15. Kapitel

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Nachts einen illegalen Drachen vom Schulgelände zu schaffen war keine Angelegenheit, die nur mit Punkteabzug abgestraft werden konnte. Es war der Morgen nach unserem Gespräch in der Bibliothek, an dem Harry, Hermine und Neville jeweils einen Brief erhielten, in dem Professor McGonagall ihnen mitteilte, dass sie an diesem Abend ihre Strafarbeit zusammen mit Hagrid im Verbotenen Wald ableisten würde. Neville schrumpfte schneller in sich zusammen als ein Schrumpftrank wirkte und auch Hermine und Harry wurden bei dieser Neuigkeit blass um die Nase.

«Keine Sorge. Mit Hagrid seid ihr auf jeden Fall sicher», versuchte ich die drei Erstklässler zu beruhigen, doch sie sahen nicht überzeugt aus.

Fred, der es sich neben mir bequem gemacht hatte, brach in Gelächter aus. «Ha, wenn ihr jetzt immer noch Angst habt, dann solltet ihr unsere Adrienne hier mitnehmen, denn dann krümmt euch wirklich kein Monster ein Haar. Nicht einmal ein Grimm.» Doch auch das heiterte die drei kein bisschen auf.

Mich brachte es jedoch zum Nachdenken. Wie kam es eigentlich, dass der Feygeruch so dominant an mir haftete, obwohl ich keinen einzigen Tropfen Feyblut in mir trug? War es einzig die Tatsache, dass ich bei einer Fey aufgewachsen war? Aber hätte der Geruch dann nicht verfliegen müssen, nachdem ich längere Zeit von meiner Ma getrennt gewesen war ...


Die Osterferien brachen an und Kaspar und ich gehörten zu den wenigen Schülern, die in den Ferien nach Hause fuhren. Jessie war empört gewesen: «Ihr könnt doch nicht auf diese wichtige Zeit zur Stoffwiederholung verzichten!» Mussten wir ja auch nicht, wir nahmen unsere Unterrichtsnotizen mit nach Londinium und wenn eine Frage aufkam, gab es sicher irgendjemanden der uns diese beantworten konnte – den Göttern sei Dank für Mrs Flamels gutes Erinnerungsvermögen und ihr Talent im Geschichtenerzählen, denn ohne sie wäre ich bei den Koboldkriegen hilflos verloren gewesen. Und wo Mrs Flamel uns nicht weiterhelfen konnte, gab es immer noch die grosse Bibliothek von Londinium, in der Bücher, Dokumente, Schriftrollen, Karten, Verträge, Skizzen, Berechnungen und und und aus mindestens vier Jahrtausenden gesammelt wurden. Der grösste Schatz an Wissen über die magische Welt in all ihren Facetten, Völkern und Gruppierungen in ganz Grossbritannien.

Wie jeder weiss, vergehen die Tage in den Ferien schneller, dies gilt ganz besonders, wenn man seine Ferien in Londinium zubringt. Es war eine Qual, sich an den Vormittagen mit Stoffwiederholungen und Obscurus-Übungen herumschlagen zu müssen, wenn man diese Zeit doch eigentlich bei Gaius im Amphitheater hätte verbringen können oder in Mr Flamels Alchemielabor. Mit einem Augenzwinkern hatte der alte Alchemist uns vorgeschlagen, uns Nachhilfe in Zaubertränke zu geben und nun experimentierten wir mit der Fertigung von magischen Amuletten verschiedensten Zwecks. Aus diesem Grund hatte ich die Kette, die meine Mutter mir hinterlassen hatte, wieder aus dem Kästchen im hintersten Winkel meines Schrankkoffers gekramt.

Seit Weihnachten hatte ich die Schachtel, die die filigrane, silberne Kette und den fein gearbeiteten Anhänger in Form einer Blume, in deren Mitte ein bläulich schimmernder Mondstein eingearbeitet war, nicht ein einziges Mal mehr geöffnet. Es hatte sich immer falsch angefühlt – nun gut, ich hatte sie seither auch nur ein einziges Mal in der Hand gehabt, aber da hatte es sich wirklich falsch angefühlt sie zu öffnen. Das nahm ich zum Anlass, die Kette genauer zu untersuchen, und ich legte sie in ein Wasserbad, zu dem ich die geriebenen Kerne eines Lichtapfels hinzugab, damit mögliche Zauber einfacher aufspürbar wurden. Tatsächlich stellte sich heraus, dass diverse Schutzzauber auf dem Amulett lagen.

«Da wollte jemand kein Risiko eingehen», murmelte Mr Flamel, als er den Anhänger genauer untersuchte. «Diese Zauber schützen gegen eine ganze Menge von Bedrohungen, allerdings sind sie zum Teil widersprüchlich und einige wurden mit schwarzer Magie gewoben. Zudem sind sie auf eine ganz bestimmte Person zugeschnitten. Hmm.» Nachdenklich starrte Mr Flamel auf den Anhänger, der immer noch im Wasser lag. «Ich denke, es ist das Beste, wenn ich sämtliche Zauber löse und wir einen neuen alchemistisch-basierten Schutz erstellen.»

Undeutbare Zeichen - Adrienne Seanorth 3Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt