7. Kapitel

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Schliesslich verliessen die Erwachsenen den Gemeinschaftsraum der Finjarelles und zurück blieben nur meine Freunde und ich, alle reichlich verwirrt, und natürlich Finëa. Woher sollte Ma so viel über Obscuriale wissen? Und was hatte sie damit gemeint, dass sie Kaspar und mich in einem Krieg einsetzen wolle, wie sie es schon einmal getan hatte? Wovon hatte sie gesprochen? Ein Blick in die Gesichter meiner Freunde verriet mir, dass auch sie keine Antworten hatten.

«Wie ist das eigentlich?», fragte Cedric zögerlich. «Ich meine, ein Obscurial zu sein. Wie ist das?»

«Schrecklich», sagte Kaspar düster, während ich gleichzeitig sagte: «Keine Ahnung, ich kann mich nicht erinnern.»

«Bei dir ist ja auch nichts passiert!», sagte Kaspar und lachte, aber es war ein düsteres, verzweifeltes Lachen.

«Also Nichts würde ich das nicht nennen», meinte Fred.

«Genau», erklärte George, «Adrienne hat das Klassenzimmer besser und schneller zerlegt, als wir das mit all unseren Scherzartikeln und Zaubern schaffen würden.» Die beiden zwinkerten mir zu.

«Das ist nicht lustig!», fuhr Jessie die Zwillinge an. «Adrienne hätte alle dort töten können! Ihr hattet verdammtes Glück!»

Kaspar nickte finster und die Zwillinge hatten jetzt doch denn Anstand, blass zu werden. Cedric und ich waren bereits blass wie Laken, während der Kommentar der Zwillinge Jessie Zornesröte ins Gesicht trieb. Finëa stand unbeteiligt neben uns und streichelte Corvus Obsidian-Federn.

«Was ... was ist bei dir passiert, Kaspar?», wandte sich Cedric an den ehemaligen Finjarelle-Schüler. «Natürlich nur, wenn du uns davon erzählen willst.»

Unsicher scharrte Kaspar mit den Füssen und wandte den Blick von uns ab. Ich konnte die Scham, die er empfand, förmlich spüren. Es musste etwas wirklich Schlimmes gewesen sein. Finëa nickte ihm ermutigend zu und Kaspar holte tief Luft: «Meine Eltern sind sehr früh gestorben – so früh, dass ich mich nicht mehr an sie erinnern kann. Also hat man mich in ein Kloster geschickt, damit die Mönche mich aufzogen.»

Ich erinnerte mich, dass Kaspar einmal davon erzählt hatte, als wir von der Intoleranz der Kirche sprachen. Ich versuchte mich zu erinnern: Hatte nicht Finëa eine Geschichte erzählt, die ebenfalls in diesem Zusammenhang stand? Ja! Jetzt erinnerte ich mich, Finëa hatte uns während des Jul-Rituals davon erzählt, wie sie Godric Gryffindor und Helga Hufflepuff aus den Fängen der Inquisition befreit hatte.

Kaspar erzählte weiter: «Ich mochte das Kloster nicht. Die Brüder bestraften mich schwer, jedes Mal, wenn irgendwas Unerklärliches geschah und war es nur eine Kerze, die ohne ersichtlichen Grund ausging. Also habe ich meine Magie so gut es ging unterdrückt. Ich lebte in ständiger Angst, dass sie doch irgendwie hervorbrach – einmal stiess ich beim Küchendienst den Kessel mit kochendem Wasser um. Das Wasser ergoss sich über meine Beine und eigentlich hätte es mich verbrühen müssen, doch da war nichts. Die Strafe war schrecklich.» Kaspar schauderte bei der Erinnerung. «Irgendwann, als sie mich wieder wegen einer Kleinigkeit bestraften, konnte ich meine Wut nicht mehr im Zaum halten und dann –»

Kaspars Stimme versagte und er wandte sich aufgebracht von uns ab. Trotzdem konnte ich einen Blick auf seine schmerzvoll verzogene Miene und die Tränen erhaschen, die sich aus seinen Augenwinkeln stahlen. Voller Sorge beobachtete ich meinen Freund und wusste nicht, was ich tun sollte. Auch Cedric, Jessie und den Zwillingen ging es nicht anders. Cedrics Hände zuckten, unsicher, ob er sie nach Kaspar ausstrecken sollte oder nicht. Schliesslich war es Finëa, die ihre federleichte, geisterhafte Hand auf Kaspars Schulter legte und ihm ein paar Worte zuflüsterte. Schliesslich nickte Kaspar, hob den Kopf und drückte die Schultern durch.

Undeutbare Zeichen - Adrienne Seanorth 3Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt