22.1 - Du schaffst das!

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Seele des Menschen,
Wie gleichst du dem Wasser!
Schicksal des Menschen,
Wie gleichst du dem Wind!
~Goethe

Phil PoV

Schon als Quentin (aka Unbekannt 2) uns ins Wohnzimmer rief, hatte ich ein mulmiges Gefühl in der Magengegend. Erst Veronica und jetzt auch noch Kass... Und als ich dann Kassandra so sah, blass an der Wand sitzend, da rutschte mir kurz das Herz in die Hose. Obwohl ich nicht ihr Vater war, war sie wie eine Tochter für mich. Ich hatte immer das Gefühl mich so um sie kümmern zu müssen wir es ihr Vater nie tat. Mit drei großen Schritten war ich bei ihr und Björn stand auf, um mir Platz zu machen. "Wir vermuten dass sie einen Stromschlag abbekommen hat, ihr Fuß ist nass. Dazu würde auch passen, dass sie tachykad ist." Mit einem leicht verirrten Blick auf mich klärt Quentin mich auf. Ich lächele ihn gezwungen an. "Danke. Oli wollte direkt los. Hast du schon nachbestellt?" "Das können wir machen." Julius bestellte einen RTW und einen NEF nach. Inzwischen war auch Jacky bei uns angekommen und ließ den Rettungsrucksack neben mich fallen. Ich konnte nicht umhin, sie zurechtzuweisen. "Vorsichtig!" "Jaja." murmelte sie. "Kassandra? Kassandra? Kannst du mich hören?" Ich tätschelte ihr Wangen und griff ihr in die Kieferwinkel, doch nichts. Keine Reaktion. Besorgt legte ich einen Arm um sie und legte sie hin. Dann griff ich nach ihrem Handgelenk und Maß ihren Puls. Tachykad, mit dem einen oder anderen Stolpern, aber kräftig. Etwas beruhigt überlegte ich, wann sie in das Wasser getreten war. Bevor Veronica es auch getan hatte? Sicher nicht. Dann hätte sie sie doch gewarnt. Am wahrscheinlichnlichsten schien mir, dass sie bei dem Versuch, Veronica die Treppe hoch zu ziehen, mit dem Fuß ins Wasser gekommen sein musste. Aber das tat gerade nichts zur Sache. "Da ich nicht vermute, dass du Raus in die Hölle gehen willst um das zweite EKG aus dem Auto zu holen, Jacky, würde ich vorschlagen damit warten wir auf den zweiten RTW. Aber einer von euch könnte schon Mal einen Zugang legen." Ich versuchte noch einmal, Kassandra aufzuwecken, aber sie bleib bewusstlos. "Da hast du ganz Recht Doc. Aber ich hab hier noch einen Fingerclip." Jacky clippte das Teil an Kassandras Finger und lächelte mich an. "Woher kennst du sie?" "Sie ist die beste Freundin meiner Tochter." "Du hast eine Tochter? Das wusste ich gar nicht..." "Jetzt weißt du es." Ich war nicht in der Stimmung für ein Gespräch. Jacky war noch neu und unserer Truppe und sehr neugierig. Ein Funkgerät rauschte. "Quentin? Ich glaube Oli will los." Quentin sprang auf. "Kommt ihr kurz allein klar?" Mit einem entschuldigenden Blick verschwand er.

Nach zwei weiteren endlosen Minuten kam das zweite Rettungsteam ins Wohnzimmer, angeführt von meiner geschätzten Kollegin Debbie Fischer. Ich war einfach nur froh dass es nicht Alex war. Das wäre ein Drama geworden. "Sag Phil. Was haben wir hier?" Ich stand auf und rieb mir das Gesicht. "Kassandra Meisner, Zustand nach Stromschlag, nicht ansprechbar, tachykad." Debbie kniete sich an meine Stelle und in diesem Moment wünschte ich mir dringend, Kassandra helfen zu können. Aber ich war nicht im Dienst, und in den Händen meiner Kollegen war sie jetzt am besten aufgehoben. Ich wusste ja selbst, wie sehr es störte, wenn jemand versuchte, sich in die Behandlung zu drängen. Mir wären die Hände gebunden. Und das störte mich so sehr wie noch nie.

Hinter mir räusperte sich jemand und ich drehte mich um. "Wie gut kennst du die Räumlichkeiten hier?" fragte mich Julius. "Ziemlich gut, wieso?" "Dann weißt du, wo der Sicherungskasten ist?" Ich seufzte leise. "Unten im Keller. Aber so wie ich das beurteile ist die Sicherung eh vorhin rausgeflogen." "Kannst du trotzdem kurz mitkommen und uns Zeigen wo er ist?" "Klar." Erst später viel mir auf, dass die beiden den Sicherungskasten wahrscheinlich schon gesehen hatten. Ich denke, sie wollten den Sanis und mir einen Gefallen tun und mich ablenken. Ich lief also bis zur Treppe und Zeige auf den Kasten. "Da." Die Feuerwehrmänner nicken bedächtig und fangen an, sich leise zu unterhalten. Verloren stehe ich auf der Treppe, nicht wissend, was ich jetzt tun soll. Hoch gehen oder hier bleiben? Das Klingeln meines Handys unterbrach meine Gedanken. Ich zog es aus meiner Hosentasche und sah auf den (ich wollte gerade ernsthaft 'das' Schreiben xD) Bildschirm. Ein leichtes lächeln schlich sich auf meine Lippen. Es war Suzann. Ich ging ran. "Phil? Hallo?" "Hallo Suzann." "Ist alles in Ordnung? Was ist mit Kassandra? Und Veronica?" Ich hatte ihr vorhin in aller Kürze von meinem Telefonat mit Kassandra erzählt, bevor ich aus dem Haus gestürmt war. Ich lief langsam sie Treppe wieder hoch und überlegte, ob ich Suzann die Wahrheit sagen sollte. Sie würde sich nur wieder Sorgen und Vorwürfe machen... Aber sie hatte die Wahrheit verdient. "Die beiden ahnen jeweils einen gehörigen Stromschlag bekommen, es geht ihnen aber den Umständen entsprechend ganz gut." Weder eine Lüge noch die ganze Wahrheit. "Dann ist ja gut. Fährst du noch mit ihnen ins Krankenhaus?" Darüber musste ich nochmal kurz nachdenken. Doch bevor ich zu einem Schluss kam, betrat ich das Wohnzimmer und mir blieb beinahe das Herz stehen. Meine Kollegen waren dabei Kassandra zu reanimieren.

"Hände weg von Patienten! Und Schock!" rief Debbie in diesem Moment. Wohl laut genug, dass es auch Suzann hören konnte. "Phil? Was ist da los? Bitte sag mir es ist nicht das was ich denke." Suzanns Stimme war höher als gewöhnlich und angsterfüllt. "Es... Es tut mir leid..." stotterte ich. "Aber das kann ich nicht." Das durfte doch nicht wahr sein! Nicht sie. Nicht Kassandra. Sie war noch so jung! Das Schicksal hatte ihr in den letzten Jahren oft Mal übel mitgespielt aber das hatte sie einfach nicht verdient. Ich schüttelte mich kurz. "Suzann? Ich rug dich gleich nochmal zurück." Damit legte ich auf. "Kann ich irgendwie helfen?" Ich trat ein paar Schritte an Kassandra heran. "Bist du dir sicher dass du das kannst?" Franco sah mich besorgt an. Ich nickte entschlossen. Wenn ich es nicht versuchte und Kassandra jetzt hier starb, würde ich mir das nie verzeihen können. "Dann lös Mal Dustin beim Drücken ab." Das ließ ich mir nicht zwei Mal sagen. Ich ließ mich neben Kassandra fallen. "Auf fünf wechseln wir."

28...29...30. "Hände weg! Schock!" Ich warte kurz auf die Analyse des EKGs, bevor ich weiterdrücke. Und siehe da, Kassandras Herz fing wieder an gleichmäßig zu schlagen. Mir fiel gleich ein ganzer Felsbrocken vom Herzen. Auch den anderen Schien es ganz ähnlich zu gehen. Es war nie leicht, Kinder zu reanimieren. Aber wir hatten es geschafft. Ich lächelte leicht. Ich wusste, dass Kassandra damit noch lange nicht durch war, aber fürs erste war sie weg vom Fenster.

Keine fünf Minuten später saß ich im Auto und fuhr in Richtung Krankenhaus. Ich drückte einen Knopf an der Konsole. "Was kann ich für sie tun?" fragte mich das Auto. "Suzann anrufen." "Suzann wird angerufen." Schon nach dem ersten Klingeln ging Suzann and Telefon. "Phil! Wie geht es ihr?" "Sie lebt. Den Rest kann ich dir nicht sagen. Ich bin auf dem Weg in die Klinik." "Freut mich das zu hören. Pass auf dich auf." "Mach ich. Ich liebe dich." "Ich dich auch." Dann legte ich auf und fuhr auf den Parkplatz des Krankenhauses.

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