Kapitel 29

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Tag 22

Wie immer spontan, beschlossen Connor und ich die letzte Sehenswürdigkeit zu besichtigen. Da Montag war, konnten wir erst nach dem Unterricht gehen. Ich genoss die Zeit mit ihm und wir lachten eine Menge. Wenn ich daran dachte, dass es unser letzter Ausflug zu einer Sehenswürdigkeit war, wurde ich unglaublich traurig doch ich verdrängte den Gedanken.

Wir kamen verschnauft an der Spitze des Turmes an, da dieser aus einem unerfindlichen Grund keinen Aufzug besaß. Erschöpft stützte ich meine Hände auf die Knie und atmete mehrmals tief ein und aus. Connor blieb dabei hinter mir und schien mich zu beobachten.

Als ich mich wieder gefasst hatte, aufsah und mich zu Connor umdrehen wollte, blieb mein Blick an der Aussicht hängen und ich änderte meinen Plan. Wie unter Trance ging ich zum Gitter, das die Menschen davon abhielt hinunterzufallen, und genoss die Aussicht.

Der Wind war ziemlich kühl, doch ich hatte mich zum Glück warm genug angezogen. Nach einer Weile schloss ich meine Augen und hörte wie Connor näher zu mir kam.

„Connor?"

„Ja?"

Ich schwieg kurz, da ich meine Frage noch formulieren musste.

„Ist alles gut bei dir?"

Ich spürte wie er mir noch näherkam.

„Ich hatte es kürzlich ziemlich schwierig in meinen Leben, aber du hast mir die Augen geöffnet."

Er redete nicht weiter, doch obwohl ich ihn nicht sah, merkte ich, dass er noch etwas sagen wollte, deswegen erwiderte ich nichts, sondern wartete nur.

„Ich hatte gestern Todesangst um dich, Brooke."

Als er wieder anfing zu reden, erahnte ich, was er sagen wollte und mir stiegen die Tränen in die Augen, doch als er meinen neuen Namen sagte, warf es mich kurz aus der Bahn. Ich blinzelte einige Male hintereinander.

Es hatte sich kurz so vertraulich angefühlt, wie früher, doch jedes Mal, wenn ich mich so fühlte, musste er mir wieder vor Augen führen, dass ich jetzt Brooke war.

„Ist alles in Ordnung Brooke?", flüsterte Connor besorgt.

„Ich... ja ich... ich habe mir gestern auch Sorgen um dich gemacht."

Ich spürte seinen Atem in meinem Nacken, allerdings war mir davor nicht klar, dass er mir so nahestand. Ich bekam Gänsehaut und ein angenehmer Schauder lief durch meinen Körper.

Langsam drehte ich mich um und sah ihm in die Augen. Sein Gesicht schien meinem ziemlich nahe zu sein und eine Ewigkeit betrachteten wir uns nur Gegenseitig. Trotz seiner Sonnenbrille konnte ich seine Augen fast schon sehen.

Ich wollte ihn so sehr darauf ansprechen, doch ich konnte und wollte diesen Moment einfach nicht zerstören. Mein größter Wunsch war es, dass er endlich sehen würde, wer ich wirklich bin.

Sekunden in denen wir uns nur gegenseitig musterten wurden zu Minuten und gefühlten Stunden.

Er schien mir immer näher zu kommen. Mir war bewusst, ich sollte eigentlich Panik bekommen, doch mein Herz schien alle negativen Gefühle zu verdrängen.

„Du solltest mich nicht küssen.", flüsterte ich dennoch.

Er grinste leicht.

„Ich weiß. Aber es gibt Momente, da sollte man seinen Kopf ausschalten und sich von dem Herzen leiten lassen. Und außerdem ist es nicht so leicht dich nicht zu küssen, wenn du mich so ansiehst."

Ich musste ebenfalls grinsen und dann geschah es. Er senkte seine Lippen auf meine und küsste mich ganz zart.

Es war wie, als wäre ich in einer anderen Welt. Ich vergaß, dass uns eine Menge Menschen zusehen konnten und genoss einfach nur den Moment. Es fühlte sich so richtig an, so als hätte es schon viel früher geschehen sollen.

Viel zu früh löste er sich wieder von mir aber hielt mich trotzdem noch fest, wofür ich ihm ziemlich dankbar war, denn ich wusste nicht, ob ich meine Beine mich sonst noch gehalten hätte, oder einfach eingeknickt wären.

„Connor wir-", setzte ich nach einigen Sekunden in denen ich mich fasste an, doch er unterbrach mich, indem er seinen Zeigefinger auf meine Lippen legte und flüsterte: „Nein, sag einfach nichts."

Ich verstand. Er wollte den Moment nicht kaputt machen und darüber nachdenken, dass das mit uns nicht wirklich funktionieren konnte, da er zumindest denkt, dass ich nur eine Austauschschülerin bin.

Die nächste Stunde die wir auf dem Turm verbrachten, waren traumhaft. Wir lachten eine Menge und genossen die unglaubliche Aussicht, während er meine Hand in seiner hielt.

Leider mussten wir dann jedoch gehen und als wir am Ausgang des Turmes waren, war es wie ein Becher kaltes Wasser, der über meinen Kopf geleert wurde. Plötzlich wachte ich aus einem Traum auf und dachte an alle Gründe, warum es eine schlechte Idee war, überhaupt etwas anzufangen mit Connor.

Er schien zu bemerken, dass sich meine Stimmung schlagartig änderte und blieb stehen. Ich tat es ihm gleich, starrte jedoch auf den Boden.

„Brooke, was ist los?"

Als ich mich nicht rührte legte er zwei Finger unter mein Kinn und hob sanft meinen Kopf an, sodass ich ihm in die Augen sehen musste.

„Es ist nur... ich bin nur eine Austauschschülerin, Connor, ich weiß nicht ob das mit uns beiden funktionieren kann."

Es tat unglaublich weh diese Worte zu sagen, doch ich wusste, dass ich es eigentlich direkt beenden sollte und nicht erst in einem Monat, wenn ich gehen musste. Allerdings wollte ich es nicht direkt beenden, deswegen machte ich nur eine Andeutung und hoffte einerseits er würde mir die Sorgen ausreden, andererseits wusste ich tief in meinem inneren, was vernünftig war.

„Du wohnst in der Nähe von meinem Dorf, also wird es nicht so schwer werden.", raunte er, während er mir eindringlich in die Augen sah.

Obwohl es natürlich eigentlich nicht mein Problem war, dass ich eine Austauschschülerin, beruhigte er mich alleine mit seiner intensiven Anwesenheit ein wenig.

Ich machte Anstalten wieder weiterzugehen, da nahm er sanft meine Hand und drehte mich noch einmal zu sich.

„Wir bekommen das hin, vertrau mir.", flüsterte er eindringlich.

Ich sah auf und nickte leicht lächelnd. Damit schien er sich zufriedenzugeben und ging los, ohne meine Hand loszulassen.

See you later, deathWo Geschichten leben. Entdecke jetzt