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Mit Schleichfähigkeiten, welche man dem FBI zuordnen könnte, bewegte ich mich langsam in Richtung Küche. Unter keinen Umständen wollte ich Bethany gerade begegnen. Seitdem ich gestern Abend nachhause gekommen war, versuchte sie mir ein Gespräch aufzuzwingen.

Nachdem ich mich auf das Sofa übergeben hatte, putzen Noah und ich jenes in peinlicher Stille, welche er probierte durch seltsame Witze zu durchbrechen. Schließlich hatte er mich noch nachhause gefahren.

Während ich vergeblich nach Kaffeepulver suchte, wurde ich plötzlich in die Schulter gepikt. Selbstverständlich war es Bethany gewesen, welche mein Herz zu einem Infarkt herausforderte. „Val, wir müssen reden.", hauchte sie den Tränen nahe.

War das bereits der Moment? Würde sie mir jetzt erörtern, dass sie mich nicht mehr hier haben wollten? „Lass mich raten, ihr schickt mich zurück?", erfragte ich meine Gedanken laut.

Auch wenn es schon so oft passiert war, fühlte ich mich trotzdem unwohl. Die aufgeweckte Blondie vor mir riss die Augen auf. „Wa-as? Wie kommst du denn darauf? Warum sollten wir das tun?", sie fing an zu schniefen und zu stottern.

War das ihr Versuch es mir schonend beizubringen? Indem sie es leugnete? Welch feiges Verhalten! Skeptisch zog ich eine Augenbraue hoch. „Naja, liegt das nicht eigentlich auf der Hand? Ich bin undankbar, frech, schlecht in der Schule, bin aufmüpfig und habe euch vor euren Freunden beleidigt."

Ich beobachtete eine einzelne Träne, wie sie sich den Weg über Bethanys Wange suchte. „Ja, du bist nicht perfekt und manchmal auch nicht ganz einfach, aber deshalb geben wir dich doch nicht einfach auf. Du bist ein Teenager, der schon viel durchmachen musste, da ist es ganz normal, dass du dich nicht wie eine blumige Musterschülerin verhältst. Valea, wir haben uns dazu entschieden, dir eine Familie zu sein und eine Familie steht auch schwierige Phasen zusammen durch."

Ihre Worte lösten ein seltsames Gefühl in mir aus. Die Tränen, welche sich in meinen Augen abzeichneten, konnte ich nicht verstehen. Ich war doch gar nicht traurig oder? Schließlich war Bethany gerade wirklich nett gewesen. Gefühle überrollten mich. Bisher war ich mit eisernem Sturkopf und provokantem Verhalten überall rausgeworfen worden und hatte jeden erfolgreich von mir gestoßen, in der Absicht mein in einem Iglu eingesperrtes Herz zu schützen. Bethany und Scott schienen es wirklich ernst mit mir zu meinen und zu meinem großen Missfallen, gefiel mir der Gedanke die beiden meine Familie zu nennen.

Unmut bereitete sich in mir aus. Bin ich fähig jemandem eine richtige Tochter zu sein? Darüber hinaus verunsicherte mich der Gedanke, ob die Irre und der Spaßvogel gewiss zu mir stehen würden? Denn selbst wenn ich mir Mühe geben und die Provokationen runterschrauben würde, sowar ich nun mal eine Systemsprengerin.

Selbst Raubtiere wie Wölfe lebten in hierarchischen Rudeln, würden jedoch bei einem Angriff ihr eigenes Blut, vor dem der anderen, sichern wollen. Würden meine Pflegeeltern es genauso mit mir meinen?

In Zweifel versunken, fast an den Fragezeichen erstickend, reißt mich Scotts Schulterrütteln aus meinen Gedanken. „Alles in Ordnung, Val? Du sahst so mitgenommen aus.", hinterfragt er meinen verwirrten Blick vorsichtig. Als sich langsam der Nebel in meinem Kopf auflöst, nicke ich leicht. An Scott vorbei schielend, sehe ich Bethany, die sich wohl wieder etwas beruhigt hat, Kaffee in eine Thermoskanne umfüllen. „Ich sollte jetzt los, zur Schule.", während ich dies anmerke, drehe ich mich bereits Richtung Hausflur. Allerdings stoppt mich Beth noch kurz und reicht mir die warme Thermoskanne.

Bevor ich das Haus verlasse, schlüpfe ich noch in meine Schnürstiefeletten und streife mir meine Lederjacke über. Gemächlich laufe ich mit meiner Wärmequelle in der Hand Richtung Bushaltestelle. Es ist ein kalter Herbsttag, die seltsam, farbenfrohen Blätter liegen fast allesamt auf dem feuchten Asphalt. Da mir meine Kopfhörer ungünstiger Weise gestern bei Noah irgendwo aus der Jackentasche gefallen sein müssen, lausche ich dem frühmorgendlichen Verkehr.

Auf der gegenüberliegenden Straßenseite läuft eine Gruppe, enthusiastisch kreischender Kinder. Bei diesem Anblick erörtert sich mir die Frage, wie man schon so früh am Morgen froh gestimmt sein kann. Zudem erreicht mich der Wunsch, nach einer Studie zu recherchieren, ob hohe Kinderstimmen Kopfschmerzen verursachen. Ich tendiere mit eigener Vermutung, aufgrund von einmaliger praktischer Forschung, zu einer Bestätigung meiner These. Meine kopfeigenen Wissenschaften werden durch ein lautes Hupen unterbrochen.

ᖴᗩᑌSTSᑕᕼᒪᗩG ᑎᗩᑕᕼ ᒪIEᗷE!Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt