23 - Wo bin ich hier?

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Die schönsten Farben sind die späten:
ganz friedensselig, reif und rein.
Gewoben sind in ihre Ruhe
die Jahressegnungen hinein.

So schaut die reife Menschenseele
die Helle höchster Farbenpracht
und das Geheimnis letzten Leuchtens
just an der Pforte letzter Nacht.
~Knodt

Kassandra PoV

Da waren sie wieder. Die Farben die es nicht gab. Verzückt betrachtete ich sie, wie sie um mich herum waberten. Ich musste sie Sina zeigen. Diese wäre so beigeistert! Mit diesem Vorsatz öffnete ich die Augen. Noch einen kurzen Moment sah ich die Farben, dann verflüchtigten sie sich und gaben den Blick auf etwas Weißes frei. Alles war weiß. Ich brauchte eine Weile, um zu realisieren, dass das eine Zimmerdecke war. Vorsichtig bewegte ich den Kopf. Aber es änderte sich nichts. Es war weiterhin einfach alles weiß. Bis auf etwas neben mir. Ein Bildschirm. Ich musste im Krankenhaus sein. Aber warum konnte ich mich nicht erinnern. Neben mir knallte etwas und mein Kopf fuhr herum. Ein Erinnerungsfetzen blitzte vor meinem Inneren Auge auf. Veronica, auf der Treppe zum Keller. Was zur Hölle hatte sie da gemacht? Ich versuchte krampfhaft, mich zu erinnern, aber die Erinnerungsfetzen entglitten mir immer wieder. Der Knall stammte von einem Ast, der gegen ein Fenster geschlagen war. Noch eine Erinnerung. Mein Zimmerboden, bedeckt mit Glasscherben. Eine Tür, die ich gar nicht bemerkt hatte, was ich Nachhinein selbst komisch fand, schließlich ist es logisch, dass ein Raum auch eine Tür hat, öffnete sich und jemand betrat den Raum. "Oh, du bist wach." Goldene Locken umrahmten ihr Gesicht, und für einen Moment des Irrationalen Denkens überlegte ich, ob ich nicht vielleicht gestorben und das da ein Engel war. Den Gedanken verwarf ich aber sofort wieder. So wie es hier roch... Und aussah... War ich im Krankenhaus. Mal wieder. Jetzt betrachtete ich die Frau genauer, die demnach eine Ärztin oder Krankenschwester sein musste. "Ich geh Mal einen Arzt holen." Vermutlich eine Schwester. Sie verließ rückwärts mein Zimmer und kam kurz darauf mit drei Personen im Schlepptau wieder. Der erste Mann, der mein Zimmer betrat hatte einen weißen Kittel an. Der Arzt also. Der zweite... Phil. Und hinter ihm Suzann. Auf meine Lippen schlich sich ein Lächeln. Und auch sie, alle vier, lächelten mich an.

"Schön dass du wach bist Kassandra. Ich bin Frederik Seehauser, dein behandelnder Arzt." Er wirft einen routinierten Blick auf Monitore neben mir, die ich bisher noch gar nicht bemerkt hatte. "Erinnerst du dich, was passiert ist?" Langsam nickte ich. "Ein bisschen." krächzte ich dann. "Was mit Veronica passiert ist, ja. Warum ich jetzt hier liege, nein. Wie geht es Veronica?" "Ihr geht es gut." Phil stützte sich rückwärts auf das Fensterbrett und lächelte mich aufmunternd an. "Wirklich? Oder sagst du das jetzt nur so weil es mir nicht gut geht?" "Wirklich." Antwortete jetzt die Krankenschwester für Phil. Noch einmal knallte der Ast gegen das Fenster, und Phil machte schnell einen Schritt vorwärts. Ein Bild flackerte über mein inneres Auge. Ein Scherbenmeer auf weißem Teppich und Parkett. Ein Telefon klingelte. Der Ton rief bei mir hämmernde Kopfschmerzen aus. Der Arzt fischte es aus seinen Kittel. "Mhm. Ja ich komme." Er drehte sich um und eilte aus dem Raum. Wir sahen ihm hinter. "Phil?" "Ja?" "Ich glaube der Sturm hat eines meiner Fenster zertrümmert. Könntest du dir das gleich Mal ansehen?" Als Phil eine Augenbraue hoch zieht, kam mir ein erschreckender Gedanke. "Wenn ich hier bin... Wie lange war ich weg?" "Vier Stunden." Erleichtert atmete ich auf. "Da es dir ganz gut zu gehen scheint lass ich euch Mal alleine. Wenn was ist drück einfach den Knopf da." Die Krankenschwester meldete sich zu Wort. Dann verließ auch sie das Zimmer.

"Du hast uns einen ganz schönen Schrecken eingejagt." Phil lächelte mich erleichtert an. "Aber jetzt ist ja alles gut." Ergänzte Suzann. Ein Handy plingte und Suzann zog ihres aus ihrer Handtasche. "Es ist Sina. Sie kommt gleich." Ich lächelte schwach. "Schön." Ich freute mich wirklich darauf, Sina zu sehen. Doch noch bevor sie mein Zimmer betrat schlief ich ein.

Als ich das nächste Mal erwachte, sah ich in das Gesicht des 'Engels.' "Du bist wach, wie schön. Wir verlegen dich jetzt auf die Normalstation." Ich sah sie freudig überrascht an. "Jetzt?" "Ja jetzt." Ich ließ meine Finger unter mein Shirt gleiten, um die Elektroden des EKGs von meiner Brust zu entfernen, doch die Krankenschwester hielt meine Hand fest. Erstaunt blickte ich auf. Jetzt war sie mir so nah, dass ich das Namensschild lesen konnte, das an ihrer Brust befestigt war. Linda Bär. "Lass das Mal bitte dran." Entgültig verwirrt runzelte ich die Stirn. Was wollte sie denn jetzt? "Sorry. Hab ich was falsch verstanden? Normalerweise wird man doch davon befreit wenn man von der Intensiv runter darf..." Für einen winzigen Moment, so kurz, dass ich später dachte, es mir nur eingebildet zu haben, verzog sie das Gesicht zu einer mitleidigen Grimasse. Dann fing sie sich wieder und lächelte mich sanft an. "Ich schicke dir gleich nochmal den Arzt aufs Zimmer. Der kann dir das erklären." Mit diesen Worten machte sie mir Angst. War irgendwas? Hoffentlich nichts schlimmes. Linda fing an, jetzt doch an den Elektroden auf meiner Brust herumzuwerkeln, doch sie schloss nur ein anderes, kleineres, tragbares EKG an. Dieses drückte sie mir in die Hand, verfrachtet mich in einen Rollstuhl und schob mich aus meinem Zimmer. Der Gang, auf den wir, oder besser gesagt Linda, ich saß ja im Rollstuhl, hinaustraten, war genau so steril weiß wie das Zimmer. Es war kaum jemand hier. Weiter hinten im Gang standen zwei Personen, die die Köpfe zusammengesteckt hatten und redeten. Auf den zweiten Blick erkannte ich, dass es sich bei einem der beiden um Phil handelte. Linda folgte meinem Blick. "Ist Phil dein Onkel oder so? Er und Suzann haben sich schon ganz schön Sorgen um dich gemacht." Ich schüttelte den Kopf. "Schön wenn's so wäre." murmelte ich niedergeschlagen. Die Frage erinnerte mich mit einem Schlag wieder an meinen Vater. Linda sah mich fragend an, während sie langsam den Rollstuhl in die entgegengesetzte Richtung drehte und losging. "Er ist der Vater meiner besten Freundin Sina." "Du musst ziemlich eng mit ihr befreundet sein, wenn ihre Eltern sich so um dich sorgen." Ich Lächeln gleitet auf mein Gesicht. "Oh ja, das sind wir." Wir betraten einen Fahrstuhl und sofort fühle ich mich ein bisschen beklemmt,aber ich schiebe das Gefühl zur Seite. Es wird schon nichts passieren. So viel Pech kann ein Mensch nicht haben.

Und über uns die Sterne [ASDS]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt