Die drei Kinder des Ares schauten sich einmal kurz an. Dann nickte Enyalios leicht mit dem Kopf. Alle drei standen auf, warfen ihrem Vater einen warnenden Blick zu und liefen aus dem Zimmer. "Wir warten vor der Tür.", teilte Enyalios noch mit, ehe er hinter sich die Tür schloss. Nun war Lina allein mit Ares in einem Raum. Ares. Der Gott des Krieges. Den sie immer für böse hielt, der aber eigentlich nur geliebt werden wollte. Unschlüssig blieb er neben der Tür stehen und schaute überall hin, nur nicht zu ihr. Lina seufzte leise. "Setz dich doch.", bot sie schließlich an. Überrascht riss Ares seinen Kopf zu ihr herum und blickte sie erstaunt an. Er räusperte sich kurz und kam dann zögernd auf sie zu. Langsam setzte er sich in angemessenem Abstand zu Lina auf ihr Bett. Beide schwiegen einen Augenblick, unwissend, was sie als nächstes sagen oder tun sollten. "Es tut mir leid.", meinten beide gleichzeitig und sahen sich an. "Ich, was? Warum tut es dir leid?", fragte Ares und rutschte etwas näher zu Lina. "Ich hätte dich nicht provozieren und anschreien dürfen. Und ich hätte nicht über dich urteilen dürfen." "Ich hätte dich nicht schlagen dürfen. Es ist unehrenhaft eine Frau zu schlagen.", hielt Ares dagegen. Sachte hob er eine Hand und strich kaum merklich über Linas Wange. Bei dieser Berührung kam ihr der Streit wieder in den Sinn und sie zuckte aus Reflex zurück. Schnell nahm Ares seine Hand wieder weg und blickte Lina traurig entgegen. "Ich kann es nicht rückgängig machen und ich erwarte nicht, dass du mir vergibst.", äußerte er und schaute Lina dabei nicht ins Gesicht. Er fixierte mit seinem Blick stur den Boden. "Aber...." "Hey.", unterbrach Lina ihn sanft und legte ihre Finger unter sein Kinn. Behutsam lenkte sie seinen Blick in ihre Richtung und lächelte ihn aufmunternd an. "Du willst nicht, dass man dich als den aggressiven und bösen Gott sieht. Du willst Anerkennung und Liebe. Und das verstehe ich. Aber du musst sie nicht suchen. Deine Söhne lieben dich. Du bist ihr Vater. Und du hast recht. Ich kann dir nicht verzeihen. Noch nicht. Aber ich kann es versuchen. Ich sage nicht wir sollen es vergessen. Aber wir können es ignorieren. Es ist passiert und wir können es nicht mehr ändern."
Mit jedem Wort, welches Lina sprach, bekam Ares immer größere Augen und sein Mund klappte leicht auf. Als sie geendet hatte, erschien ein breites Grinsen auf seinen Lippen und er drückte sie fest an sich. "Danke.", nuschelte er in ihre kurzen Haare. Dann entfernte er sich wieder von ihr. "Weißt du was?", fragte er enthusiastisch. Lina schaute ihn verwirrt an. "Nein. Was?" "Wir machen Urlaub!", rief Ares und sprang begeistert von seiner Idee auf. "Was?", fragte Lina lachend. "Du, ich und meine Söhne. Ein paar Tage nach Italien! Was hällst du davon?" "Eh, find ich gut.", antwortete Lina überfordert. Ares klatschte erfreut in die Hände. "Ich bringe dir einen Koffer!", meinte er, drehte sich um und marschierte zur Tür. "Was? Jetzt gleich?" "Genau.", antwortete Ares und öffnete schwungvoll die Tür. "Wah!" Schon lagen seine drei Söhne vor ihm. "Habt ihr etwa gelauscht?", fragte Ares gespielt streng. Deimos, Phobos und Enyalios sprangen schnell wieder auf und redeten durcheinander. "Wir doch nicht." "Würden wir niemals tun." "Wie kommst du darauf?" Ihr Redefluss wurde von einem lachenden Ares unterbrochen, der die drei einmal kurz in seine Arme zog. "Jungs, packt eure Sachen. Wir machen Urlaub!", rief er noch, ehe er verschwand. "Urlaub!", riefen jetzt auch die drei jungen Götter begeistert und stürmten sogleich los.
Lina schaute den dreien amüsiert hinterher. Da kam auch schon Ares und überreichte ihr einen roten Koffer. "Wie lange werden wir weg sein? Und wohin genau gehen wir denn überhaupt?", wollte Lina wissen und merkte, dass sie so langsam auch aufgeregt war. "Ein paar Tage. Wohin verrate ich nicht.", schmunzelte er. Lina sah ihn flehend an, doch der Gott des Krieges lachte nur und verschwand dann aus ihrem Zimmer. Zurück blieb eine lächelnde Lina. Der Streit schien ihr plötzlich schon Jahre her und sie freute sich richtig auf den kommenden Urlaub. Sie hatte noch nie Urlaub gemacht. Ihren Eltern hatte einfach immer die Zeit und das Geld gefehlt. Kutschen waren teuer und in der Bäckerei verdiente man nicht ausreichend genug, um sich eine leisten zu können. Lina legte den Koffer auf ihr Bett und öffnete ihn. Dann zog sie achtlos ein paar Kleider aus ihrem Schrank und warf sie hinein. Es folgten noch Unterwäsche und für alle Fälle Socken. Zwei Paar Sandalen und dann trug sie ja noch ihre Ballerinas. Die dünne Jacke packte sie sicherheitshalber auch noch ein. Schon war sie fertig und klappte den Koffer wieder zu. Sie hob ihn hoch und schleppte ihn aus ihrem Zimmer die Treppe hinunter. "Oh Lina! Der ist doch viel zu schwer! Ich nehme ihn!", rief da jemand von oben. Sie blieb auf der Hälfte der Treppe stehen und wandte sich dem Sprecher zu. Es war Enyalios, der selber einen nicht gerade kleinen Koffer mit sich zog. "Nein, nein. Das geht schon.", versuchte es Lina, doch Enyalios ließ nicht locker und schnappte sich ihren Koffer, um ihn die restlichen Stufen nach unten zu tragen. Seufzend nahm sie es so hin und folgte dem Gott des Kampfes. "Das Märchenbuch!", fiel es ihr mit einem Mal ein und sie rannte schnell ins Wohnzimmer, um das Buch zu holen. Sie steckte es in eine Seitentasche des Koffers.
Nach kurzer Zeit stolperten auch Deimos und Phobos mit jeweils einem großen Koffer die Treppe hinunter. "Wo bleibt denn Vater?", murmelte Enyalios und verschränkte die Arme vor der Brust. "Kommt ihr dann auch mal?", lachte mit einem Mal eben Genannter hinter ihnen. Die vier drehten sich erstaunt um. "Ich warte schon seit Jahrhunderten auf euch.", grinste Ares, lief auf die vier zu und schnappte sich Linas Koffer. Von seiner geknickten Stimmung vorhin merkte man nichts mehr. Seine drei Söhne hatten jetzt auch wieder ein breites Lächeln auf den Lippen, nahmen ihre Koffer und folgten ihrem Vater nach draußen. Nur Lina blieb verwirrt stehen. Wie war Ares so schnell nach draußen gelangt? Wie war er so schnell fertig gewesen? "Lina? Kommst du?", riss Phobos' aufgeregte Stimme sie aus ihren Gedanken. Schnell schüttelte sie den Kopf. "Natürlich!" Sie rannte hinter den anderen her und folgte ihnen zum Ausgang.
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Gott des Krieges
FantasyUm zu überleben, tritt sie in den Orden der Götterdiener ein. Und wird prompt von dem Gott auserwählt, den sie am allerwenigsten mochte. Ihr Leben steht von nun an in seinem Zeichen. Ein auf und ab beginnt. Kommt sie mit alldem klar?