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Liz, welche sich einen Stift von meinem Schreibtisch genommen hatten, um sich die Haare damit zusammenzustecken, sah mich erwartungsvoll von meinem Bürostuhl aus an. „Na los, erzähl schon!", fordert sie mich auf. Verwirrt ziehe ich meine Augenbrauen zusammen. Was sollte ich ihr denn erzählen? Wusste sie von meinem beinahe Diebstahl? Unwahrscheinlich, ich denke nicht, dass Beth es ihr erzählt hätte. Doch warum war sie dann hier?

„Ich verstehe nicht ganz, was du jetzt von mir hören willst?", gebe ich ihr meine Perplexität preis. „Und ich dachte, Autisten wären schlau...", murmelt sie leise vor sich hin. „Wir hatten doch abgemacht uns von unseren Stürzen des Lebens zu erzählen. Ich würde die Nummer aus der Cafeteria definitiv als Sturz werten.", erklärt sich der Rotschopf mit den von ihr so geliebten Metaphern.

Ich nicke als Zeichen, dass ich nun verstanden hatte. „Also war der Stein zufällig italienisch und vollkommen auf einem idiotischen Egotrip hängengeblieben?" Ihre Rhetorik ist durchaus amüsant. Sich Noah als großen, grauen Gesteinsklumpen vorzustellen, erheitert mich zudem ziemlich.

„Noah ist ein schaumschlagender, sich wichtigtuender Idiot, der die Aufmerksamkeitspanne der meisten, ebenso unkultivierten Maßen Pubertierender gerne auf sich zieht. Indem er mich, die neue, befremdlich wirkende Exzentrikerin bloßstellt, bekommt er genau die Art von Herausforderung und Ansehen, die er sich wünscht. Für ihn bin ich nur eine Strategie, um sich interessant zu machen.", teile ich Eliza meine Hypothese mit. Eine Weile bleibt das Plappermaul ungewöhnlich ruhig und betrachtet mich voller Argwohn.

„Ich glaube, ich verstehe seine Intention nun. Er will andere Jungs von dir fernhalten, weg ekeln, indem er dich schlecht darstellt. Wenn er aufzeigt, du seist einfach zu haben, verliert ein großer Teil von Jungs das Interesse an dir. Und dem Fußballteam hat er ja auch gesagt, es soll sich von dir fernhalten. Also räumt er sich einfach die Bahn frei. Noah scheint dich zu mögen oder zumindest irgendein Interesse an dir zu haben."

Welche billig zusammengereimte Aussage! Als ob der primitive Dünnbrettbohrer sich solch ausgeklügelte, jedoch weiterhin ziemlich objektivierende und sexistische Methoden einfallen lassen würde, um ungestört eine Freundschaft zu mir aufzubauen.

„Eliza, ich bin mir der Fälschlichkeit deiner Annahme bezüglich sicher. Unser Pizzamafiosi ist nicht darauf aus, meine Persönlichkeit ungehindert erforschen zu können. Meine Theorie klingt wesentlich realistischer. Nicht hinter jedem Arschloch steckt ein Liebeskranker.", versuche ich meine Freundin zu unterrichten. Diese jedoch scheint in einer ganz anderen Welt gefangen zu sein. Die Furche zwischen ihren Augenbrauen erinnert mich ein wenig an Agrarwirtschaft, da sie auch von einem Pflug errichtet worden sein könnte.

„Du magst ihn.", bricht sie das Schweigen. Prompt entweicht mir ein hysterisches Lachen. „Ich ihn mögen?", spinnt mein Mundwerk, allerlei grammatikalische Regeln missachtend, vor sich hin. „Ich habe recht oder nicht? Du magst ich ihn und das ist deine Art dich vor Abweisung zu schützen.", spielt sich der Lockenkopf nun als Psychologin auf.

Unsicher welche Antwort ich ihr darauf geben soll, sehe ich mich etwas nervös in meinem Zimmer um. Bis ich an ihren blauen Augen hängen bleibe. Für mich waren Augen immer nur ein Instrument zum Sehen, doch seitdem ich hierher gezogen bin, fange ich an zu verstehen, dass man Gefühlen aus ihnen lesen kann.

Elizas strahlen pures Vertrauen aus. Es ist okay, ich kann mich ihr offenbaren. „Ja, vielleicht habe ich wirklich Gefallen an seiner Hartnäckigkeit und bizarren, beschützerischen Art gefunden. Aber ich bin eben auch nicht komplett inkompetent. Ich weiß, dass Noah von Grund auf ein Arschloch ist. Diese von mir für okay befundenen Charakterzüge dienen lediglich seinem Ausreißer-Image. Er ist halbwegs gutaussehen und hat eventuell eine leicht charmante Eigenheit, doch der Schein trügt bekanntlich."

ᖴᗩᑌSTSᑕᕼᒪᗩG ᑎᗩᑕᕼ ᒪIEᗷE!Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt