02 |Besuch der Mutter

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Mein Blick fiel auf die Uhr im Auto, die mir zeigte, dass wir halb sieben hatten. Ich musste jetzt zum Elternabend, auf den meine Mutter eigentlich gehen sollte. Ich machte ihr wirklich keine Vorwürfe mehr, da sie meist ihr bestes gegeben hatte, aber das hatte halt einfach nicht gereicht.

Dazu kam ja auch noch der Alkohol, auf den sie hätte verzichten können, doch das wollte sie nicht. Sie betrank sich lieber jeden Abend und gab ihr Geld für Alkohol aus, anstatt für einen Babysitter oder richtiges, gesundes Essen. Ich hielt auf dem Parkplatz der Schule und stieg aus, wobei mir augenblicklich der alte Mercedes ins Auge sprang. Das konnte doch nicht wahr sein. »Evette?« meine Mutter kreuzte vor meinen Augen auf.

Sie trug eine karierte Bluse und eine dunkle Jeans. Sie sah ordentlich aus, was mich erleichtert ausatmen ließ. »Was ist, Mum?« ich zog meine Augenbrauen zusammen und lehnte mich an das Auto. »Kann ich da bitte rein gehen?« ihre grauen Augen sahen mich flehend an. »Nein.« ich schüttelte meinen Kopf und überkreuzte meine Arme. Sie konnte doch nicht einfach hier aufkreuzen, wann es ihr passte und dann wieder verschwinden, weil es ihr zu viel wurde. »Evette, du bist gerade mal 19!« sie sah mich streng an, doch bekam von mir nur ein leises, verbittertes Lachen als Antwort.

»Ja, ich bin erst 19, aber trotzdem komme ich mit der Erziehung meiner kleinen Schwester besser klar als du.« ich stemmte mich auf und funkelte die Erdbeerblonde Frau wütend an. »Evette« sie kam mir näher. »Es tut mir leid, aber bitte gib mir noch eine einzige Chance. Ich will euch beide nicht verlieren.« kleine Tränen ragten aus ihren Augen, was ein Unwohlsein in mir auslöste. »Du schreibst alles auf und bringst die Notizen danach zu mir.« ich sah sie streng an und bekam ein heftiges Nicken zurück, bevor zwei Arme sich um meinen Körper legten.

»Liana hat ein Mädchen angeschrien. Der Grund ist berechtigt also gib dazu bitte kein Kommentar ab.« ich löste die Frau von mir und schenkte ihr ein Lächeln. Einige Minuten beobachtete ich meine Mutter noch, bevor ich in den Wagen einstieg und mein Handy zückte. Melina würde noch ein paar Stunden auf Liana aufpassen, weshalb ich mich dazu entschied mich mit Malena zu treffen. Sie hatte es das letzte Jahr nicht leicht und da ich sie schon seit Anfang an sympathisch fand, konnte ich sie einfach nicht aufgeben.

Ganz anders als Rowan. »Ja?« die helle Stimme von Malena drang zu mir durch. »Hey, hast du Zeit?« ich fuhr langsamer als ich die zwei Abbiegungen sah. Die eine führte zu mir nachhause und die andere zu einem kleinen Café. »Äh klar.« meinte sie und atmete tief durch. »Am Café?« fragte ich und hörte ein leises Lachen. »Ja.« Ich legte auf und bog rechts ab, um zum Café zu fahren. Malena suchte noch immer nach Logan und dabei wusste sie nicht einmal was Logan getan hatte und wieso er so plötzlich verschwand.

Ob Rowan ihn umgebracht hatte? Ein Zittern durchstreifte meinen Körper. Ich konnte noch immer nicht verstehen wie zwei Brüder sich so bekämpfen konnten. Ich könnte Liana niemals etwas tun. Ich hielt vor dem kleinen Café und stieg aus, wobei ich mich einige Minuten an das Auto lehnte, da ich noch nicht alleine rein gehen wollte.

Was Rowan wohl gerade tat? Ich schüttelte meinen Kopf und biss mir verzweifelt auf meine Unterlippe. Wieso musste ich denn immer an ihn denken? Weil ich ihn noch immer liebte. Gott, diese unerträglichen Gefühle verschwanden einfach nicht. Könnte ich mit Rowan ein normales Leben führen und ihn jede Sekunde bei mir haben, dann war dieses Gefühl schön. Vermutlich eines der besten Dinge die ich je gefühlt hatte, aber ich war nicht bei ihm und konnte es auch in der Zukunft nicht sein.

»Hey.« Malena kam auf mich zu und legte ihre Arme um mich. »Du bist aber schnell.« ich lachte leicht und löste mich dann von ihr. »Ich war ganz in der Nähe.« sie ging voraus, weshalb ich ihr folgte und in das kleine Café trat. »Und wie geht es Liana?« sie setzte sich auf einen freien Platz und hob ihre Hand, um den Kellner zu sagen, dass wir bereit für die Bestellung waren. Wir waren Stammgäste. Ich hatte sie nach der Trennung von Rowan aufgesucht und sie total aufgelöst vorgefunden.

»Ein Kaffee schwarz und ein Kakao bitte.« sie lächelte den Kellner an, der alles aufschrieb und wieder verschwand. »Liana geht es ganz gut. Meine Mutter ist heute vor der Schule aufgekreuzt.« ich seufzte leise. »Nicht dein Ernst?« sie riss ihre Augen auf und platzierte ihren Kopf ihrer Hand. »Sie übernimmt den Elternabend.« ich rollte mit meinen Augen, doch lächelte zugleich. Sie war schon ein paar mal angekommen, aber heute sah es tatsächlich so aus als wollte sie sich ändern. Ernsthaft ändern. Leider konnte ich mich nicht darauf verlassen. Ich sollte nur auf das schlimmste hoffen. Nicht für mich, sondern für Liana, denn wenn meine Mutter wieder zurück fiel, musste ich für meine kleine Schwester da sein. »Hat sie denn jetzt aufgehört zu trinken?« sie hob ihre Augenbrauen und musterte mein Gesicht. Ich zuckte bloß mit meinen Schultern, da ich die Antwort selbst nicht kannte. Vielleicht hatte sie aufgehört und das hoffte ich wirklich, aber ich wusste, dass selbst wenn sie aufgehört hatte, sie wieder anfangen würde, wenn es ihr zu stressig wurde. Wenn alles wieder aufhörte perfekt zu sein.

»Das wird schon.« zwei Heiße Getränke wurde uns auf den Tisch gestellt, weshalb ich meines annahm und aus dem heißen Kakao schlürfte. Vermutlich hatte Malena recht. Irgendwie würde es schon funktionieren. Selbst wenn meine Mutter wieder anfing sich nur um sich selbst zu kümmern. Ich hatte es ein komplettes Jahr ohne sie geschafft und das würde auch weiterhin funktionieren. »Ich habe Logan noch immer nicht gefunden und Rowan meldet sich auch nicht mehr.« sie seufzte frustriert. Ich biss mir verzweifelt auf meine Unterlippe und spürte alleine bei seinem Namen eine Sehnsucht. »Hast du was von Rowan gehört?« Malena suchte nach meinem Blick, der auf dem Tisch festgekrallt war. »Äh nein, tut mir leid.« murmelte ich und strich mir nervös über meine Jeans. Sie tat mir leid und am liebsten würde ich ihr alles erzählen, aber es ging nicht.

Unstillbares Verlangen Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt