Lina kamen fast die Tränen, als sie dieses wunderschöne Gedicht gelesen hatte. Es war so tiefgründig und spendete Mut. Es machte ihr Mut! Sie fühlt sich besser. Viel besser. Sie fand sich mit der Situation ab. Es war besser so. Immerhin durfte sie hier leben. Hatte eine Unterkunft. Bekam warme Mahlzeiten. Es klopfte an der Tür und eine weitere junge Frau mit schwarzen Haaren und braunen Augen streckte schüchtern ihren Kopf hinein. "Ich hab dir dein Abendessen gebracht.", meinte sie und lächelte verlegen. Lina grinste und nickte auf den freien Platz neben ihr auf dem Sofa. Die junge Frau, die fast noch ein Mädchen hätte sein können, huschte in die Hütte und setzte sich neben Lina. Diese nahm den Teller mit dem Eintopf entgegen und begann zu essen. "Ich bin übrigens Penelope. Auserwählte der Demeter. Ich bin auch erst ein halbes Jahr hier. Die Aufnahmeprüfung war ja so schwer. Man hab ich Bammel bekommen, als ich die Schlange gesehen habe. Eine der Älteren hat mir erzählt, dass sie früher mal eine andere Schlange hatten. Aber als Johanna die Aufnahmeprüfung gemacht hat, hat sie die Schlange einfach getötet. Ich meine, getötet! Das ist doch unglaublich! Sie hatte nichts als diese Holzkiste. Und sie hat sie einfach getötet! Das ist doch der Wahnsinn! Und dann erst dieses Brenneisen. Ich bin fast wahnsinnig geworden!", plapperte Penelope drauf los. Während sie erzählte, aß Lina ihren Eintopf. Sie war wirklich erstaunt. Johanna hatte die Schlange vor der Kobra echt getötet? Das war wirklich der Wahnsinn! Kein Wunder, dass Ares sie auserwählt hatte. "Naja. Jedenfalls hat mich dann Demeter auserwählt. Und ich bin wirklich sehr glücklich damit. Die Feldarbeit macht wirklich Spaß und ich opfere Demeter immer irgendwelche Samen oder Gemüse. Manchmal aber auch Trauben oder einen Apfel. Ich bin wirklich so glücklich hier zu sein!", redete Penelope weiter.
"Apropos opfern. Es ist gleich soweit und heute bin wieder ich dran. Ich hoffe wir sehen uns bald wieder. Bis dann." Und so schnell wie sie redete, so schnell war Penelope auch schon wieder verschwunden. Lina sammelte sich wieder und stellte den leeren Teller auf den Tisch. Sie zog vorsichtig und unter Schmerzen ihre Sandale wieder an und versuchte dann aufzustehen. Als sie auftrat, durchzuckte ein stechender Schmerz ihren ganzen Körper und sie verzog das Gesicht. Dass das auch immer ihr passieren musste! Wie, als sie früher als kleines Kind vom Heuboden der Scheune ihres Nachbarn gefallen war und sich das Bein gebrochen hatte. Seufzend verscheuchte Lina die Gedanken an ihre Kindheit und nahm den Blumenkranz. Dann stützte sie sich an der Wand und den Stühlen ab und humpelte hinaus aus der Hütte. Langsam stapfte sie mit vor Schmerz verzogenem Gesicht zur kleinen Hütte, in der der Altar stand und in der gebetet, gepriesen und geopfert wurde. Vor der Hütte blieb sie stehen und atmete noch einmal tief durch.
Dann öffnete sie die Tür leise und trat hinein. Wieder staunte sie über die Schönheit dieses Raumes. Das Fenster erleuchtete den Altar. Lina ging nach vorne und entzündete die Räucherstäbchen. Dann legte sie den Blumenkranz auf den Altar vor die Tonschale mit der Asche. Sie trat zurück und kniete sich nieder. Dann wollte sie mit dem Sprechen loslegen, wie sie es gestern mit Johanna getan hatte, doch da fiel ihr wieder die Aufzeichnung aus dem Buch über Ares aus. Irgendetwas sagte ihr, dass sie dieses Gebet sprechen sollte. Sie rief sich die Worte wieder ins Gedächtnis. Dann begann sie leise und mit gesenktem Kopf zu sprechen. "Oh Ares, Gott des Krieges, der du so kriegerisch wie wunderschön bist. Schenke uns eine neue Woche voller Mut und Freude. Wache über uns mit deiner göttlichen Stärke." Schon kam wieder der sanfte Wind auf und Lina hörte auf zu sprechen. Der Wind strich um sie herum. Es schien ihr, als würde er besonders um ihren Knöchel wehen. So als wolle er sich dafür entschuldigen, dass er wegen ihm nun so weh tat. Bei diesem Gedanken musste Lina leicht lächeln. Es war einfach so absurd und doch war es irgendwie eine schöne Vorstellung. Der Wind wurde kurz stärker und hörte dann gänzlich auf. Ganz langsam sah Lina nach oben und ihre Augen weiteten sich erschrocken. Der Blumenkranz war verschwunden! Lina schüttelte den Kopf und rieb sich mit ihren Händen über die Augen. Das konnte doch nicht wahr sein! Wieder schaute sie nach oben und tatsächlich. Sie hatte nicht geträumt oder halluziniert. Der Kranz war und blieb verschwunden!
Ungläubig schüttelte Lina erneut mit dem Kopf und wollte aufstehen. Dabei vergaß sie jedoch ihren Fuß. Mit einem unterdrückten Schmerzensschrei fiel Lina wieder auf den Boden und hielt sich den Knöchel. Ihr Atem beschleunigte sich etwas und Tränen traten ihr in die Augen. Die Schmerzen waren unerträglich! Lina kniff die Augen fest zusammen, als mit einem Mal der seichte Wind wiederkam. Es war als würde jemand seine warmen, großen Hände über ihre auf dem Knöchel ruhenden Hände legen. Ihr Atem stockte, als die Wärme in ihren Knöchel überging und die Schmerzen langsam immer weniger wurden und schließlich fast ganz verschwunden waren. Die Wärme ging um Lina herum und es war so, als würde ihr jemand unter die Arme greifen und sie auf die Beine ziehen. Eine warme Hand strich über ihre Wange. Dann verschwand sie. So schnell wie sie gekommen war. Diese mysteriöse Wärme. Lina schüttelte den Kopf. 'Ich werde wahnsinnig.', dachte sie. 'Das ist die einzig logische Erklärung. Ich werde wahnsinnig.' Was war das nur gewesen? Es war verwirrend. Beängstigend. Aber irgendwie hatte Lina es gemocht. Sie hatte diese unglaublich beruhigende und wohltuende Wärme gemocht. Sie schüttelte den Kopf und humpelte dann so schnell es ging aus der Hütte und ins Haus. Die Treppe hinauf und in ihr Zimmer.
Sie stellte sich an ihren Waschtisch und spritzte sich etwas kaltes Wasser ins Gesicht. 'Du wirst nicht verrückt. Beruhige dich.', sprach sie sich in Gedanken immer und immer wieder zu. 'Du wirst nicht verrückt.' Lina legte ihre Tasche ab. Morgen würde sie das Buch über Ares zurück in die Bibliothek bringen. Das kleine Büchlein mit den Gedichten würde sie noch behalten. Noch lange lag sie wach und dachte über das Geschehene nach. Dann endlich glitt sie in einen traumlosen aber unruhigen Schlaf.
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Gott des Krieges
FantasiUm zu überleben, tritt sie in den Orden der Götterdiener ein. Und wird prompt von dem Gott auserwählt, den sie am allerwenigsten mochte. Ihr Leben steht von nun an in seinem Zeichen. Ein auf und ab beginnt. Kommt sie mit alldem klar?