Willkommen im Orden

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Lina atmete zitternd aus. Sie hatte gar nicht bemerkt, dass sie die Luft angehalten hatte. Wie erstarrt starrte sie auf den Namen vor ihr, der sich langsam auflöste und die Asche zurück in die Tonschüssel fiel. Ares. Der Gott des Krieges. Ausgerechnet der Gott, zu dem Lina unter keinen Umständen wollte. Doch sie konnte nichts mehr daran ändern. Die Götter hatten entschieden. Neben sich hörte sie ein leises Klatschen. Es war Amelie, die sie freudig anlächelte und aufgeregt wie ein kleines Kind klatschte. "Herzlichen Glückwunsch.", flüsterte sie. Lina nickte immer noch schockiert von der Entscheidung der Götter und ging dann hastig auf Amelie zu. Nur raus hier aus diesem Raum. Amelie öffnete die Tür und die beiden Mädchen traten hinaus auf den Steingang. Amelie verschloss die Tür hinter sich und steckte den goldenen Schlüssel in ihre Tasche. Dann blickte sie nach rechts und Lina folgte ihrem Blick. Da kamen die anderen beiden Frauen auf sie zu.

"Und?", fragte die ältere Frau. "Es ist Ares. Der Gott des Krieges.", berichtete Amelie so stolz, als wäre es sie, die gerade auserwählt worden war. "Meinen Glückwunsch. Ich bin Maja.", stellte sich die jüngere Frau vor. Lina lächelte leicht und schüttelte ihre ausgestreckte Hand. "Ich bin Marianne. Ich gehöre zu Poseidon.", meinte die ältere Frau. Lina nickte beeindruckt. "Und ihr?", fragte sie Maja und Amelie. "Hephaistos. Frag mich nicht wieso.", seufzte Maja. "Sei dankbar, Kind.", wurde sie von Marianne getadelt. "Athene. Göttin der Weisheit. Aber das weißt du ja bestimmt.", grinste Amelie, die wie immer ziemlich fröhlich und aufgeregt wirkte. "Kommt mit, Mädchen. Es wird Zeit für das Abendessen. Du musst wissen Lina. Wir hier im Orden werden jeder von einem Gott oder einer Göttin auserwählt. Jeder Gott und jede Göttin hat einen eigenen Bereich des Tempels. Die jeweiligen Auserwählten leben und arbeiten meistens nur in diesem Bereich. Zum Essen treffen wir uns allerdings alle in einem großen Raum. Meistens Kochen die Auserwählten der Demeter. Sie kümmern sich auch um die Felder. Beim Essen haben wir eine Tischordnung. Die Auserwählten bleiben unter sich. Das heißt du wirst mit den anderen Auserwählten des Ares am Tisch des Ares sitzen. Ach, es gibt auch noch die Bibliothek. Sie liegt in der Mitte des Tempels. Dort dürfen alle hin. Nun kommt. Es gibt gleich essen. Der Gong müsste auch jeden Moment ertönen.", erklärte Marianne. Genau in diesem Moment ertönte ein Gong, der alle zum Essen rief. "Da ist er ja auch schon.", lachte Marianne. Lina wunderte sich, warum sie auf einmal so freundlich und offen war. Alle der drei. Vielleicht gehörte es ja auch zu der Prüfung, hart und unfreundlich zu sein. Und sie wunderte sich darüber, dass Marianne ihren Namen kannte. Lina konnte sich nicht erinnern ihr ihren Namen gesagt zu haben. Aber das war ihr jetzt auch egal. Sie freute sich auf das Essen. Auch, wenn sie wohl nicht mehr sehr viel mit Amelie, Maja und Marianne zu tun haben würde. Diese Tatsache stimmte sie ein wenig traurig. Marianne und Maja würde sie nicht sehr vermissen. Doch Amelie war ihr irgendwie sehr ans Herz gewachsen. Trotz der kurzen Zeit, die Lina sie erst kannte. Amelie war eine so herzensgute und lebensfrohe Person, man musste sie einfach gernhaben.

Die vier gingen nach links und folgten dem Gang weiter und weiter, bis sie an einer Kreuzung ankamen. "Geradeaus geht es zur Bibliothek und den verschiedenen Teilen des Tempels. Rechts befinden sich die Felder und nach links gehen wir jetzt, um in den Speisesaal zu gelangen.", erklärte Marianne, während die kleine Gruppe kurz stehen blieb. Lina nickte als Zeichen, dass sie verstanden hatte. Dann setzten sich alle wieder in Bewegung und kurze Zeit später standen sie vor einer großen Tür, durch die man laute Stimmen vernehmen konnte. Marianne öffnete ohne zu zögern die Tür und die vier traten ein. Während Maja und Amelie zu verschiedenen Tischen verschwanden, blieb Marianne mit Lina an der Tür stehen. "Alle mal herhören!", rief sie und allmählich wurde es still. Alle schauten gespannt und neugierig zu Lina. Diese schaute sich ebenfalls neugierig um. Die meisten Frauen hier waren mittleren Alters. Dann gab es auch noch ein paar ältere Frauen und ein paar wenige jüngere. Allesamt hatten sie kurze Haare, so wie Lina selbst sie jetzt hatte. "Das hier ist Lina. Sie ist heute durch die Prüfungen gegangen und wurde von Ares, dem Gott des Krieges, auserwählt.", rief Marianne. Ein Tisch in der linken, hinteren Ecke fing an zu klatschen. "Das ist dein Tisch. Geh hin. Die anderen Tische würden auch klatschen, aber sie dürfen nur bei ihren eigenen Auserwählten klatschen.", flüsterte Marianne Lina zu. Diese nickte und machte sich dann mit einem kleinen Lächeln auf den Lippen auf zu ihrem Tisch.

Am Tisch des Ares saßen nicht viele Frauen. Eine junge Frau mit feuerroten Haaren und grünen Augen. Sie hatte etwas Kriegerisches an sich. Zwei Frauen im mittleren Alter. Beide braunes Haar. Die eine blaue die andere graue Augen. Die Letzte an diesem Tisch war eine ältere Frau. Sie hatte schon graues Haar, blau-graue Augen und trug eine Brille. Lina setzte sich neben die junge Frau auf die Bank und langsam wandten sich alle anderen Tische wieder ab und redeten miteinander. "Hallo Kindchen. Ich bin Teresa.", begrüßte die alte Frau Lina mit einem freundlichen Lächeln. "Ich bin Anika.", meinte die Frau mit den blauen Augen. "Und ich Konstanze.", meinte die andere Frau mittleren Alters gleichgültig und löffelte weiter ihre Suppe. "Johanna. Freut mich. Endlich mal ein bisschen junges Blut hier bei uns.", grinste die jüngere Frau. Lina nickte. "Lina. Aber ich denke das wisst ihr schon." Johanna lachte und klopfte Lina auf die Schulter. "Komm du Neuling. Ich zeig dir, wo die Essensausgabe ist. Das Wichtigste hier im ganzen Tempel, wenn du mich fragst." Den letzten Teil flüsterte Johanna, sodass die restlichen Frauen es nicht mitbekamen. Lina nickte und stand mit Johanna auf. Sie liefen in die andere Ecke des Saales, wo es tatsächlich eine Theke gab, hinter der eine Frau ebenfalls mittleren Alters stand. Sie hatte blonde Haare und braune Augen und reichte Lina jetzt lächelnd einen Teller Suppe. Lina nickte ihr dankend zu und folgte Johanna dann wieder zurück zu ihrem Tisch. Die beiden setzten sich und begannen zu essen.

Nach und nach wurde jeder fertig und verließ den Saal wieder, um seiner Arbeit nachzugehen. Nun standen auch die drei Frauen am Tisch des Ares auf. "Johanna. Nimm Lina mit zu deiner Arbeit, wenn ihr fertig seid.", befahl Teresa Johanna. Diese nickte nur genervt und verdrehte die Augen, nachdem die drei Frauen sich umgedreht hatten und sie somit nicht mehr sahen. "Ich sag dir. Unsere Arbeit ist die Schrecklichste von allen.", flüsterte Johanna, ehe sie aufstand und die leeren Teller wegbrachte. Und die Langweiligste.", fügte sie noch hinzu. Sie winkte Lina zu sich und lief dann mit ihr in Richtung Ausgang. Die Tür fiel hinter ihnen ins Schloss und Johanna meinte: "Willkommen im Orden."

Gott des KriegesWo Geschichten leben. Entdecke jetzt