Tag 1
Ich stand mit einem Koffer in der Hand und einem schweren Rucksack, dessen Träger sich in der prallen Nachmittagssonne in meine Schultern bohrten, vor dem Eingang des Internats.
Für Mitte September war es ungewöhnlich heiß.
Seit ein paar Minuten starrte ich auf die Schrift, die in riesigen Lettern oben auf dem Tor prangte.
Internat und Gymnasium van de Guston
Seit genau einem Jahr war ich nicht mehr hier.
Da mir bewusst war, dass ich schon zu spät war, zögerte ich nur noch kurz und trat dann durch das Tor, in den Hof des Internats, in dem ich nochmal für zwei Monate bleiben durfte.
Der Hof war riesig, aber nichts in Anbetracht zu den Gebäuden, die den Hof wie einen Halbkreis einschlossen. Ein paar der Gebäude waren renoviert worden, sodass ich mich nicht mehr auskannte.
Als ich mich nochmal umdrehte und auf die Straße sah, die vor dem Eingang verlief, spielte sich schmerzlich die Szene von vor genau einem Jahr vor meinen Augen ab.
Ich sitze in einer Limousine, die eine Dachluke hat. Obwohl uns verboten wurde, während der Fahrt aufzustehen und durch die Luke zu sehen, brauchen ich und Connor nur einen Blick um zu wissen, dass wir es trotzdem tun würden.
Ich bin die erste die sich abschnallt. Grinsend gehe ich zu der Luke, drehe mich noch kurz zu ihm um und stecke dann meinen Kopf samt Oberkörper durch die Öffnung. Ich höre, wie er sich abschnallt. Meine Arme heben sich und ich will laut schreien vor Freude, doch dazu komme ich nicht. Wir sind fast bei der Schule, doch ein Auto fährt mit vollem Tempo um die Kurve und ist nur ein paar Meter von der Limousine entfernt.
Es ist nicht wie in Zeitlupe, im Gegenteil. Alles geht ganz schnell. Ich kreische. Beide Autos machen einen Schlenker um auszuweichen. Die Limousine fährt gegen ein Gebäude. Ich bin sofort tot.
Bevor ich noch etwas anderes sehen konnte, riss mich eine Stimme aus meiner Erinnerung.
„Hallo, du musst Brooke sein ich bin -" Sie stockte.
Ich hatte meinen Kopf gehoben, um zu sehen wer mit mir redete und sofort sah mich meine ehemalige Deutschlehrerin Mrs McCartney.
„Ist alles okay? Du musst nicht traurig sein, du wirst ganz bestimmt bald Freunde finden!", sagte sie mitfühlend und betrachtete mich voller Sorge.
Erst da merkte ich, dass mir ein paar Tränen über mein Gesicht liefen und wischte sie mit einer schnellen Handbewegung weg.
„Mir geht's gut.", murmelte ich schnell.
Mrs McCartney sah mich noch einen Moment an, dann setzte sie wieder ihr sorgloses Lächeln auf. „Also Brooke, da du von der Reise sehr erschöpft sein musst, führe ich dich sofort zu deinem Zimmer und gebe dir auch gleich deinen Schlüssel..."
Ich hörte ab da nicht mehr zu, weil mein Kopf nur noch einen Gedanken immer und immer wieder schreien wollte.
Ich bin nicht Brooke ich bin Liv!
Doch ich schwieg. Mein Name war nicht mehr Liv. Mein Leben wurde beendet. Ich konnte nichts dagegen tun.
Allerdings war ich für diese zwei Monate eine Austauschschülerin namens Brooke, die nicht einmal existieren durfte.
In Gedanken versunken folgte ich der Lehrerin und überhörte gekonnt, was sie über die Geschichte der Schule erzählte.
Nach einer Weile stiegen wir in einen Aufzug ein. Erst da sah ich wieder auf.
Unauffällig versuchte ich mich zu zwicken, in der Hoffnung, aus diesem furchtbaren Traum aufzuwachen und noch zu leben. Fehlanzeige.
Ich presste meine Lippen mit aller Kraft aufeinander, um nicht laut loszuschreien vor Frust.
Aus Reflex sah ich zu meiner Hand, um zu kontrollieren, ob mein Koffer noch da war. Natürlich hatte ich ihn noch, jedoch hielt ich ihn so fest, dass meine Knöchel weiß hervortraten.
Als ich gerade wieder meinen Blick dem Boden zuwenden und in Selbstmitleid versinken wollte, bemerkte ich den Spiegel hinter mir.
Bis zu diesem Moment hatte ich noch nicht darüber nachgedacht, anders auszusehen. Doch ich war Brooke nicht Liv. Ich drehte mich ein wenig nach hinten, um mich im Spiegel zu betrachten und hätte schon wieder schreien können.
Im Spiegel war ein Mädchen, das ich immer sein wollte.
Meine Haare waren blond - nicht mehr rot - brustlang und zu einem Pferdeschwanz hochgebunden. Meine grau-blauen Augen schienen förmlich zu strahlen. Nur meine Sommersprossen waren geblieben, wobei diese jedoch deutlich weniger geworden waren und meine Haut war leicht gebräunt. Ich war schlank aber nicht zu ausgehungert, so wie es viele Teenager sein wollten.
Die Türen des Aufzugs öffneten sich, McCartney ging voran und fing wieder an zu reden. Ich riss meinen Blick vom Spiegel los und folgte ihr, während ich den Koffer hinter mir herzog.
„Wir sind gleich bei deinem Zimmer. Du hast zwei entzückende Mitbewohnerinnen.", sagte sie gerade, wobei sie das ‚entzückend' übertrieben betonte.
Wir gingen durch einen langen schmalen Gang und rechts von uns verliefen die Zimmertüren.
Die Lehrerin blieb abrupt stehen, zog geräuschvoll einen Schlüssel aus ihrer Tasche, sperrte die Tür auf und sah mich anschließend erwartungsvoll an. Zögernd nahm ich ihr den Schlüssel aus der Hand, den sie mir hinhielt.
Um Zeit zu schinden betrachtete ich den Anhänger des Schlüssels.
Zimmer 122
Mir war nicht bewusst wovor ich Angst hatte, doch irgendetwas hielt mich davor zurück ins Zimmer zu gehen. Allerdings war mir bewusst, dass Mrs McCartney nur darauf wartete, endlich wieder gehen zu können.
Ich gab mir einen Ruck und öffnete langsam die Tür. Diese fing an zu quietschen und meine beiden neuen Mitbewohnerinnen drehten sich zu mir um.
***
Das oben ist ein Bild von Brooke (ihr könnt sie euch natürlich anders vorstellen)
Ich hoffe euch gefällt der Anfang und die Idee der Geschichte. Lasst gerne Feedback da :)
Danke fürs lesen ich hoffe ihr lest weiter ;)
LG
Gwen
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See you later, death
Teen FictionNachdem Liv bei einem Autounfall gestorben ist, kann sie ein Jahr später als Brooke für zwei Monate zurück auf die Erde um ihren letzten Wunsch zu erfüllen: Dass es ihrem besten Freund gut geht. Sie versucht wieder an ihn heranzukommen um herauszuf...