Ich hatte die Kette nicht umgelegt. Ich hatte sie und den Brief zurück ins schwarze Kästchen gelegt und es zuhinterst in meinem Kleiderschrank versteckt. Am liebsten hätte ich es nie bekommen. Es war wohl wahr, was man sagte: Man sollte aufpassen, was man sich wünschte. Weshalb ich das Kästchen am Tag vor der Rückkehr nach Hogwarts in meinen Koffer packte, verstand ich selbst nicht. Ich sprach nicht viel, irgendwie war ich auch jetzt, Tage später, noch damit beschäftigt, diese Neuigkeit zu verarbeiten. Es machte mich traurig, dass ich jetzt wusste, wer meine leibliche Mutter war, dabei hatte ich immer gedacht, dass ich vor Freude tanzen würde, wenn ich es herausfand. Aber jetzt – irgendwie fühlte es sich so an, als würde ich meiner Familie entrissen, als würde ich nicht mehr zu dieser bunt zusammengewürfelten Familie gehören. Meine vierhundert Jahre alte Fey-Mutter, mein 'Bruder' aus der Vergangenheit, der wie ich ein Obscurial war und die 'Grosseltern' Mr und Mrs Flamel. Diese Familie wollte ich um nichts in der Welt verlieren – und schon gar nicht für etwas so Ungewisses wie meine leibliche Familie, von der zumindest meine Mutter verstorben war. Vergeblich versuchte ich die Gedanken daran abzuschütteln.
Die ganze Fahrt über im Hogwarts-Express sagte ich kaum ein Wort. Ich hatte die Kopfhörer meines Walkmans aufgesetzt und starrte aus dem Fenster, ohne wirklich etwas zu sehen. Auch auf dem Bahnsteig in Hogsmeade schlurfte ich nur hinter meinen Freunden her. Ich verlor sie aus den Augen und stieg deshalb in eine andere Kutsche. Ein Mädchen stieg in die Kutsche, sie sagte etwas, doch wegen der Kopfhörer und der Musik hörte ich sie nicht. Sie setzte sich mir gegenüber und musterte mich neugierig. Sie war eine Gryffindor, hatte buschiges Haar und etwas zu lange Schneidezähne – die Freundin von Harry Potter und Ron. Wie hiess sie noch gleich? Ach ja, Hermine Granger.
Ich konzentrierte mich wieder auf die Musik und sah aus dem Fenster. Vielleicht sollte ich versuchen, eine etwas fröhlichere Miene aufzusetzen. Und mich auf ein Kreuzverhör meiner Freunde vorbereiten. Jessie und Cedric war im Zug nicht entgangen, dass etwas nicht stimmte.
Granger tippte mich schüchtern lächelnd an.
Ich seufzte und setzte die Kopfhörer ab. «Was ist?», fragte ich.
«Ähm ... ich wollte nur ...», druckste sie nervös herum, «ist das ... ist das ein richtiger Walkman, also ein Muggel-Walkman?»
«Gibt's noch andere Walkmans ausser denen?», erwiderte ich genervt.
«Ich weiss nicht», machte Granger. «Es ist nur, wenn es wirklich ein ganz normaler Walkman ist, dann dürfte er hier in Hogwarts eigentlich gar nicht funktionieren.»
Erstaunt zog ich eine Augenbraue hoch. Das war ja mal wirklich interessant.
«Wie kann es also sein, dass er doch funktioniert?», hackte sie nach, mutiger jetzt, da mein Gesicht nicht mehr Verärgerung zeigte.
Ich dachte nach. «Er hat tatsächlich nicht funktioniert!», erinnerte ich mich. Als ich ihn kurz nach meiner Ankunft in Hogwarts hatte aufsetzen wollen, hatte der Walkman nicht funktioniert, auch nicht, als ich die Batterien gewechselt hatte. Ich hatte gedacht er sei kaputt ... «Verdammte Holzsandalen!», fluchte ich. Ich hatte den Walkman an Ma geschickt, damit sie ihn reparieren liess! Mir hätte klar sein müssen, dass sie etwas daran gedreht hatte, damit er trotz Magie funktionierte.
«Was ist? Wieso Holzsandalen?», fragte Granger.
Ich machte eine wegwerfende Handbewegung. Gaius Versuche, mich in der Kunst der Flüche römischer Legionäre zu unterweisen, taten jetzt nichts zu Sache.
Granger beliess es dabei und drängte dafür auf das Thema, das sie wirklich interessierte: «Wie kann es sein, dass der Walkman hier läuft?»
«Meine Ma hat dran rumgebastelt», erklärte ich.
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Undeutbare Zeichen - Adrienne Seanorth 3
FanfictionEine Harry Potter Fanfiction Ein weiteres aufregendes Schuljahr beginnt für Adrienne: Sie ist fest entschlossen, das Geheimnis um ihre Herkunft endlich zu lösen. Doch dieses Vorhaben wird erst einmal von der Ankunft des berühmten Harry Potters in Ho...