Es dauert eine Weile, aber schließlich raffe ich mich wieder auf. Sogar noch bevor es dunkel wird. Der Fahrplan ist eine herbe Enttäuschung. Nichts sagt mir, wie ich wieder in die Stadt komme. Der Name von dem Ort, wo Sebastians Eltern wohnen, will mir auch nicht einfallen.
Ein Blick auf mein Handy, löst noch mehr Unruhe in mir aus. Sebastian hat mich fünf Mal versucht anzurufen und mir acht Mal geschrieben. Schnell tippe ich eine Nachricht, dass es mir gut geht und ich zu Hause bin. Danach versuche ich nach der Nummer eines Taxiservices zu sehen, aber in diesem Kaff bekommt man kein Internet.
Kurz überlege ich einfach jemanden zu fragen, schlage mir diesen Gedanken allerdings schnell wieder aus dem Kopf. Orientierungslos warte ich an der Haltestelle. Nichts passiert. Innerlich verfluche ich meine Dummheit, allein, ohne einen Plan, mit dem Bus irgendwo ins Nirgendwo zu fahren. Und das alles nur, weil ich mal wieder durchdrehen musste.
Erneut kommt mir ein Gedanke, der mich mit Thomas verbindet. Er hat ein Auto. Nein. Meine Mutter hat auch ein Auto...und einen Vortrag und tausend Fragen warum auf Lager. Til. Keine Option. Seine Sprüche werde ich mir in den nächsten dreißig Jahren noch anhören können und er hat kein Auto. Nur einen nutzlosen Führerschein, genau wie ich.
Meine Finger gleiten über mein Telefon. Im nächsten Moment ist Thomas' Nummer gewählt. Ich kann sie immer noch auswendig. Es klingelt genau einmal. "Lion?" Überrascht atme ich einmal tief ein und wieder aus. "Frag nicht, komm einfach!", kommandiere ich. Während ich rede begebe ich mich auf die Suche nach einem Ortsschild.
"Wohin?" Er fragt gar nicht Wieso. Er löst ein schwaches Lächeln auf meinen Lippen aus, welches ich sofort aus meinem Gesicht verbanne. Irritiert nenne ich ihm den Namen des Kuhkaffs. Wer dem Dörflein wohl einen so blöden Namen gegeben hat?
Wie ein Fremdling, der sich nicht hinein traut, warte ich vor dem Ortsschild. Es vergeht eine Dreiviertelstunde, bis Thomas hier aufschlägt. Wortlos steige ich ein. Stumm fährt er los. Erst auf halber Strecke, versucht er ein Gespräch zustande zu bringen. "Was hast du dort gemacht?" Keine Antwort. "Lion, rede mit mir. Was wolltest du da?"
"Nichts." Stille. Dann wieder Thomas, der seine Klappe nicht mehr halten will. "Du streunst neuerdings also einfach so in der Gegend herum?" Erneut keine Antwort. Er beschleunigt ein wenig, nur um dann wieder abzubremsen. "Lion." Mein Geduldsfaden reißt.
"Mann, ich war schlecht drauf, durcheinander und habe eben mal raus gemusst aus dieser ganzen Scheiße hier!" Meine Stimme schallt lauter durch den Wagen, wie die Musik, welche ich vor ein paar Minuten aufgedreht habe. "Was läuft denn so schief im Moment?" Meine Hände schlingen sich um seinen Hals und drücken zu. Kopfschüttelnd drehe ich mich weg, um diesem Drang nicht nachzugeben.
"Lion?" Noch zehn Minuten, ungefähr. "Bitte." Einmal tief ein atmen, einmal tief aus. "Ich möchte nicht mit dir reden." So gut es geht halte ich meine Stimme unter Kontrolle. Die restliche Fahrt bleibt Thomas still. Nur am Ende fragt er, wo ich wohne. "Kannst mich jetzt rauslassen." Wir passieren gerade das Ortsschild der Stadt. "Lion, das ist albern." Ich bleibe Stur.
Er biegt vier Mal in die falsche richtig ab, fährt aus der Stadt raus. Fragend sehe ich ihn an, aber er reagiert nicht. Eine Weile vergeht, dann stehen wir vor seinem Haus. Das letzte Mal war ich hier vor vier Jahren. Damals bin ich gegangen mit dem Gefühl in der Brust nie mehr zu kommen. Es hatte sich bis zu diesem Zeitpunkt bestätigt.
Es fühlt sich so an, als würde ich nach Hause kommen und ich hasse mich dafür. "Warum hast du mich hergebracht?" Thomas stützt sich mit seinen Unterarmen auf dem Autodach ab. "Weil ich nicht wusste, wohin ich dich sonst bringen sollte. Du sagst mir ja nicht wo du wohnst." Weglaufen? Weinen? Wortlos hinein gehen? Keine Ahnung, was ich in diesem Moment tun soll.
Er nimmt mir die Entscheidung ab. Zügig läuft er voran ins Haus. Jeder Schritt fühlt sich an, wie ein Fehler. Er schenkt mir ein Glas Wasser ein, welches ich nicht anrühre. Das Haus, sein Haus, sieht immer noch fast genauso aus, wie damals. Nur die Farben der Kissen auf der Couch haben sich verändert, von Lila zu Hellblau. Und er besitzt ein paar neue Küchenutensilien, wie Pfannenwender und Suppenkelle. Leider fällt mir so etwas kleines bei ihm auf.
Aber er hat sich verändert. Seine Haare sehen strubbeliger aus und zwischen dem dunkeln Haar schimmern langsam ganz wenige kleine graue Härchen durch. Seine Augen sind Matt. Weitere Falten hat er nicht noch bekommen, und wen doch, fallen sie mir nicht auf. Ein wenig zu lang verweile ich bei seinen Krähenfüßchen um die Augen. Er wirkt außerdem dünner, gebrechlicher.
"Du bist ein wenig gewachsen." Vor Schreck zucke ich zusammen. Schnell drehe ich mich weg. "Ich will nach Hause", sage ich leise. "Ich fahre dich, wenn ich weiß wohin." Ich hätte ihn nicht anrufen sollen. Im Internet suche ich mir einen Bus raus. Dieser kommt allerdings erst in einer halben Stunde. Eine halbe Stunde muss ich hier überstehen.
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I am his.
RomantiekFortsetzung von 'He is mine'. Jung, schwul und ein beschädigtes Herz. Lion ist zweiundzwanzig Jahre alt und versucht sein Leben wieder zu ordnen, doch als er langsam über Thomas hinwegkommt, begegnet er ihm wieder... (boyxboy) Folgender Teil: You a...