Weisse Vorhänge blähten sich in einer milden Brise, die den Duft des Frühsommers hereinwehte. Die Matratze unter mir und die Kissen und Decken waren vertraut und doch fremd. Der Winkel, in dem das Licht auf mein Gesicht fiel, war falsch. Ich blinzelte und bekam etwas mehr von meiner Umgebung zu sehen. Die weissen Vorhänge trennten das Himmelbett vom Rest des Raums ab, aber der Stoff war dünn genug, dass man durch ihn hindurch die beiden anderen Betten im Raum sah. In einem der Betten schlief jemand – durch den Vorhang, der das Bett verhüllte, war jedoch nicht mehr als ein grober Umriss zu sehen. Beim anderen Bett waren die Vorhänge geöffnet. Zwei Jungen sassen dort und flüsterten miteinander, während ihre Blicke hin und wieder zu mir hinüberglitten.
«Raus hier, ihr beiden!», polterte plötzlich eine laute Stimme. «Das hier ist immer noch ein Mädchenschlafsaal. Wenn die Dinge anders lägen, würde ich Hufflepuff und Finjarelle jetzt je 20 Punkte abziehen. Habt ihr mich verstanden? Cedric? Kaspar?», fragte Finëa eindringlich. Die beiden Gestalten vom zweiten Bett verschwanden so schnell wie möglich aus dem Raum.
Dann wurde der Vorhang vor meinem Bett zur Seite geschoben und Finëa blickte zu mir herunter. Selbst die hässliche Narbe, die die eine Seite ihres Gesichts verunstaltete, konnte die Sorge in ihren Zügen nicht verschleiern. «Geht es dir gut, Adrienne? Wir machen uns alle Sorgen um dich. Wir hätten nicht zulassen dürfen, dass du dieses Ritual abhältst – zumindest nicht allein.» Federleichte, kühle Finger strichen eine Haarsträhne aus meinem Gesicht. «Deine Mutter hätte mich umgebracht, wenn ich nicht schon tot wäre.»
«Ma war hier?», murmelte ich und versuchte mich gleichzeitig zu erinnern, was das für ein Ritual war, von dem Finëa sprach.
«Sie ist immer noch hier. Ich kann sie holen, wenn du möchtest», bot Finëa an und ich nickte. Die verstorbene Fey und ehemalige Hogwartsgründerin glitt sanft aus dem Raum und verschwand in einem mit dunklem Holz getäfelten Flur.
Auch das Zimmer, in dem ich mich befand, war teilweise mit diesem dunklen Holz getäfelt, der grösste Teil der Wand war jedoch weiss verputzt. Die Kleidertruhen und die Betten waren ebenfalls aus dunklem Holz – fast so dunkel wie der Rabe, der ein weisses Banner zierte. Jetzt wusste ich, wo ich war: In meinem alten Schlafsaal bei den Finjarelles. Aber wieso war ich hier?
Ma kam in den Schlafsaal gerauscht und eilte direkt auf mein Bett zu. Mir blieb kaum Zeit, mich über das dunkelviolette Kleid zu wundern, dass sie trug. Seit wann trug meine Ma Kleider? Nur das Schwert, dass sie an einem dunkelbraunen Ledergürtel um ihre Taille geschlungen trug, erinnerte noch an die gefährliche Fey, die sie eigentlich war. Das Schwert und die schrägstehenden, grünen Augen, die spitzen Ohren und Zähne.
«Kleines, geht es dir gut?», fragte sie besorgt und strich über mein Haar, meine Stirn und Wangen und über meine Schultern und Arme. Ich versuchte zu nicken, aber plötzlich kullerten mir Tränen über die Wangen. «Scht ... scht ... ist doch alles gut. Alles ist gut, meine Kleine», murmelte Ma und zog mich in ihre Arme.
«Morgen, Miss Seanorth», kam es verschlafen vom anderen belegten Bett. Jessie rieb sich die Augen.
«Es ist Viertel vor acht», erklärte Ma. «Du solltest dich beeilen, Jessie. Es sei denn natürlich, du willst im Pyjama in der grossen Halle erscheinen. Professor Snape wird Kaspar, Cedric und dich wie gestern um acht Uhr zum Frühstück abholen.»
Jessie grummelte etwas, griff nach einem Bündel auf dem Stuhl neben ihrem Bett und verschwand nach einem besorgten Blick zu mir durch eine Tür ins angrenzende Bad.
«Was ist mit Snape? Wieso kommt er her?», fragte ich beunruhigt. Da war etwas, das wusste ich – etwas mit Snape ...
«Keine Sorge», flüsterte Ma mir zu. «Er wird nicht hierherkommen. Finëa lässt ihn nicht durch das Labyrinth.» Sie streichelte weiter fürsorglich mein Haar.
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Undeutbare Zeichen - Adrienne Seanorth 3
FanfictionEine Harry Potter Fanfiction Ein weiteres aufregendes Schuljahr beginnt für Adrienne: Sie ist fest entschlossen, das Geheimnis um ihre Herkunft endlich zu lösen. Doch dieses Vorhaben wird erst einmal von der Ankunft des berühmten Harry Potters in Ho...