19. Kapitel

34 4 0
                                    

„Alles gut?“, fragte Momo schließlich. Leise seufzte ich. „Nein“, gab ich schweren Herzens auf füchsisch zurück. „Ich werde verkauft. Du musst wohl deine Familie alleine suchen“ Traurig hob ich den Kopf und sah ihm in die Augen. In seinen lag tiefes Mitgefühl, aber auch wilde Entschlossenheit. „Nicht aufgeben! Wir schaffen das schon“, meinte Momo aufmunternd, aber ich war gerade überhaupt nicht in der Stimmung, ihm das zu glauben. Nichts würde gut werden. Ich würde verkauft werden. Und bei so viel Pech, wie ich hatte, bestimmt ans andere Ende der Welt.

Ich drehte mich um und legte mich mit dem Rücken zu Bella und Momo. Nichts würde gut werden. Wenn immer alles gut werden würde, dann wäre das Leben nur Friede, Freude, Eierkuchen. Und das wurde schon durch tausende Schicksale, die die Leute nicht verdient hatten, widerlegt. Aber es war auch klar. Es wäre auch zu schön gewesen, wenn ein kleiner, unbedeutender Albinolöwe so viel Glück haben würde, erst wieder irgendwo aufgenommen zu werden, dann auf so eine tolle Schule zu gekommen zu sein, Freunde gefunden zu haben, als Yannik ihn fast getötet hätte, gerettet zu werden und schlussendlich noch Wilderern zu entfliehen. Klar, dass das endgültig zu viel Glück für eine unbedeutende Person wäre. Da gab es gar keine Zweifel. Leider, denn gerade war ich so glücklich gewesen. Bald wäre die Zwischenprüfung gewesen und danach hätte ich mit auf Lernexpeditionen kommen können. Aber daraus wurde nichts. Ich war verloren.

Ayla! Nicht traurig sein, hörte ich plötzlich Bella sagen. Ich drehte den Kopf in ihre Richtung und sah sie traurig an, fast ungläubig, dass ich jemals wieder glücklich sein würde. Mein Optimismus war weg. Komplett verschwunden, mit ihm auch mein Lebenswille und Freude. Ayla, komm, Kopf hoch!, sagte Bella wieder. Möglicherweise hatte ich meine Gedanken nicht richtig abgeschirmt und sie hatte mitbekommen, dass ich furchtbar unglücklich war. Ich wandte mich wieder ab. Nichts wird gut, murmelte ich nur und legte den Kopf auf meinen Pfoten ab.

Fast stur sah ich nach draußen in den Wald. Zu stur, um meinen Optimismus wieder zu finden. Zu stur, um etwas gegen meine Unglücklichkeit zu tun. Ich hätte mir Gutes zureden können, aber schon ohne einen Gedanken daran zu verlieren, wusste ich, dass es nicht funktionieren würde. Dann würde ich nun einmal irgendwo am anderen Ende der Welt eingesperrt werden. Dann müsste das kein anderer mit sich machen lassen.

Mir war richtig zum Heulen zumute, zum Glück konnte ich als Löwe nicht weinen. Mein Herz fühlte sich an, als wäre dort wie aus dem Nichts ein tiefes Loch entstanden, das ich einfach nicht weg bekam. Kein Kleber der Welt könnte es wieder zusammenkleben und keine Nadel es wieder zusammennähen. Es fühlte sich an, als würde es für immer da bleiben. Aber ich wehrte mich nicht dagegen. Was hätte das auch gebracht? Ich gab meinem Kummer die Oberhand über meine Gedanken und ließ ihn machen, was er wollte. Auch wenn ich wusste, dass mich das innerlich zerstörte. Früher oder später wäre es sowieso passiert, wenn ich weiter hier blieb. Was wohl noch sehr lange der Fall sein würde, da es nicht so aussah, als ob mich jetzt einfach jemand retten kommen würde. Ich würde weiter hier sitzen, oder besser liegen, da es meinem Bein natürlich auch nicht besser ging. Von alleine würde es sowieso einfach immer schlimmer werden, da konnte ich aber auch nichts tun. Ich verstand auch reichlich wenig von so etwas. Bella konnte mir jetzt auch nicht mehr helfen, da sie nicht mehr zu mir kam. Was ein dummer Fehler, ihr zu sagen, sie solle sich verwandeln! Ich wusste doch schon, dass es keine Schwachstellen gab. Alles war fest, da konnte ich nichts gegen tun. Plötzlich wurde meine innerliche Trauer und Leere zu Wut, Wut auf mich selbst. Wut, dass ich jetzt in dieser blöden Lage war. Dass ich mich immer in Schwierigkeiten brachte, wenn es gerade so schön war.

»𝔽·𝕣·𝕠·𝕤·𝕥•𝕎·𝕒·𝕝·𝕜·𝕖·𝕣·𝕤•𝟚«Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt