33. Kapitel

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Sie spielten viele Runden, bis die Sonne schon komplett untergegangen war und die Leute machten auf mich mehr und mehr einen betrunkenen Eindruck. Irgendwann aber stand der Mann, der mich vorhin angesehen hatte auf und torkelte in meine Richtung. Als er näher kam, nahm ich wieder den beißenden Alkoholgeruch wahr, der dieses mal aber stärker war als vorhin. Anscheinend waren die Getränke nicht ganz Alkoholfrei gewesen. „N-na du schö-önes Kätzchen?“, lallte er, kam noch näher und hielt sich mit den Händen an dem Gitter fest. Ich wich ein Stück zurück, denn er war mir gerade alles andere als geheuer.

Er holte einen Schlüssel aus der Tasche hervor und steckte ihn in das Schloss der Tür. Wollte er meine Tür aufschließen? War das überhaupt der richtige Schlüssel? „Schöne K-kätzchen v-v-verdienen Freiheit!“, meinte er jetzt und drehte den Schlüssel im Schloss. Dieses gab mit einem Klacken nach. Woher hatte er den Schlüssel? Hatte er ihn gestohlen? Ich warf einen vorsichtigen Blick hinter ihn und erblickte eine völlig betrunkene Avery und einen ganau so betrunkenen Carter. Da war es bestimmt einfach einen Schlüssel zu klauen.

Jetzt stieß der Mann die Tür auf und trat zur Seite. „D-du bist frei!“, rief er und ich stockte einen Moment. Irgendwas sagte mir, ich solle hier bleiben, aber meine Neugier war zu groß. Außerdem war das doch die Chance, auf die ich die ganze Zeit gehofft hatte, oder?

Zögerlich humpelte ich nach vorn und ging schließlich durch die Tür nach draußen. Es fühlte sich komisch an, einfach aus diesem Käfig heraus zu sein. Vor mir war ein Haufen betrunkener Leute, die ich bestmöglich umging. Kurz blieb ich stehen und sah den Mann noch einmal dankbar an, dann ging ich in den Wald. Hinter mir hörte ich noch die Menschen lallen und erzählen. Aber ich beachtete sie nicht. Ich musste so schnell wie möglich ganz weit weg, dass sie mich nie wieder fanden.

In mir kamen Zweifel auf, als die Stimmen hinter mir langsam immer leiser wurden. Tat ich das richtige? Würde ich zurückfinden, nach Victoria? War ich noch auf Vancouver Island? War ich überhaupt noch in Kanada? Aber hier hatten alle ganz normal geredet, woraus ich schon schlussfolgerte, dass ich noch in Kanada war. Sollte ich mich vielleicht verwandeln und eine Stadt suchen? Vielleicht war ich aber auch irgendwo im nirgendwo, wo keine Städte waren. Geografie war noch nie meins gewesen. Außerdem hätte ich keine Kleidung gehabt und müsste nackt in die Stadt und das wollte ich definitiv nicht. Wahrscheinlich würde ich nicht einmal die Verwandlung schaffen, weil es so wehtun würde.

Gedankenverloren lief ich durch den Wald, bis mir schließlich eine Idee kam: Vielleicht war ein Woodwalker in der Nähe, den ich mit einem Fernruf auf mich aufmerksam machen könnte. Jetzt rief ich immer mal wieder so laut ich konnte, allerdings bekam ich nie eine Antwort. Niemand war in meiner Nähe. Ich war ganz auf mich allein gestellt. Ich konnte mir keinen Ausrutscher leisten.

Irgendwann war ich müde und mir fehlte die Kraft, weiterzulaufen und ich ließ mich langsam auf dem Waldboden nieder. Er war weich und die Blätter unter mir knirschten. Ich sah mich um und erblickte einen Igel herumlaufen, nach Essen suchend. Er sah schon niedlich aus. Ich beobachtete ihn noch einen Moment, bis ich meinen Kopf auf meine Pfoten legte und die Augen schloss. Ich genoss es, endlich nicht mehr eingesperrt zu sein. Einfach frei zu sein. Mit diesem Gedanken schlief ich ein.

»𝔽·𝕣·𝕠·𝕤·𝕥•𝕎·𝕒·𝕝·𝕜·𝕖·𝕣·𝕤•𝟚«Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt