18. Kapitel

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Der Morgen des ersten Tags in Hogwarts in meiner vierten Klasse, war einer, den ich sicher so schnell nicht wieder vergessen würde. Wie üblich sassen Kaspar und ich mit den anderen Gryffindors aus unserem Jahrgang zusammen in der Grossen Halle und frühstückten. Fred und George waren immer noch verstimmt, weil Harry und Ron sie nicht aus dem Zug zurückgeholt und ebenfalls im Auto mitgenommen hatten. Lee versuchte die beiden aufzuheitern und schlug mögliche Streiche vor. Angelina und Alicia unterhielten sich mit Katie Bell, die ein Jahr jünger war als wir und mit den beiden Jägerinnen im Quidditchteam von Gryffindor war.

Jessie kam vom Slytherintisch herüber und quetschte sich zwischen Angelina und mich, ohne auf Angelinas Proteste zu hören.

«Ich halt es nicht mehr aus!», beklagte sie sich. «Selinn Quinn benimmt sich einfach unmöglich! Das ist diese Reinblut-Zicke, mit der ich mir den Schlafsaal teilen muss», fügte sie erklärend hinzu. Ich nickte. Bisher hatte ich nie mit Selinn zu tun gehabt, aber Jessie hatte sich des Öfteren beklagt, dass Selinn zu der Sorte Hexe gehörte, bei denen der Blutstatus über alles ging. «Sie hat versucht, mir die Leviten zu lesen und gedroht, wenn ich nicht endlich erwachsen werden und anfangen würde mich so zu verhalten, wie man es von der Tochter einer altehrwürdigen, reinblütigen Familie erwarten dürfe, wird sie mich persönlich unter ihre Fittiche nehmen.»

«Seit wann spricht Quinn wie eine Hochwohlgeborene?», spottete Angelina.

«Tut sie nicht, ich habe ihre Worte nur etwas aufpoliert.» Sie schnitt eine Grimasse. «Hatten sich auch nötig, weil 'Halt dich endlich von diesem Schlammblut fern oder ich werde dafür sorgen' weder damenhaft noch erlesen klingt.» Jessie grinste und wir andere kicherten.

«Das ist der Gryffindortisch! Hier dürfen keine Slytherins sitzen!», erklang plötzlich ein entsetzter Aufschrei hinter uns. Ein kleiner, wirklich mickriger Erstklässler starrte Jessie schockiert an. Um seinen Hals baumelte eine Muggelkamera – eine ganz klassische mit Film, die vollkommen mechanisch betrieben wurde und keine dieser brandneuen Digitalkameras, die seit kurzem erhältlich waren. Eine gute Wahl, denn eine Digitalkamera hätte in Hogwarts gar nicht funktioniert – auch wenn das wohl kein Auswahlkriterium für den Erstklässler gewesen war. Der Kamera zufolge war er jedenfalls muggelstämmig und wusste damit wohl auch nicht, dass elektrische Geräte in Hogwarts (eigentlich) nicht funktionierten.

«Hast du Angst, dass eine grosse, böse Slytherin dich zum Frühstück verspeist?», sagte Jessie und fletschte die Zähne. Ihre Augen funkelten belustigt, doch der Erstklässler schien das nicht zu registrieren.

«Harry! Du musst dieses Slytherin-Mädchen hier vertreiben!», quiekte der Kleine und floh ein paar Plätze weiter, wo er sich hinter meinem Bruder versteckte.

«Lass das, Colin. Jessie ist schon in Ordnung», grummelte Harry genervt.

«Ein echtes Kompliment! Und das von demjenigen, der Du-weisst-schon-wen besiegt hat. Danke, Harry!», rief Jessie und winkte ihm begeistert zu. Harry sah aus, als würde er sich am liebsten unter dem Tisch verkriechen.

«Nun, wenn das so weitergeht, wirst du dir bis Halloween ein neues Zimmer suchen müssen, Jessie», meinte Angelina und nahm das Gespräch wieder auf. «Quinn wird bestimmt keine Gryffindor-Sympathisantin im Schlafsaal haben wollen.»

«Klingt so, als würde diese Quinn sich gut mit Cole verstehen», meinte Kaspar.

«Bloss nicht», murmelte ich. Cole war allein schon anstrengend genug.

«Keine Sorge», sagte Jessie, «Selinn erachtete es als unter ihrer Würde, sich mit Leuten anderer Häuser abzugeben. Jedenfalls, habe ich mir überlegt, mir einen anderen Schlafsaal zu suchen, bevor Selinn versucht mich rauszuschmeissen.»

Undeutbare Zeichen - Adrienne Seanorth 3Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt