Erschrocken drehte Lina sich um und ließ dabei fast das Märchenbuch fallen. "Was machst du denn hier?", fragte Ares genervt. "Freut mich auch dich wiederzusehen, Vater.", schmunzelte der Mann, der hinter Lina stand. Dann wandte er sich ihr zu. "Gestatten, schöne Dame. Enyalios, Gott des Kampfes und Sohn von Ares und Aphrodite." Enyalios ergriff Linas Hand und gab ihr einen Handkuss. Völlig ratlos schaute diese zu Ares, welcher allerdings nur wütend dreinblickte. Lina musterte Enyalios genauer. Er hatte wilde, rot-braune Haare, wie sein Vater. Seine Augen strahlten allerdings in einem sanften Blau, was er von seiner Mutter haben musste. Anders als sein Vater hatte er keinen Bart und trug eine Rüstung. "Was willst du hier?", wiederholte Ares mit etwas mehr Nachdruck. "Ich? Oh. Darf ich nicht mal meinen Vater besuchen?", fragte Enyalios unschuldig. Ares schaute ihn warnend an, sodass er seufzte. "Na fein. Mir war langweilig. Zufrieden? Du machst aber auch seit gefühlten Jahrhunderten nichts mehr mit mir!", rief er und warf die Hände in die Luft. Jetzt erschien doch ein amüsiertes Grinsen auf Ares' Lippen. "Diese gefühlten Jahrhunderte waren nicht einmal zwei Wochen." "Oh." Enyalios schaute seinen Vater entrüstet an.
"Trotzdem!", rief er dann und zog kampfeslustig sein Schwert. Schnell rückte Lina etwas von dem jungen Mann weg. "Oh, keine Sorge Süße. Dir tu ich doch nichts.", grinste dieser verschmitzt. "Enyalios!", rief sein Vater warnend, was diesem den Wind aus den Segeln nahm. Er schaute zwischen Ares und Lina hin und her. "Ah.", lachte er. "So ist das also. Na gut, meinetwegen." Verwirrt schaute Lina von Ares zu Enyalios und wieder zurück. Ares sah seinen Sohn warnend an und schüttelte dann mit dem Kopf. "Bitte Vater! Ich bin der Gott des Kampfes, du bist der Gott des Krieges. Lass uns kämpfen!", bettelte Enyalios schon fast und sprang von einem Fuß auf den anderen. Ares seufzte und schien mit sich zu kämpfen. "Ich würde gerne mal einen Kampf sehen.", hörte sich Lina zu ihrer eigenen Verwunderung sagen. Auch die beiden Männer sahen sie überrascht an, ehe Enyalios breit zu grinsen begann und Ares seufzend nachgab. "Na meinetwegen. Ich ziehe mich schnell um. Enyalios, zeige Lina doch schon mal unseren Trainingsraum." Enyalios nickte begeistert mit dem Kopf. "Ja Vater! Komm Lina, das wird ein Spaß!" Jetzt erschien ihr der junge Mann eher wie ein aufgeregtes Kind. Lina musste darüber einfach schmunzeln. Wenn Enyalios sich immer wie ein hyperaktiver Junge benahm, dann war es klar, warum sein Vater so genervt von ihm war.
Enyalios steckte sein Schwert wieder weg und kam um das Sofa herum, sodass er nun direkt vor Lina stand. "Wenn ich bitten darf." Charmant und mit einem verschmitzten Grinsen bot er ihr seine Hand an. Lachend nahm Lina diese an und ließ sich von ihm auf die Beine ziehen. Auch Ares stand jetzt auf. "Und die Bücher?", wollte Lina wissen und blickte Ares fragend an. "Lass sie hier.", meinte dieser nur, ehe er einfach aus der Tür verschwand. "Was hat er denn?", fragte Lina verwirrt. "Ach. Beachte seine Stimmung nicht weiter. Die wechselt er häufiger als seine Unterhosen.", winkte Enyalios ab und Lina wusste im ersten Moment nicht so recht, ob sie das witzig oder ernst finden sollte oder ob sie der Vergleich anekelte. Schließlich nickte sie einfach nur. "Gut. Dann gehen wir mal in den Trainingsraum." Enyalios lief los und Lina eilte schnell hinter ihm her. Zusammen machten sie sich auf den Weg zu den Treppen. "Wir müssen in den dritten Stock.", erklärte der junge Gott ihr. Lina schluckte. 'Warum gibt es hier so viele Stockwerke? Das sind eindeutig zu viele Treppen!' Enyalios drehte seinen Kopf in ihre Richtung und sah sie belustigt an. "Wenn du willst, kann ich dich ja tragen.", neckte er sie. "Sag bloß du kannst das auch!", rief Lina verzweifelt. Enyalios lachte kurz auf. "Gedanken lesen kann eigentlich so gut wie jede Gottheit. Aber man muss sowas erst lernen. Manchmal passiert es mir noch, dass ich unfreiwillig Gedanken lese. So wie gerade eben zum Beispiel. Aber wenn man es richtig kann, dann passiert das nicht mehr."
Lina nickte und schaute ihren Gegenüber neugierig an. "Wie ist es so als Gottheit?", fragte sie. "Manchmal kann es ganz schön langweilig sein. Ich meine, du hast Wort wörtlich alle Zeit der Welt. Meistens bin ich auf dem Olymp und trainiere etwas mit meinen Brüdern Deimos und Phobos. Gott des Grauens und Gott der Furcht. Und manchmal nerven wir auch unsere Schwester Harmonia. Göttin der Eintracht. Selten mache ich auch mal Ausflüge auf die Erde. Meistens geh ich nur dorthin, um bei einer Schlacht mitzumischen. Und ab und zu besuche ich dann noch meinen Vater hier, auch wenn das meine Tanten, Onkeln und Großeltern nicht wirklich gutheißen. Außer Hades natürlich. Aber hey, wer hört schon auf seine Verwandtschaft? Also meine Brüder und ich nicht!", erzählte Enyalios und sein letzter Satz strotzte nur so vor Stolz. Lina konnte sich gerade noch so ein Kichern verkneifen. Dieser Gott war durchaus noch ein halbes Kind. Sein Aussehen war zwar das eines erwachsenen Mannes, aber in seinem Inneren war er noch ein Kind. "Wenn du willst, kann ich meine Brüder ja mal mitbringen. Wir werden zusammen sicher viel Spaß haben und können Vater in den Wahnsinn treiben.", fuhr Enyalios fort.
"Das geht nicht.", meinte Lina. Verwirrt sah der Gott des Kampfes die junge Frau neben sich an. "Warum?", wollte er wissen. "Ich muss auf Ares hören. Er ist mein Herr, mein Gott. Er hat mich zu seiner Auserwählten und Dienerin gemacht.", erklärte Lina die Umstände, die ihr soeben wieder klargeworden waren. Enyalios machte eine wegwerfende Handbewegung. "So ein Quatsch. Wer sagt, dass du ihm dienen musst, bloß weil er dich auserwählt hat?" "Der Orden....", fing Lina an, doch wurde sie sofort unterbrochen. "Ach dieser Orden der Götterdiener oder was? Von dem hab ich schon gehört. Völliger Schwachsinn, wenn du mich fragst. Meinen ganzen Verwandten ist es schon lange egal, was der Orden macht." Lina riss ungläubig die Augen auf. Alles, wofür der Orden stand und was er tat, war im Grunde genommen nur noch für die Ordensmitglieder und ihren Glauben? So viele unschuldige Frauen waren umsonst in der ersten Prüfung umgekommen? Lina hatte die Prüfungen umsonst gemacht! Das konnte doch nicht sein! "Es ist so. Tut mir leid, wenn ich jetzt dein Weltbild zerstört habe." Enyalios kratzte sich am Hinterkopf und schien sich mit einem Mal sichtlich unwohl zu fühlen. "Oh, wir sind da.", stellte er dann erleichtert fest. Lina schaute auf und erkannte, dass sie ohne es zu bemerken die vielen Treppenstufen nach oben gelaufen waren und nun vor einer großen Türe standen. "Na dann willkommen in unserem Trainingsraum.", schmunzelte Enyalios und öffnete für Lina die Tür.
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Gott des Krieges
FantasyUm zu überleben, tritt sie in den Orden der Götterdiener ein. Und wird prompt von dem Gott auserwählt, den sie am allerwenigsten mochte. Ihr Leben steht von nun an in seinem Zeichen. Ein auf und ab beginnt. Kommt sie mit alldem klar?