Kapitel 4

59 11 21
                                    

Plötzlich sprang er auf und lief einem Mädchen entgegen. Sie sprang zu ihm hinauf und er fing sie auf. Sofort schlang sie ihre Arme um seinen Hals, verschloss ihre Beine an seinem Rücken und legte ihr Gesicht an seinen Hals, bevor ich einen Blick auf sie erhaschen konnte. Allerdings sah sie von der Statur her relativ jung aus.

Als sie sich voneinander lösten und ich ihr Gesicht sehen konnte, fuhr ein Stich durch mein Herz und ich erstarrte.

Es war meine kleine Schwester Bridget. Sie musste jetzt vierzehn Jahre alt sein. Sie trug eine weit geschnittene Jeans mit großen Löchern, unter der sie eine aufreizende Netzstrumpfhose trug. Zu allem Überfluss trug sie auch noch ein viel zu kurzes Top.

Ich wäre am liebsten aufgesprungen und hätte sie angeschrien, was mit ihr passiert sei und, dass sie viel zu jung für solche Klamotten war.

Aber sie kannte mich nicht.

Es war alles meine Schuld. Ich ließ sie alleine. Sie hatte niemanden. Sie hat nur versucht sich anzupassen um zu überleben.

Es ist nicht meine Schuld.

Ich versuchte mir das klarzumachen, dass der Unfall nicht meine Schuld war, doch ich war so leichtsinnig und hatte mich hinausgelehnt.

Auf einmal rann ein kalter Schauer über meinen Rücken. War sie mit Nate zusammen? Nein. Das konnte einfach nicht sein. Er war viel zu alt für sie. Er war siebzehn. Meine kleine Prinzessin konnte nicht mit einem siebzehnjährigen zusammen sein.

Oh Gott. Was habe ich getan.

„Ist alles gut Brooke?" Ich schrak hoch und wollte gerade gereizt antworten, mein Name ist nicht Brooke, aber ich fasste mich noch schnell genug und ließ meinen Kopf auf meine verschränkten Arme am Tisch sinken. Mit aller Kraft versuchte ich die Tränen zurückzuhalten.

Als ich wieder aufsah, starrte ich Nate an, der noch ein wenig mit Bridget redete, ihr einen Kuss auf die Stirn drückte und wieder zurück an den Tisch kam.

Als Nathan meinen Blick bemerkte, fragte er erst mich was los sei, und nachdem ich nicht antwortete, fragte er Faith, die nur hilflos mit den Schultern zuckte.

Nach ein paar Minuten war ich wieder imstande etwas zu sagen und fragte Nate: „Ist... sie deine... deine..."

„Schwester? Nein, sie ist nur –", wollte er antworten doch ich unterbrach ihn.

„...Freundin?!"

Natürlich wollte ich nicht fragen, ob sie seine Schwester war, da ich ihre Schwester war.

Scheiße. Verdammt, ich verbessere mich. Da sie keine Schwester mehr hatte.

Es fühlte sich an, als ob mein Herz immer mehr Risse bekam, desto länger ich darüber nachdachte. Als könnte es jeden Moment zerspringen.

Nate lachte und beschwichtigte mich: „Oh Gott, nein! Sie ist sowas wie eine Schwester für mich aber nicht meine Freundin. Du solltest mal dein Gesicht sehen!"

Mein Herz bekam bei dem Wort ‚Schwester' noch mal einen Stich. Ich wollte ihn anschreien. Das Wort nur für mich beanspruchen. Sie war von niemandem die Schwester außer von mir. Er hatte kein Recht so etwas zu sagen.

Gerade als ich meinen Mund öffnen wollte um ihm irgend-etwas an den Kopf zu werfen, wurde mir eine Sache klar.

Nate war wunderbar. Ich konnte nicht mehr für Bridget da sein und er hatte sie aufgenommen, sich um sie gekümmert und ihr geholfen.

Als ich Tod war, wurde ich gefragt, was mein größter Wunsch sei. Ich konnte nur an Connor denken, weil er mit mir in dem Auto war und sich schon abgeschnallt hatte. Deshalb war mein letzter Wunsch, dass es ihm gut gehen würde.

Jetzt genau ein Jahr später, bekam ich zwei Monate Zeit, um meinen Wunsch selber zu erfüllen.

Es kam mir vor wie ein Wunder, wie eine zweite Chance, doch jetzt kam es mir nur noch wie eine große gelungene Bestrafung vor.

Ich bereute es so sehr, wenn ich jetzt sah wie sich alles entwickelt hatte und was ich angerichtet hatte.

Aber selbst, wenn ich weitergelebt hätte, wäre alles schiefgegangen.

Ich war früher kalt, abweisend und unfair.

Jetzt hatte ich zwei Monate Zeit um mich zu ändern. Um ein besserer Mensch zu werden. Um den Leuten gerecht zu werden, die ich liebe.

Faith, Jessy und Nate sahen mich alle besorgt an. Die letzten fünf Minuten war ich in Gedanken abwesend und hatte nicht aufgepasst.

„Äh... tut mir leid ich war in Gedanken versunken", stammelte ich verlegen. „Was habt ihr gesagt?"

Zögernd fing Faith an zu reden, doch sie beobachtete mich genau während sie sprach: „Naja, wir haben gefragt, ob du sie kennst, oder warum dir das so wichtig ist. Ist alles gut bei dir?"

Shit. Ich konnte schlecht sagen, sie war meine Schwester aber ich bin gestorben. Jetzt bin ich aber wieder hier, damit es meinem ehemaligen besten Freund gut geht.

„Naja nur... nur weil sie so... jung aussieht und du sie so... vertraut behandelst.", meinte ich zu Nate und wählte dabei jedes Wort mit bedacht.

„Achso ja, ich kenne sie zwar erst ein Jahr so gut, aber es gab eine große Familien Tragödie und sie war damals ziemlich verloren, deswegen habe ich sie sozusagen aufgenommen und mich um sie gekümmert. Mein bester Freund stand der Familie auch sehr nahe und wir haben uns nur deswegen so gut angefreundet."

Connor. Er nannte seinen Namen nicht, doch ich wusste es auch so.

Jetzt strahlte Nate wieder aufrichtig. Ich konnte ihn nur mit offenem Mund anstarren. Er nahm die beiden einfach auf, ohne sie zu kennen. Ich habe noch nie einen Menschen getroffen, der so strahlt, wenn er über jemanden redet.

„Wie heißt dein bester Freund?", fragte ich leise, doch er verstand mich.

„Connor."

***

Das oben ist (wie ihr es euch wahrscheinlich vorstellen könnt) Bridget (stellt sie euch einfach ein bisschen jünger vor)

LG Gwen

See you later, deathWo Geschichten leben. Entdecke jetzt