25. Kapitel

141 17 9
                                    

Die Weihnachtsferien kamen mit grossen Schritten näher. Meine Freizeit verbrachte ich wann immer möglich in der Verbotenen Abteilung. Madam Pince beobachtete mich jeweils mit Argusaugen, wenn ich hineinging – für ihren Geschmack viel zu oft. Da sie mir nicht erlaubte, meine Freunde mitzubringen – «Professor Snape hat die Berechtigung auf Sie ausgestellt, nur auf Sie allein!» – und die Verbotene Abteilung mindestens so gross war wie der Rest der Bibliothek, war es nicht verwunderlich, dass ich bisher noch keine Ergebnisse vorweisen konnte.

Die Liste mit den Schülern, die über die Weihnachtsferien in Hogwarts bleiben würden, ging um und ich sah den Namen meines Bruders als einer von wenigen auf der Liste. Ich hatte ihm angeboten, mit zu mir zu kommen, doch er hatte abgelehnt, da Ron und Hermine extra für ihn beschlossen hatten, ebenfalls in Hogwarts zu bleiben.

Und dann war es so weit: Kaspar, Jessie, Cedric, Fred, George und ich packten unsere Koffer und stiegen gemeinsam mit den anderen Schülern, die über Weihnachten nach Hause fuhren, in den Hogwartsexpress.

Während die Landschaft vorbeizog, vertrieben wir uns die Zeit mit Zaubererschnippschnapp und bewunderten die Erfindungen von Fred und George, die allesamt viel Rauch und Lärm machten. Ein kleines Geschenk zum Beispiel explodierte in goldenen Funken, wenn man es öffnete und bedeckte uns alle mit Goldstaub. Der schottische Schnee verwandelte sich in englischen Regen je weiter wir nach Süden kamen und als wir in Kings Cross ausstiegen, erwarteten die Eltern ihre Kinder mit tropfenden Regenschirmen.

«Und ich habe mich so auf weisse Weihnachten gefreut», maulte Jessie.

Cedric stiess sie in die Seite: «Kopf hoch, das kann immer noch werden.»

Vor dem Bahnhof wartete Ma neben ihrem schwarzen Geländewagen. Sie trug ihr Geschäftsfrauen-Outfit, bestehend aus einem schwarzen Rock, einer weissen Bluse und einem blauen Blazer, heute hatte sie das Ensemble mit einem schwarzen Regenschirm komplettiert. Neben ihr standen zwei Männer in Anzügen mit denen sie angeregt plauderte. Einer war gross, mit schwarzem, verstrubbeltem Haar, und einer roten, mit kleinen, grünen Tannenbäumen bedruckten Krawatte. Der andere war etwas kleiner, das dunkelblonde Haar an den Kopf gegelt, seine Krawatte von seriösem Blau, eine seltsame Ausstrahlung ging von ihm aus. Meine Freunde waren stehengeblieben, ohne dass ich es bemerkt hatte und nun standen sie drei Meter von mir, Ma und den beiden Männern entfernt.

«Du bist also Adrienne. Es ist mit einer Ehre, dich kennenzulernen», sagte der Blonde und hielt mir seine Hand hin. «Ich bin Gawain.» Beim Sprechen entblösste er leicht spitze Zähne. Ich blinzelte und sah genauer hin: Auch seine Ohren waren leicht spitz und die Augen etwas schräger als bei einem Menschen. Ein Fey! Gawain zwinkerte mir zu.

«Die Ehre ist ganz meinerseits», sagte ich schüchtern, als ich seine Hand drückte. Seine Hand war warm und stark und sein Griff fest. Wieder musterte ich ihn. Die Feymerkmale waren bei ihm längst nicht so deutlich wie bei meiner Ma, er musste also deutlich jünger sein. Vielleicht war er hundert? Hundertfünfzig? Am liebsten hätte ich über mich selbst den Kopf geschüttelt: Da stand ich und versuchte das Alter eines Unsterblichen abzuschätzen, der ewig jung aussehen würde.

«Na kommt her», rief Gawain lachend meinen Freunden zu. «Wir beissen schon nicht.»

«Da wär' ich nicht so sicher», grummelte sein Freund mit der Weihnachts-Krawatte, der bisher noch nichts gesagt hatte.

Gawain lachte. «Jetzt sei nicht so, Jake.»

«Wir müssen los», sagte Jake mit Blick auf seine Uhr. «Mycroft wird ungeniessbar, wenn wir zu spät kommen.»

Gawain seufzte und verdrehte die Augen. «Die Arbeit ruft. Aber ihr sechs könnt jetzt eure Weihnachtsferien geniessen. Wir sehen uns – spätestens bei Gaius' Jul-Turnier.» Gawain zwinkerte uns ein letztes Mal zu, dann folgte er seinem grummerligen Freund.

Undeutbare Zeichen - Adrienne Seanorth 3Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt