19. Kapitel

143 23 4
                                    

Der Erfolg dieser Nacht beflügelte mich die nächsten Tage und selbst Hermines immer strengere Blicke, konnten mich nicht hinunterziehen, sie erinnerten mich jedoch an etwas, dass ich schon lange vor mir herschob. Mit der Euphorie über meinen Sieg für das Haus Finjarelle hatte ich nun endlich genug Mut, dieses längst überfällige Gespräch zu führen.

Ich passte Harry eines Abends nach dem Quidditch-Training ab.

«Was ist los, Adrienne?», fragte er, nachdem ich ihn mit der Bitte um ein Gespräch in einen Seitengang gelotst hatte.

«Es ist ... kompliziert.» Es gab wohl kein Wort, das die Situation besser beschrieb. Ich lotste Harry noch etwas weiter; weg von den belebten Korridoren, wo uns jemand hätte hören können.

«Du benimmst dich ziemlich seltsam, das weisst du?», sagte Harry. «Fast wie deine Mutter an dem Tag, als sie mich in der Nokturngasse gesucht hat.» Mein Bruder legte den Kopf schief. «Für eine Muggel hat sie sich ziemlich seltsam verhalten und sie hat mir gesagt, dass ich dich danach fragen soll.»

Unbehaglich knetete ich meine Hände und folgte dem unbelebten Korridor noch weiter, bis ich merkte, dass meine Füsse mich in Richtung des Gemeinschaftsraums der Finjarelles zogen. Ich stemmte sie fest in den Boden – ein Geheimnis nach dem anderen. Aber wo sollte ich anfangen?

«Also ... du hast recht, Harry, meine Ma ist ... seltsam. In Wahrheit ist sie auch keine Muggel, sondern eine Fey.»

«Was ist eine Fey?», unterbrach Harry mich.

Ein leiser Seufzer entwich mir – dieses Gespräch würde noch viel komplizierter werden, als ich sowieso schon gedacht hatte. Nachdenklich lehnte ich mich an die Wand, deren Kühle mich etwas beruhigte. Ich würde das jetzt durchziehen! Aber ... ich setzte mich auf den Boden, den Rücken immer noch an der kühlen Wand. Harry setzte sich ebenfalls, wenn auch recht verwirrt.

«Eine Fey ist ... sie ist eine andere Art Wesen als zum Beispiel wir Menschen sind. Ich meine, Fey sind keine Menschen, egal ob Muggel oder Zauberer, sie sind eben Fey ...»

«Willst du damit sagen, dass deine Mutter kein Mensch ist? Und du auch nicht?», unterbrach mich Harry erneut.

Ich atmete einmal tief durch. Harry hatte keine Ahnung, wie schwer er es mir mit seinem ganzen Gefrage machte. Wenn er mich doch einfach mal ausreden liesse!

«Ja, meine Ma ist kein Mensch, aber ich schon, weil meine Ma ... also, Kathleen Seanorth ist nicht meine leibliche Mutter. Meine ... meine richtige Mutter heisst ... oder besser hiess ... Lily Evans.» Ich sah Harry an, in dessen Augen sich erkennen ausbreitete. «Ich bin deine Schwester, Harry.»

Der Gesichtsausdruck meines Bruders wandelte sich von Erkennen zu ... Wut? Verletztheit? Beides war nachvollziehbar.

«Nein, das kann nicht sein!», bestritt Harry. «Wenn ich eine Schwester hätte, dann hätte mir das jemand gesagt! Hagrid oder Dumbledore oder sonst jemand. Wenn ich eine Schwester hätte, dann wäre das doch bekannt, schliesslich hätte Voldemort dann auch sie umbringen wollen.»

«Vielleicht weiss es gerade deshalb niemand, weil Lily mich weggegeben hat.» Harry sah mich verwirrt an. «Sie hat mich zu Ma ... ich meine zu Kathleen Seanorth gebracht und Kathleen schwören lassen, mich mit ihrem Leben zu beschützen. Und Ma, also Kathleen, hat das getan und mich aufgezogen.»

«Und weshalb sagst du mir das erst jetzt? Wieso hast du es mir nicht Anfang des letzten Schuljahrs erzählt?», fragte Harry vorwurfsvoll.

«Weil ich es da noch nicht wusste», sagte ich mit belegter Stimme. «Ich habe es selbst erst letztes Weihnachten herausgefunden. Ma, ich meine Kathleen, durfte es mir nicht sagen, das war Teil des Schwurs.»

Undeutbare Zeichen - Adrienne Seanorth 3Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt