24 - Soviel dazu.

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Durchs große Tor ging es hinein,
heraus durch dessen Türe.
Dazwischen lag das Einsamsein
für falsche Kavaliere.

Das Tor war groß, die Türe klein,
nur wenige entkamen.
Heut muß die Knasttür größer sein:
Fast größer als ihr Rahmen.
                                         ~Schaarschuh

"Und seit wann kennt ihr euch? Du und Sina?" Jetzt war ich verwundert. "Ich glaube nicht dass ich ihren Namen schon erwähnt hatte..." murmelte ich. Linda lachte. "Ihre Eltern sind beide Ärzte hier. Als sie kleiner war hat Suzann sie manchmal mit genommen und sie dann in ein leeres Zimmer gesetzt, ihr einen Film angemacht und hat gearbeitet. Daher kenne ich sie." "OK..." Da hätte ich auch selber drauf kommen können. Mein Gehirn war wohl noch nicht so schnell. Unauffällig schielte ich zu der Tür, als sich der Fahrstuhl sachte ruckelnd in Bewegung setzte. "Wir hatten beide die gleiche Tagesmutter. Als wir uns dort zum ersten Mal sahen beschlossen wir sofort, beste Freunde zu werden. So haben es unsere Eltern immer erzählt. Ich war erst zwei, ich erinnere mich kaum daran." "Das klingt nach einer tollen Geschicht..." Linda beendete ihren Satz nicht mehr, denn auf einmal gab es einen Ruck, und die Lichter gingen aus. Der Fahrstuhl bewegte sich nicht mehr. Ich fing ungewollt an zu zittern, und vergrub meinen Kopf in meinen Händen. Soviel dazu. Dass es mir nicht so gut geht bemerkt nun auch mein Herz, denn es fängt an zu rasen. "Alles wird gut, Kassandra, uns kann nicht passieren." Linda versucht mich zu beruhigen, aber ihre Stimme zittert. Sie kniet sich vor mich hin. "Ich bin verflucht." murmelte ich. Verwirrt und aus dem Konzept gebracht sah Linda mich an. "Wie kommst du denn da drauf?" "Aufstühle... Nein sorry es heißt Aufzüge, bleiben irgendwie immer liegen -oder hängen, wie man es nimmt- wenn ich drin bin. Ich Schlucke heftig und versuche mein hüpfendes Herz unter Kontrolle zu bringen. Leicht besorgt blickt Linda auf das EKG in meinem Schoß. "Alles wird gut, wir kommen hier raus. Und das ist sicher nur ein ganz großer Zufall." Sie friemelte umständlich ein kleines Telefon auf ihrer Brusttasche und stand auf. Hektisch begann sie, auf jemanden einzureden, doch ich bekam es gar nicht mehr so richtig mit. Die Welt rückte von mir weg, ich beobachtete alles merkwürdig distanziert. Ich wusste selber, dass das kein gutes Zeichen war, und versuchte, dagegen anzukämpfen. Das war gar nicht so einfach. Da kniete sich Linda wieder vor mich. Leise drängen ihre Worte zu mir durch. "Kassandra? Alles wird gut. Gleich kommt jemand und holt uns hier raus. Alles wird gut. Beruhige dich. Alles wird gut. Wir kommen hier raus." Sie nahm meine Hand und streichelte mir über den Handrücken. Diese Berührung war wie ein Anker, der mich zurück in meinen Körper zog. Ich sackte in mich zusammen und versuchte ein Weinen zu unterdrücken. Enge Räume, vor allem Aufzüge, möchte ich noch nie. "Hey Kassandra. Erzähl mir doch Mal was über deine Eltern." Mir war klar, dass sie mich ablenken wollte. Ihr wiederum schien nicht klar zu sein, dass diese Frage nicht den gewünschten Effekt haben würde, sondern ehr einen Gegenteiligen. Möglichst gefasst versuchte ich ihr zu antworten. "Meine Mutter ist gestorben als ich fünf war. An einem Tumor. Und mein Vater... Er ist seitdem fast nur noch auf Geschäftsreisen. Jetzt stahlen sich doch Tränen in meine Augen. "Oh Gott, das tut mir Leid!" "Brauch es nicht. Ich hab mich damit abgefunden. Ich habe schließlich Veronica, Phil und Suzann. Und Sina." "Es ist toll so gute Freunde zu haben. Und wer ist Veronica?" "Mein Au-Pair Mädchen. Sie ist total lieb." "Wo kommt sie denn her?" "Aus Frankreich. Valence. Sie hat versprochen mich dorthin mitzunehmen wenn sie geht. Also für ein paar Tage." "Das klingt doch toll. Warst du schon Mal in Frankreich?" "Ja, in Paris. Ich habe Pa... Meinen Vater auf eine Geschäftsreise begleitet." "Und sonst? Bist du viel verreist? Wo warst du alles schon?" "Eine Zeit lang bin ich manchmal mit meinem Vater mitgekommen. Japan, Kenia, Amerika. Boston hat mir besonders gut gefallen. Norwegen, Russland. Und außerdem war ich noch in England, Spanien und Portugal, aber das mit anderen Au-Pair Mädchen die mich mit zu sich nach Hause genommen haben." Linda lachte. "Dann hast du ja schon einiges von der Welt gesehen. Ich bin nie weiter als Berlin gekommen." Das Licht ging so plötzlich wieder an, dass wir beide zusammenzuckten. Geblendet blinzelte ich ein paar Mal, dann setzte sich der Fahrstuhl wieder in Bewegung. Synchron atmeten wie auf. Als die Türen aufgingen, floh Linda geradezu aus dem Fahrstuhl. "In nächster Zeit nehme ich lieber die Treppe."

Als wir herein kamen, sah das Mädchen, dass wohl meine Zimmergenossinnen werden sollte, von ihrem Buch auf und musterte mich kurz, dann strahlte sie mich an. "Hallo!" begrüßte sie uns überschwänglich. "Hallo." grüßte ich einsilbig zurück. Ich musste erstmal verdauen, was gerade geschehen war. Wortlos half mir Linda in mein Bett und verabschiedete sich dann. "Hallo. Ich heiße Jessie, und du?" "Kassandra." Ich drehte mich zu Jessie. "Alles OK mit dir? Du wirst ein bisschen... Mitgenommen." Ich grinste schief. "Wir sind im Aufzug hängen geblieben." Jessie lachte. "Oh Gott. Ich hoffe ja, dass mir sowas niemals passiert." Ihr Lachen war so ansteckend, dass ich einfach einstimmen musste. "Dann darfst du niemals mit mir Aufstuhl -sorry Aufzug- fahren." "Sagst du auch immer Aufstuhl?" Jessie grinst mich an. "Ja!" "Ich auch. Es klingt einfach lustiger." Nach wenigen Minuten waren wie vertieft in ein Gespräch über Aufzüge und Wortneuschöpfungen. Es war so einfach, mit Jessie zu reden. Sie war offen und freundlich, und innerhalb der nächsten Viertel Stunde hatte ich die kleine Strapaze, die der Weg hier her mit sich gebracht hatte, und die Sorge wegen des EKGs schon wieder vergessen. "Weshalb bist du hier? Ich bin krank und mein lieber Vater Mister Übervorsichtig meinte, mich unbedingt ins Krankenhaus schleppen zu müssen. Gut, vielleicht war es doch nicht ganz so eine schlechte Idee, aber trotzdem." Sie hustete ein bisschen. "Bei uns hat der Sturm den Keller überflutet und unter Strom gesetzt. Vermutlich kannst du dir denken was passiert ist." Sie nickt. "Stromschlag? Du Arme. Und wie hast du das Ding verdient? Es ist doch nicht normal dass man sowas auch auf der Kinderstation hat." Sie nickte in Richtung des EKGs. "Das wollte ich schon die ganze Zeit fragen, aber ich hab mich nicht getraut." gab sie leicht errötend zu. Ich seufzte leise auf. "Das, meine Liebe, wüsste ich auch gerne."

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