Er wußte nur vom Tod, was alle wissen:
daß er uns nimmt und in das Stumme stößt.
Als aber sie, nicht von ihm fortgerissen,
nein, leis aus seinen Augen ausgelöst,
hinüberglitt zu unbekannten Schatten,
und als er fühlte, daß sie drüben nun
wie einen Mond ihr Mädchenlächeln hatten
und ihre Weise wohlzutun:
Da wurde ihm die Toten so bekannt,
als wäre er durch sie mit einem jeden
ganz nah verwandt; er ließ die andern reden
und glaube nicht und nannte jenes Land
das gutgelegene, das immersüße -
und tastete es ab für ihre Füße.
~RielkeWenig später stand Alex bei uns auf der Türmatte und klingelte Sturm. "Was hast du ihm erzählt?" fragte ich müde, aber ganz leicht belustigt. Sofort musste ich wieder weinen. Wie könnte ich nur lachen wenn es meinem Vater so schlecht ging? "Die Wahrheit." Mit diesen Worten ging Veronica nach unten und ließ Alex herein. Ich hörte die beiden unten im Flur sprechen, hörte aber nicht hin. Ich war total erschöpft. Langsam fielen mir die Augen zu.
Stunden später wurde ich wieder wach. Für einen kurzen Moment hatte ich vergessen, was geschehen war, doch dann holte es mich ein, und es nahm mir fast den Atem. Ich drehte mich zur Seite, schnappte mir das Bild von meiner Mutter und drückte es mir an die Brust. Ich hatte schon ein Elternteil verloren, das andere durfte einfach nicht sterben. Und da traf ich eine Entscheidung. Ich würde kämpfen. Ihn nicht verlieren. Ihn nicht verlieren lassen. Wie auch immer. Langsam stand ich auf. Mit einem ziemlich üblen Tunnelblick wehrte sich mein Körper, doch das war mir egal. Als der Schwindel verschwinden war, tapste ich aus meinem Zimmer nach unten in die Küche. Von dort hörte ich Veronica und Alex reden. Ich schien eine Weile geschlafen zu haben, denn es war schön wieder hell draußen. Als ich die Küche betrat verstummte das Gespräch und Alex und Veronica kamen auf mich zugeeilt und umarmten mich. Ich umarmte zurück, aber nur kurz. Dann machte ich mich von ihnen los und trat einen Schritt zurück. Ich wollte gerade den Mund aufmachen, da kam mir ein böser Verdacht. Die beiden.... Und Papa.... Was wenn.... "Wie geht es Papa?" fragte ich leise, aber mit sichtlicher Angst in der Stimme. "Vorhin hat die Uniklinik Magdeburg nochmal angerufen. Er lebt. Aber er liegt im Koma." Antwortete Alex vorsichtig, so als hätte er ebenfalls Angst, aber vor meiner Reaktion. Erleichtert atmete ich aus. Er lebte. "Ich will zu ihm." Niemand wiedersprach mir.
Kurz darauf saßen wir im Auto. Ich hatte ein Buch aufgeschlagen auf meinem Schoß liegen, doch konnte mich bei besten Willen nicht darauf konzentrieren. Andauernd glitten meine Gedanken zu meinem Vater, und so starrte ich nur aus dem Fenster und beobachtet, wie die Landschaft an mir vorbei zog. Und das Buch blieb die ganze Fahrt lang, aufgeschlagen auf Seite 7, auf meinem Schoß liegen.
Kaum waren wir vier Stunden später in Magdeburg angekommen sprang ich aus dem Auto. Alex und Veronica hatten Mühe, mir hinterher zu kommen. Doch schließlich holte Alex mich ein und packte mich am Arm. "Langsam. Du kannst noch früh genug zu ihm." So langsam, dass auch Veronica uns innerhalb kürzester Zeit eingeholt hatte, gingen wir auf den Krankenhauskomplex zu. Obwohl dieser riesig war und aus ziemlich vielen Gebäuden bestand führte uns Alex zielstrebig zum Hauptgebäude. "Hab hier kurze Zeit gearbeitet, nach dem Studium." murmelte er erklärend, als Veronica ihn fragte, ob er überhaupt wusste, wo er uns hinführte. Am Empfangstresen des Hauptgebäudes blieben wir stehen und fragten nach meinem Vater. Die junge Dame dahinter sah uns erstaunt an. "Noch mehr Besuch für den Herrn Meisner..." Noch mehr? Wer sonst fuhr für ihn nach Magdeburg? "Hmmm.... Gehen sie Mal hoch." Alex nickte und zerrte uns in einen Aufstuhl. Noch bevor ich realisieren könnte was er gerade getan hatte schlossen sich die Türen und ich fand mich eingeschlossen in einem Fahrstuhl wieder. Eine Gänsehaut lief mir den Nacken herunter. Schnell drückte ich auf den Knopf der Nächst höheren Etage und sobald sich die Tür öffnete sprang ich hinaus. Verwundert folgten Alex und Veronica mir. "Was war denn gerade los?" "Egal. Erklär ich ein anderes Mal. Können wir bitte Treppen laufen?" "Wenn du meinst?" Alex sah nicht so aus, als hättet Lust darauf, aber er riss sich zusammen und so stiegen wir die ganzen Treppen hoch bis zur Intensivstation. Dort roch es unerträglich nach Krankenhaus - logisch - und nach Tod. Eine zweite Welle der Gänsehaut erfasste mich.
Als wir an der (?) Schwesternkanzel nach meinem Vater fragten, wurden wir erstmal komisch angesehen. "Er hat bereits Besuch. In welchem Verhältnis stehen sie zu ihm, wenn ich fragen darf?" "Ich bin sein Neffe, das dort ist seine Tochter und das Au-Pair Mädchen der Familie." Stellte uns Alex der Reihe nach vor. Dabei bedachte er uns mit einem Blick, der uns fragte, ob wir überhaupt die geringste Ahnung hatten, wer noch bei meinem Vater sein könnte. Hatten Werder ich und Veronica. "Tochter? Aber.... Ach egal. Am besten sie warten noch kurz, so viel Besuch auf einmal wäre nicht hilfreich." Verständnisvoll nickte Alex und zog und zum Wartebereich. Schnell machte ich mich los. "Du brauchst mich nicht immer in der Gegend rumzuzerren, ich kann auch selbst laufen." schnauzte ich ihn an. Fast sofort tat es mir leid. "Sorry. Ich bin nur so verwirrt und überfordert." Veronica nahm mich in den Arm. "Alles wird gut..." Flüsterte sie in mein Haar. Ich ließ mich auf einen der Steinharten Stühle fallen und seufzte. "Habt ihr eine Ahnung wer das sein könnte?" Die beiden wussten sofort von wem ich redete. "Ich habe keine Ahnung. Zumal man als einfacher Bekannter nichteinmal zu dem Patienten gelassen wird. Ich war mir schon bei Veronica nicht sicher, ob sie mit rein darf." "Ich muss auch nicht..." "Aber ich brauche dich." Ich klammerte mich an Veronica und schloss die Augen.
Durch den Stress, der mich schon seit dem Anruf begleitete musste ich wohl so müde gewesen sein, dass ich nocheinmal weggenickt war. Ich wachte durch ein Stimmengewirr auf und öffnete die Augen. Gerade sah ich, wie eine Frau und zwei Mädchen das Zimmer meines Vaters verließen. Und da zersprang mein Herz in tausend eisige Stücke, die sich von innen in meinen Brustkorb bohrten. Ich hatte ja schon öfters die wage Vermutung, dass er eine neue Familie gegründet haben könnte, aber das.... Es Zerriss mir das Herz. Wie benebelt sprang ich auf und rannte in das Zimmer meines Vaters. Sofort folgten mir Alex und die Frau. "Was machen sie hier im Zimmer meines Lebensgefährten?" Ich sank auf einem Stuhl zusammen und fing an zu weinen. "Mein Mann muss sich ausruhen. Könnten sie sich bitte entfernen? Sonst muss ich eine Schwester rufen..." Noch bevor Alex, an den die Worte gerade eben gerichtet waren, auch nur einen Mucks sagen konnte sprang ich auf. "Warum ich hier bin? Ich. Bin. Seine. Tochter!"
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Und über uns die Sterne [ASDS]
FanficNach außen hin Scheint Kassandra das perfekte Leben zu führen: Reicher Vater, Gute Noten, in der Schule beliebt. Aber ihr Leben ist alles andere als perfekt. Ihre Mutter ist tot und ihr Vater kaum da. Ihre einzige Stütze im Leben ist ihre beste Freu...