinde nicht gleich." Seine Bitte ist ernst, fast schon flehend. Was habe ich mir nur in meinem betrunkenen Zustand gedacht hier her zu kommen? Als hätte ich einen Rückfall von einer scheiß Sucht.

"Thomas, das hier ist nie passiert!" Ohne noch einmal zu ihm zu sehen, verlasse ich sein Schlafzimmer. Zügig gehe ich nach unten. In der Küche verharre ich für einen kurzen Moment. Wieder erscheint mir die Szene, wo er Frühstück macht und ich auf der Theke sitze. Kurz durchzieht mich ein Schmerz. Früher waren wir glücklich, heute renne ich hinaus.

Die Menschen im Bus quasseln kreuz und quer. Es ist gut so. In diesem Lärm hört man wenigstens seine eigenen Gedanken nicht. Alles in einem ist still.

Til fragt nicht, wo ich gewesen bin. Er fragt auch nicht, warum meine Frisur so schlecht sitzt. Und das ist auch gut so. Zu meinem Frust spüre ich seine Hände nach einer langen heißen Dusch immer noch auf mir. Das ist wohl meine Strafe, die ich verdiene. Wie gern würde ich mit einem Lächeln durch die Welt gehen, weil ich bei ihm war. Im Gegenteil, mein schlechtes Gewissen gegenüber Sebastian verhöhnt mich jetzt schon. Die Angst Thomas zu treffen nagt an meinen Nerven. Wie konnte ich so dumm sein?

Mein Magen dreht sich um, bei der Vorstellung Sebastian und Gesicht zu lächeln, nachdem ich ihn betrogen habe. Es ist alles so verkorkst. Mein Handy rettet mich vor meinem inneren Wahnsinn. Mama teilt mir mit, dass nächsten Samstag perfekt ist.

Vor ein paar Tagen hätte ich mich darüber gefreut, jetzt versetzt es mich in Angst. Ein ganzes Wochenende mit Sebastian und meiner Mutter. Er in wahrscheinlich bester Stimmung, meine Mutter hoch erfreut und ich versunken in Schuldgefühlen.

Einen Moment lang überlege ich, ob es klug wäre das mit Thomas Sebastian zu beichten. Verwerfen diesen Gedanken aber wieder schnell. Er würde mir das niemals verzeihen. Ich habe ihn schon einmal verärgert, das wird mir nicht so schnell wieder passieren.

Um endlich an etwas anderes denken zu können, hole ich meine Lernsachen hervor. Uni lenkt bekanntlich ab. Doch die Erinnerung an letzter Nacht sucht mich heim. Nach wie vor spüre ich seine Hände auf mir, seinen Körper an mir und sein Atem in meiner Halsbeuge. Seine Lippen liegen auf meinen. Ich kann es nicht verhindern diese Erinnerung auszuweiten. Es hat sich so wenig und doch so viel verändert.

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