Anika und Konstanze klappte der Mund auf, Lina wusste nicht so recht, ob sie Viviane glauben sollte oder nicht und Johanna fing schallend an zu lachen. „Ares. Ares persönlich. Genau. Guter Witz.", lachte sie und strich sich imaginäre Lachtränen aus den Augenwinkeln. „Das, das ist zu gut. Und das mit dem ‚Er will dich' ist einfach nur spitze. Das muss ich mir merken.", japste sie weiter. Viviane schaute Johanna entrüstet an. „Das ist kein Witz! Ich meine es ernst! Kommt mit und überzeugt euch selbst.", meinte sie, drehte sich um und lief den Gang zurück zum Tor. Konstanze und Anika eilten sofort hinterher. Lina zögerte. „Na komm. Wollen wir mal nach unserem Möchtegern-Ares schauen.", grinste Johanna, klopfte Lina einmal kräftig auf die Schulter und zog sie dann hinter den anderen dreien her zum Tor.
Im Vorhof angekommen, sahen sie einen stattlichen Mann. Er war fast zwei Köpfe größer als Lina und trug eine Rüstung. Seine braun-roten Haare wurden fast komplett von einem großen Kriegshelm bedeckt und sein gleichfarbiger Bart war gut gepflegt. Er trug Sandalen aus Leder und alles in allem sah er der Abbildung des Ares im heiligen Raum der dritten Prüfung sehr ähnlich. Neben ihr blieb Johanna abrupt und mit offenem Mund stehen und so sehr Lina auch an ihr zog, sie konnte sie nicht mehr vom Fleck bewegen. Nur einen Schritt vor den beiden standen Konstanze und Anika. Beide waren ebenfalls in eine Starre gefallen und musterten den Mann mit großen Augen. Viviane stand mit zwei Metern Abstand vor dem Mann und spielte nervös mit ihren Fingern. „Ich habe sie gebracht, Herr Ares.", meinte sie untertänig. Der Mann – von dem Lina immer noch nicht ganz glauben konnte, das es Ares persönlich ist – nickte Viviane knapp zu. Diese verstand es als Zeichen und verschwand schnell. „Ihr anderen solltet nicht hier sein. Lasst uns allein!", erhob der Fremde seine donnernde Stimme. Konstanze und Anika zuckten zusammen, drehten sich schleunigst um und verschwanden mit Johanna nach drinnen. Nun war Lina allein mit einem Mann, der sehr wahrscheinlich ein Gott war. ‚Kann ich dem Ganzen trauen? Ist er wirklich Ares?', dachte sie. „Aber natürlich bin ich das." Lina erschrack. Sie hatte gar nicht mitbekommen, wie der Mann zu ihr gelaufen kam, denn nun stand er direkt vor ihr. Ihre Gesichter waren nur Zentimeter voneinander entfernt.
Vorsichtig legte der Mann Lina eine seiner rauen Hände auf ihre Wange und strich zärtlich darüber. Etwas in Lina regte sich und ihr wurde es angenehm warm. „Wo-woher?", stammelte sie. Das Grinsen des Mannes wurde breiter. „Ich bin ein Gott. Ob du es glaubst oder nicht. Ich bin Ares.", schmunzelte er und trat im nächsten Moment einen Schritt zurück. Die angenehme Wärme verschwand und Lina realisierte, was gerade passiert war. Sie hatte die Nähe eines völlig Fremden genossen! Und dieser jemand war nicht einfach nur irgendein Mann. Es war Ares persönlich! Jetzt erkannte Lina auch diese Wärme wieder. Es war dieselbe Wärme, die sie auch immer beim Beten und Opfern gespürt hatte! Die Wärme, die immer bei ihr war. Lina klappte der Mund auf. „D-Diese Wärme. Das warst du!", rief sie aus. Ares' Grinsen wurde wieder eine Spur breiter. „Gut erkannt, kleine Lina. Ich war immer bei dir. Und ab heute wirst du immer bei mir sein." Wieder trat er einen Schritt vor und beugte sich zu ihr herunter. „I-Ich verstehe nicht ganz.", nuschelte Lina, die durch die Nähe des Gottes abgelenkt war. Erneut legte Ares eine Hand auf Linas Wange. „Ich werde dich mitnehmen in mein Schloss. Du wirst mir gehören, bis in alle Ewigkeit." Lina riss die Augen auf und stolperte augenblicklich zwei Schritte zurück, was Ares mit einem unzufriedenen Laut beantwortete. „Ich will nicht mit dir gehen! Ich habe es hier gut!", meinte Lina und wandte sich schon zum Gehen.
Schwungvoll wurde sie von Ares am Handgelenk gepackt und herumgewirbelt. Sein Gesicht war nun so nahe, dass Lina seinen Atem auf ihrer Haut spürte. Ungewollt bekam sie eine Gänsehaut. Ares schien das wohl bemerkt zu haben, denn er grinste sie siegessicher an. „Ich bin ein Gott. Ich habe dich auserwählt mir zu dienen. Du kannst mir nicht entkommen.", flüsterte er ihr ins Ohr. Dabei streifte sein Bart leicht ihre Haut, was ihr eine erneute Gänsehaut bescherte. „Und was, wenn ich nicht mitkommen will?", fragte sie. „Dann zwinge ich dich dazu.", antwortete er immer noch flüsternd. Lina nickte leicht. „Ich habe also keine andere Wahl?", hakte sie nach. „Genau." „Kann ich mich dann wenigstens noch von den anderen verabschieden und ein paar Bücher holen?" „Du darfst dich verabschieden. Aber Bücher wirst du keine brauchen. Ich habe einen ganzen Saal, der von unten bis oben voll mit Büchern ist." Lina nickte erneut und drehte sich schnell um. Sie wollte nur weg und der Situation entfliehen. Am liebsten wäre sie in die Hütte des Ares gerannt und hätte sich so lange in ihrem Zimmer unter ihrer Bettdecke verkrochen, bis Ares es aufgab und gehen würde. Doch sie wusste es besser. Er war ein Gott. Nicht irgendein Gott. Der Gott des Krieges, dem sie dienen musste, da er sie auserwählt hatte. Außerdem war er für seine Grausamkeit und Kriegslust bekannt. Wenn sie ihm nicht gehorchen würde, hätte er andere und weitaus grausamere Mittel, um sie mitzunehmen. Vielleicht würde er sogar den Orden angreifen als Strafe, dass sie ihm nicht gehorcht hatte. Das konnte Lina einfach nicht riskieren.
Schnell stieg sie die Stufen empor und öffnete die Tür, hinter der die ganze Zeit Konstanze, Anika und Johanna gestanden und auf Lina gewartet hatten. Lina fiel der erstbesten in die Arme und begann zu schluchzen. „Was ist denn los?", fragte diejenige, die sich als Anika entpuppte. „Er, er will mich mitnehmen in sein Schloss.", erklärte Lina schluchzend und drückte sich noch fester an Anika. „Ich will das nicht!" Konstanze tätschelte ihr die Schulter. „Es wird alles gut. Er ist ein Gott. Unser Gott. Du kannst dich ihm nicht widersetzen." „Mach das Beste draus.", meinte jetzt auch Johanna, die ihre Stimme wiedergefunden hatte. Lina löste sich von Anika und schaute alle drei der Reihe nach an. „Ich will hier nicht weg." „Wir werden uns wiedersehen. Ganz bestimmt.", sagte Konstanze und lächelte leicht. „Stell Ares' Schloss für mich ein bisschen auf den Kopf.", grinste Johanna und umarmte Lina dann fest. Konstanze schenkte ihr auch noch eine kurze Umarmung. Dann war es soweit. Lina drehte sich um und atmete noch einmal tief durch, ehe sie die Tür öffnete und zu Ares auf den Vorhof trat.
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Gott des Krieges
FantasyUm zu überleben, tritt sie in den Orden der Götterdiener ein. Und wird prompt von dem Gott auserwählt, den sie am allerwenigsten mochte. Ihr Leben steht von nun an in seinem Zeichen. Ein auf und ab beginnt. Kommt sie mit alldem klar?