31. Kapitel

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Die kommenden Tage verstrichen damit, dass ich versuchte meinem 'Vater' – das Wort fühlte sich immer noch falsch an – aus dem Weg zu gehen, was erstaunlich gut gelang, immerhin durften wir ja nirgendwo allein hingehen. Trotzdem folgten Snapes Blicke mir überall hin. Dann, an einem friedlichen Mittwochmorgen, zwängte sich Jessie zwischen Alicia und mich an den Gryffindortisch und knallte je ein Pergamentblatt vor Kaspar, Cedric und mir auf den Tisch.

«Dir auch einen guten Morgen, Jessie», grummelte Alicia und rieb sich die Rippen, wo Jessies Ellbogen sie getroffen hatte, bevor sie sich wieder ihrem Frühstück widmete.

Mittlerweile hatten sich alle daran gewöhnt, dass Jessie und Cedric bei Kaspar und mir am Gryffindortisch sassen. Das Problem bei den scharfen Sicherheitsmassnahmen war, dass man Freunde aus anderen Häusern fast nicht mehr treffen konnte. Ausser im Unterricht natürlich und da verlangten die Lehrer, dass man ihnen zuhörte anstatt die neusten Gerüchte auszutauschen. Aus diesem Grund jedenfalls hatte momentan niemand etwas dagegen, wenn sich die strikte, nach Häusern aufgeteilte Sitzordnung durchmischte.

«Was ist das?», fragte Kaspar und sah auf das Pergament hinab, dass halb auf seinem gebutterten Toast gelandet war.

«Die Pläne für die Stoffwiederholung», erklärte Jessie die Augen verdrehend.

«Stoffwiederholung?», echote ich.

«Ja, Stoffwiederholung. Oder habt ihr vergessen, dass in einem Monat die Prüfungen stattfinden?», erklärte Jessie.

Ein kollektives Aufstöhnen aller Gryffindors in Hörweite war zu hören.

«Muss das sein, Jessie?», fragte George. «Wir frühstücken hier gerade.»

«Genau. Kannst du uns bitte danach mit schlechten Neuigkeiten belästigen?», fügte Fred an.

«Die wollen uns echt Prüfungen schreiben lassen, bei allem was gerade los ist?», fragte Lee entsetzt.

«Klar, deshalb halten sie die Schule ja offen. Also arbeitet zur Abwechslung mal an etwas Sinnvollem», sagte Jessie, bevor sie Richtung Slytherintisch davon ging.

«Würden wir doch, wenn sie uns zu den Finjarelles liessen», grummelten die Zwillinge und schielten zu den Plätzen von Ma und Gawain am Lehrertisch. Sie waren leer. Schon wieder. Irgendetwas war da draussen in der Welt im Gange, dass die beiden davon abhielt, den Basilisken zu jagen.

«Wahrscheinlich ist es irgendetwas wegen ihrer Arbeit», sagte Kaspar, der meinem Blick und meinen Gedanken gefolgt war. «Wenn sich irgendwo da draussen gerade Erdwürmer daran machen, ein Bergwerk zu zerstören oder die Kämpfe zwischen zwei magischen Clans, irgendwelche Muggel in Mitleidenschaft ziehen oder was auch immer, kann sie ja schlecht zum Premierminister gehen und ihm sagen, dass sie jetzt leider keine Zeit hat, weil sie in selbstauferlegter Mission einen Basilisken fangen muss.»

«Hä?», machte Angelina, die Kaspars Worte mitangehört hatte.

Weder Kaspar noch ich gingen darauf ein. Er hatte natürlich recht, in ihrem Job bei der Katastropheneinheit des AZMGUK (der Abteilung zur Zusammenarbeit zwischen den magischen Gemeinschaften Grossbritanniens) hatte Ma täglich mit Katastrophen zu tun, die noch viel schlimmer waren als ein Basilisk, der sporadisch in einer Schule sein Unwesen trieb. Was hatten wir ... vier Personen, die der Basilisk in den vergangenen sechs Monaten versteinert hatte; dann noch Mrs Norris und der Fastkopflose Nick; macht sechs Opfer insgesamt. Und niemand davon war wirklich gestorben – ausser Nick natürlich. Während Ma es täglich mit Todesopfern zu tun hatte. Mich schüttelte es allein beim Gedanken daran. Wie hielt sie diesen Job aus?

Es war dieser Gedanke, der mich den ganzen Tag umtrieb und der schliesslich dazu führte, dass Professor McGonagall, die uns zum Gemeinschaftsraum gebracht hatte, mich zurückhielt, als ich durchs Portraitloch klettern wollte.

Undeutbare Zeichen - Adrienne Seanorth 3Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt