Linas Zimmer

1.1K 46 1
                                    

"Komm mit. Ich will dir dein Zimmer zeigen.", schmunzelte Ares und hielt Lina seine Hand hin. Ohne nachzudenken, ergriff sie diese und ließ sich von ihm hochziehen. Lina wollte ihre Finger wieder von seinen lösen, doch er hielt ihre Hand fest umklammert und so ließ sie es bleiben. Er führte sie aus dem gewaltigen Speisesaal hinaus und schritt den Gang weiter entlang. Am Ende dieses Ganges befand sich ein riesiges Fenster, von welchem man nach draußen auf das Flammenmeer blicken konnte. Lina hatte kaum Zeit hinauszuschauen, denn schon wurde sie von Ares weitergezogen. Direkt neben dem Fenster befand sich eine Treppe, die in das nächste Stockwerk führte. Diese Treppe steuerte Ares an. Zusammen erklommen die beiden Stufe um Stufe. Lina schien es schier endlos zu dauern, bis sie endlich die nächste Etage erreicht hatten. Eine weitere Treppe führte weiter nach oben, doch Ares steuerte nicht auf diese zu, sondern ging den Gang entlang bis ganz nach hinten. Wieder hingen verschiedene Bilder an den Wänden. Dieses Mal jedoch zeigten sie keine Kampfszenarien oder Personen. Sie zeigten wunderschöne Landschaften und beeindruckende Städte. Grüne Wiesen reihten sich an weiße Winterwunderlandschaften und große Küstenstädte hingen neben kleinen Dörfern innerhalb mystischer Wälder. Lina fand die Bilder wunderschön, auch wenn sie hier etwas fehl am Platz wirkten.

Es gab nur zwei Türen in dem langen Gang. Vor der ersten blieb Ares stehen und deutete kurz darauf. "Das ist dein Badezimmer.", erklärte er. Lina nickte nur. Was sollte sie auch anderes tun oder sagen? Ares nickte ihr zurück und stapfte dann weiter zur zweiten und letzten Tür in diesem Gang. "Und das hier ist dein Zimmer.", bemerkte er und öffnete die Tür. Er ließ Linas Hand los und schob sie sanft in das Zimmer. Erneut klappte Lina der Mund auf. Dieses Zimmer war fast so groß wie der Speisesaal selbst! Riesengroße Fenster zogen sich über die gesamte Wand gegenüber der Tür. Dicke, rote Vorhänge hingen daneben und warteten nur darauf vor die Fenster gezogen zu werden. Links am Zimmerende stand ein riesiges, rotes Himmelbett, in dem bestimmt vier Leute Platz zum Schlafen gefunden hätten. Neben dem Bett befand sich ein ebenso enormer Kleiderschrank und ein Nachttisch. Auf der anderen Seite des Raumes stand ein Bücherregal, das bestimmt um den 1000 Büchern einen Platz geboten hätte. Daneben stand ein riesiges Sofa, ebenfalls in rot, und ein Tisch. Der Boden war komplett ausgelegt mit flauschigen, rot-braunen Teppichen. Dieses Mal brachte Lina keinen Ton heraus. Zu überwältigt war sie. Sie war so überwältigt, dass sie beinahe in Ohnmacht gefallen wäre. "Ich hoffe es gefällt dir.", raunte ihr Ares von hinten ins Ohr. Lina nickte und konnte schon fast Ares' Schmunzeln in ihrem Nacken spüren. "Ich will, dass du dir deine Haare wieder wachsen lässt und nur die Klamotten aus deinem Kleiderschrank anziehst.", meinte er. Lina drehte sich entgeistert um und wollte ansetzen etwas zu erwidern, als ihr auffiel, dass sie eigentlich keine Einwände hatte. Gerne würde sie ihre Haare wieder wachsen lassen und gegen andere Kleidung hatte sie auch kein Problem. Und genau das ärgerte sie. Dass sie nichts gegen die Anweisungen des Gottes vor ihr hatte.

"Ich sagte doch, du kannst dich mir nicht widersetzen.", grinste Ares und strich mit seinem Daumen sanft über ihre Wange. Lina hielt die Luft an. 'Jetzt reiß dich zusammen!', schrie sie sich innerlich an. Ares' Schmunzeln wurde breiter und schwoll zu einem lauten Lachen an. Verwirrt sah Lina ihn an. "Du solltest deine Gedanken besser verschließen.", merkte Ares an. Lina merkte, wie ihr die Röte ins Gesicht schoss. Schnell drehte sie sich um, damit Ares sie nicht so sah. Dieser legte von hinten seine Arme um sie. "Du brauchst dich dafür nicht zu schämen. Und außerdem steht dir rot ziemlich gut.", grinste er verschmitzt. Lina wurde es noch unbehaglicher, vor allem, weil er ihr wieder so nahe war. "Du solltest dich fertig machen und schlafen.", riet er ihr, ehe er die letzten Zentimeter überbrückte und ihr einen sanften Kuss in den Nacken hauchte. Lina bekam eine unfreiwillige Gänsehaut und eine erneute Wärme floss durch ihren Körper. Doch sobald Ares einen Schritt zurücktrat, war dieses wunderbare Gefühl verschwunden und eine unbekannte Kälte umhüllte sie. Sie drehte sich um und sah gerade noch so, wie Ares durch die Tür verschwand. 'Was zum?'

Sie würde aus diesem Mann - diesem Gott - wohl nie schlau werden. Er war ein Rätsel für sich. Aber er war ja auch ein Gott. 'Er ist komisch.', dachte sich Lina, ehe sie sich auf den Weg zu ihrem Kleiderschrank machte. Sie öffnete die große und doch recht schwere Tür und bestaunte den Inhalt des Schrankes. Neben drei unterschiedlicher Paare rote Sandalen standen auch noch zwei verschiedene Paar Ballerinas. Kleider in allen möglichen Varianten und ebenfalls in Rot- und Brauntönen gehalten hingen im Schrank. Manche hatten kurze Ärmel, manche lange. Manche hatten einen tiefen Ausschnitt, die meisten aber zu Linas Glück einen, der mehr versteckte als er zeigte. Die meisten hatten zudem aufwendige und wunderschöne Verzierungen in Form von Stickereien oder Glitzersteinen. Sie fand auch noch ein Fach mit Unterwäsche und Socken. Neben den Kleidern entdeckte sie zwei Jacken. Eine leichtere und eine dickere, mit Fell gefütterte Jacke. Ganz oben meinte sie auch noch so etwas wie eine Mütze gesehen zu haben. Lina atmete erleichtert aus, als sie in der Schublade mit den Socken einen Schlafanzug fand. Es war eine einfache kurze Hose und ein T-Shirt. Beides - wie eigentlich alles an diesem Ort - in rot.

Lina legte ihre Tasche aus dem Orden ab, nahm sich den Schlafanzug und lugte vorsichtig aus der Tür heraus. Der Gang war leer. Kein Ares zu sehen. Schnell schlüpfte Lina aus ihrem Zimmer und tapste zum Badezimmer. Sie öffnete die Tür und war - wie schon so oft - beeindruckt. Das Badezimmer war nicht so groß wie die anderen Räume, in denen Lina hier schon war. Aber dieses Zimmer hatte dennoch eine beachtliche Größe. Direkt vor ihr befand sich ein Ganzkörperspiegel, dessen roter Rahmen von goldenen Ranken geziert wurde. Neben dem Spiegel befand sich eine Dusche, die doppelt so groß und doppelt so breit war wie normale Duschen. An der linken Wand war eine gewaltige Badewanne, die man schon fast als kleines Schwimmbecken bezeichnen konnte. Neben dem Ganzkörperspiegel stand ein großer Schrank und ein Waschtisch. Eine Toilette durfte natürlich auch nicht fehlen. Einen Hocker fand sie auch. Lina legte ihren Schlafanzug auf den Hocker und entkleidete sich dann bis auf die Unterwäsche. Sie fühlte den Stein unter ihren nackten Füßen und zu ihrem Erstaunen war er nicht kalt, sondern angenehm warm. Sie betrachtete sich selbst im Spiegel. Ihr Körper war nicht mehr so abgemagert wie zu dem Zeitpunkt, als sie in den Orden eigetreten war. Die Erinnerung an den Orden versetzte ihr einen schmerzlichen Stich. Was wohl die anderen Auserwählten des Ares gerade machten? Ob sie an sie dachten? Ob sie Lina vermissten? Schnell schüttelte sie den Kopf und zog sich ihren Schlafanzug an. Er passte wie angegossen. Sie putzte sich die Zähne und fuhr sich einmal kurz mit einer Bürste durch die kurzen Haare. Sie legte ihr altes Kleid sorgfältig zusammen und platzierte es auf dem Hocker. Ihre Schuhe stellte sie darunter. Sie würde diese weißen Sandalen ab morgen nicht mehr tragen. Sie fand die roten Schuhe in ihrem Kleiderschrank ganz schön. Obwohl es nicht gerade ihre Lieblingsfarbe war. Aber eine andere Farbe würde sie wohl hier nicht zu Gesicht bekommen. Nur rot, braun und vielleicht ab und zu schwarz. Lina seufzte und lugte dann wieder vorsichtig aus der Badezimmertür. Die Luft war rein. Kein Ares. Schnell huschte Lina zurück in ihr Zimmer, schloss die Vorhänge und schmiss sich dann zwischen die vielen Kissen auf ihr Bett. Seufzend zog sie die Decke über sich. Kaum hatte sie die Augen geschlossen, da fiel sie auch schon in einen tiefen Schlaf.

Gott des KriegesWo Geschichten leben. Entdecke jetzt