13. Kapitel

187 18 0
                                    

Der Samstag kam und Kaspar und ich zogen unsere warmen Winterumhänge an, bevor wir uns vor dem Schlossportal in die Schlange der Schüler stellten, die nach Hogsmeade wollten. Filch beäugte jeden einzelnen Schüler finster, bevor er unsere Namen auf einer langen Rolle Pergament abstrich. Mir kam es vor, als hätte er heute mindestens dreimal so lange, bis er sich endlich überzeugt hatte, dass die Schüler auch wirklich auf der Liste standen. Ehrlich, wieso war es so schwer, einfach die Namen abzustreichen? Eine gründliche Visite war doch eher bei den zurückkehrenden Schülern angebracht, auch wenn Filch auch dann keine Chance hatte, die Knallfrösche, Kitzelmäuse und Was-auch-immer-Zonko-sonst-noch-verkaufte einzukassieren.

Der Weg ins Dorf hinunter lag tief unter Neuschnee begraben, doch es war nicht nur der Schnee, in den einige Schüler bereits eine schmale Spur gebahnt hatten, der mir den Weg heute zigmal so lang erscheinen liess. Heute, heute war endlich der grosse Tag gekommen und Kaspar und ich würden lernen, unsere Obscuri zu beherrschen.

Wir folgten der ausgetretenen Spur nach Hogsmeade und hielten dann nach dem Lokal Ausschau, in dem unsere Ma uns treffen wollte; dem Eberkopf. Und dann fanden wir das Lokal. Entgeistert starrte ich auf das Schild über der Tür einer heruntergekommenen Spelunke, das verkündete, das hier der Eberkopf war. Das konnte doch nicht Mas Ernst sein. Es war die wohl heruntergekommenste Spelunke, die man in Hogsmeade nur finden konnte. Sie hatte weder den geschäftigen Charakter der Drei Besen, der immer vollbesetzt und laut war und in dem ein anhaltendes Kommen und Gehen herrschte, und auch nicht dieses klebrig-süsse Ambiente, das man in Madam Puddifoots Café antraf. Nein, der Eberkopf war eindeutig eine Absteige für die zwielichtigen Personen der Zaubererwelt. Das fing schon bei dem gemalten Eberkopf auf dem Schild an, wo sich jemand Mühe gemacht hatte, den blutigen Halsansatz des Ebers nachzuzeichnen und reichte weiter zu den dreckstarrenden, fast undurchsichtigen Fenstern, die einen Blick ins Innere verwehrten.

Kaspar und ich sahen uns zweifelnd an, bevor wir unsicher die Tür aufstiessen und eintraten. Kein einziger Hogwartsschüler befand sich im Schankraum, der auch sonst kaum besetzt war. Zwei finster aussehende, vierschrötige Kerle sassen sich an einem Tisch gegenüber und sprachen einem grossen Krug dunklen Biers zu. Eine verhutzelte Hexe hatte es sich auf der Bank eines Ecktisches gemütlich gemacht und schnarchte wie ein Sägewerk. Die grosse Sammlung an Gläsern und Flaschen vor ihr legte nahe, dass sie wohl schon seit gestern Abend hier war. Am Tresen stand eine grosse Gestalt in dunklem Umhang, die gemütlich an einem Glas mit einer klaren Flüssigkeit nippte und dabei amüsiert den Wirt beobachtete, der mit einem schmutzigen Lappen die Gläser polierte und den Gast am Tresen so gut wie möglich ignorierte. Dieser Gast drehte sich zum Eingang, als Kaspar und ich beim Öffnen der Tür nicht nur selbst eintraten, sondern gleich noch einen Schwall kalter Luft und eine grosse Menge Schneeflocken mit hereinbrachten.

«Ah, da seid ihr ja», sagte meine Ma fröhlich und winkte uns zu sich an den Tresen.

«Zwei Kinder, Kathleen. Kinder!», empörte sich der Wirt und setzte damit ein Gespräch fort, dessen Anfang Kaspar und ich verpasst hatten. Gespannt verfolgte ich den Streit, der sich zwischen dem Wirt und meiner Ma entspann.

«Wie kannst du das verantworten?!»

«Misch dich nicht in Dinge ein, von denen du keine Ahnung hast, Aberforth!», schoss Ma zurück.

«Keine Ahnung. So wie du? Bis jetzt ist es jedes Mal, wenn du es versucht hast, sträflich schief gegangen!», insistierte der Wirt.

«Aber dieses Mal ist es anders. Dieses Mal wird es klappen!», beharrte Ma.

«Nein, wird es nicht! Weil ich es nicht zulassen werde!», sagte der Wirt entschlossen.

«Sag du mir nicht, was ich zu tun und zu lassen habe, Aberforth!» Die Stimme meiner Ma war wie ein Fauchen und ihr Blick so gefährlich, dass ich, hätte sie mich so angesehen, längst bis nach China gerannt wäre, doch der Wirt hielt ihrem Blick trotzig stand. Stumm starrten sich die beiden an, als föchten sie einen wortlosen Kampf, bis meine Ma mit hocherhobenem Kinn ihren Blick abwandte und Kaspar und mich anlächelte. Ob sie das Blickduell nun gewonnen hatte oder nicht, konnte ich nicht sagen.

Undeutbare Zeichen - Adrienne Seanorth 3Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt