Undeutbare Zeichen - Adrienne Seanorth 3

28. Kapitel

Eines Morgens als ich und Kaspar etwas verspätet zum Frühstück die Grosse Halle betraten, blieb ich blinzelnd im Torbogen stehen. Irgendetwas musste mit meinen Augen nicht stimmen oder war hier wirklich alles rosa? Blassrosa Blumen zierten die Wände. Rosarotes, herzförmiges Konfetti schneite vom fahlen Himmel hinab. Und als wäre das nicht schon übel genug, hatte sich am Lehrertisch gerade Lockhart erhoben, gekleidet in einen farblich perfekt abgestimmten blassrosa Umhang.

«Einen glücklichen Valentinstag!», rief Lockhart während Kaspar und ich am Gryffindortisch in Deckung gingen. «Und danken möchte ich den inzwischen sechsundvierzig Leuten, die mir Karten geschickt haben. Ja, ich habe mir die Freiheit genommen, diese kleine Überraschung für Sie alle vorzubereiten – und es kommt noch besser!»

Lockhart klatschte in die Hände und durch das Portal zur Eingangshalle marschierte ein Duzend Zwerge. Freilich nicht irgendwelche Zwerge. Lockhart hatte sie alle mit goldenen Flügeln und Harfen ausstaffiert. Geschmacklos und respektlos obendrein. Kein Wunder waren die Zwerge alle so griesgrämig.

«Meine freundlichen Liebesboten!», strahlten Lockhart. «Sie werden heute durch die Schule streifen und ihre Valentinsgrüsse überbringen. Und damit ist der Spass noch nicht zu Ende! Ich bin sicher, meine Kollegen werden sich dem Geist der Stunde nicht verschliessen wollen. Warum bitten wir nicht Professor Snape, uns zu zeigen, wie man einen Liebestrank mischt. Und wenn wir schon dabei sind, Professor Flitwick weiss mehr als jeder Hexenmeister, den ich je getroffen habe, darüber, wie man jemanden in Trance zaubert, der durchtriebene alte Hund!»

Professor Flitwick begrub das Gesicht in den Händen. Snape sah aus, als ob er den Ersten, der ihn nach einem Liebestrank fragte, vergiften würde. Fred und George war das auch aufgefallen und sie überlegten, wie sie Lockhart dazu bringen könnten, Snape nach einem Liebestrank zu fragen.

Den ganzen Tag über platzten die Zwerge zum Ärger der Lehrer in die Unterrichtsstunden und überbrachten Valentinsgrüsse. Ausgerechnet in Verteidigung gegen die dunklen Künste, wo Lockhart heute von einer seiner unzähligen glorreichen Taten berichtete, bei der er ein Liebespaar gerettet hatte, in dem er einen Werwolf davon abgehalten hatte, die wunderschöne junge Dame zu zerfleischen – ausgerechnet da platzte eine Zwergen-Engel oder Engel-Zwerg herein. Lockhart war gleich ganz gerührt und beobachtete gespannt, zu wem der Zwerg wollte. Wir anderen sahen genauso gespannt und auch etwas belustigt und besorgt zu. Und dann kam der Zwerg ausgerechnet auf mich zu.

«Du! Adrienne Seanorth! Hier ist dein Valentinsgruss», sagte der Zwerg und baute sich vor mir auf.

«Ach wie süss», flötete Lockhart von vorn. «Sie scheinen einen Verehrer zu haben. Ist es wohl Mr Diggory oder Mr Shade?»

Entsetzt sah ich zwischen Kaspar und Cedric – wir hatten Verteidigung mit den Hufflepuffs – hin und her. Kaspar schüttelte entschieden den Kopf, während Cedric beschämt wegschaute. Trotzdem konnte ich noch sehen, wie seine Wange roter wurden als meine Haare.

«Augen schwarz wie die Nacht», begann der Zwerg schrecklich schief zu singen.
«Und eine feuerrote Haarpracht.
Wie eine Löwin zeigt sie Mut,
in allem, was sie tut.
Wo andere verzagen
wird sie sich immer wagen ...»

«Das genügt», sagte ich mit fester Stimme zu dem Zwerg. Er verstummte augenblicklich und sah mich an – paralysiert wie eine Maus Auge in Auge mit einer Katze. Ich war nun die Katze – die Fey – und der Zwerg wusste um das bisschen Feyblut in meinen Adern.

«Wie kannst du es wagen! Du bist ein Valentinsengel ...», begann Lockhart den Zwerg auszuschimpfen. Doch ich unterbrach ihn, indem ich die Hand hob. Ganz bestimmt nicht, wollte ich, dass der Zwerg nun alles abbekam.

Ich hielt dem Zwerg meine Schreibfeder hin und legte ein leeres Blatt Pergament auf den Schreibtisch vor mir. «Schreib es mir auf. Das hält sich länger als ein Lied.»