Chase
Emiliana und ich hatten den gesamten Sonntag bei mir verbracht. Morgens mit ihr in den Armen aufzuwachen, war das beste Gefühl, was ich seit langem gehabt hatte. Schon nach diesem einem Mal mit ihr gemeinsam aufwachen, wusste ich, dass ich süchtig danach war. Morgens aufzuwachen und sie in den Armen zu haben, war mit keinem anderen Gefühl auf dieser Welt zu vergleichen. Wir hatten den Sonntag zum größten Teil im Bett verbracht. Wir waren gemeinsam duschen gewesen, hatten wieder miteinander geschlafen und einfach nur gekuschelt. Abends hatte ich sie nach Hause gefahren, nicht weil ich das unbedingt wollte, sondern weil Lia der Meinung war, dass es für uns beide am besten wäre, wenn wir am Montag ausgeschlafen in die Schule gehen würde. Sie hatte Recht, wenn sie bei mir geblieben wäre, dann wären wir definitiv nicht ausgeschlafen gewesen.
„Treffen wir uns später bei mir wegen der Gruppenarbeit?", fragte Kyle in die Runde beim Mittagessen in der Cafeteria. „Ja. Umso schneller wir anfangen umso besser", antwortete Lia ihm. Wir vier mussten zusammen eine Gruppenarbeit in Ethik machen, das einzige Fach, welches wir alle gemeinsam hatten. Ich mochte Ethik, das Einzige, was mich störte, war, dass Lia dort nicht neben mir saß. Sie saß nur im Unterricht von Misses Miller neben mir. Das sollte ich bei Gelegenheit ändern. Unser Thema für die Gruppenarbeit hatte uns alle nicht wirklich vom Hocker gerissen. Unser Thema war Liebe und wie sie Menschen veränderte. Das Thema war unter allen Themen das Einzige gewesen, was nicht komplett bescheuert war, trotzdem haute es uns nicht vom Hocker. Immerhin machte ich die Gruppenarbeit gemeinsam mit meinen Freunden und nicht mit irgendwelchen Vollidioten aus dem Kurs. Noch mehr beruhigte es mich, dass Emiliana mit uns machte, denn ich wusste, dass in unserem Ethik-Kurs ein paar Typen saßen, die scharf auf sie waren. So kamen diese Typen nicht einmal auf die Idee, sich an sie ranzumachen. „Was ist mit euch, Aiden und Chase, könnt ihr später auch?" Sowohl Aiden als auch ich bejahten Kyles Frage. „Gut, dann treffen wir uns nach der Schule auf dem Parkplatz. Wir haben sowieso alle zeitgleich aus", sagte Kyle zufrieden.
„Ich gehe mir was zum Trinken holen. Will jemand was?", fragte ich in unsere Runde. Wir saßen bei Kyle im Wohnzimmer und arbeiteten an unserer Gruppenarbeit. „Ich würde ein Wasser nehmen", antwortete Lia mir, während die Jungs meine Frage verneinten. Ich machte mich auf in die Küche, während die anderen im Wohnzimmer weiterarbeiteten. Kyles Mum Anna war gerade in der Küche damit beschäftigt irgendwas zu backen. „Hi", begrüßte ich sie, als ich die Küche betrat. „Chase, hi. Wie geht's dir?", fragte sie mich. „Gut. Mir geht es sehr gut. Und dir?", fragte ich sie. „Auch. Freut mich, dass es dir gut geht. Sitzt der Grund dafür eventuell in meinem Wohnzimmer und ist extrem hübsch?", wollte sie neugierig wissen. „Möglichweise", antwortete ich ihr. „Ich mag Emiliana. Sie ist nett." „Ja, nett und so viel mehr. Lia ist toll." Gedankenverloren glitt mein Blick kurz ins Wohnzimmer, wo die anderen Drei gerade über irgendetwas lachten. Lias Lachen klang wie Musik in meinen Ohren.
„Sie erinnert mich an deine Mutter", sagte Anna plötzlich. „Wie meinst du das?", hakte ich nach. „Deine Mutter war auch so. Voller Lebensfreude. Sie hat jeden Raum erhellt." „Ja, das hat sie wirklich", stimmte ich Anna zu. Bei dem Gedanken an meine Mum zog sich etwas schmerzhaft in meiner Brust zusammen. „Deine Mum war der lebensfrohste Mensch, den ich jemals kannte. Bis sie deinen Vater kennen und lieben gelernt hat. Dein Vater hat ihr nach und nach das Licht genommen, bis es vollständig erloschen ist." Ich wusste, was sie meinte. Ich hatte dabei zusehen müssen, wie Mum von Zeit zu Zeit trauriger wurde. Bis sie ging und uns allein ließ. Mich bei Dad ließ. „Tue mir einen Gefallen, Chase. Lass nicht zu, dass irgendjemand bei Emiliana das Gleiche macht. Am besten ist es, wenn du sie so liebst, dass ihr Licht und ihre Lebensfreude nur noch größer werden. Liebe sie so, dass sie niemanden anders braucht. Gib ihr immer das Gefühl, dass sie dir wichtig ist und dass du sie liebst." „Mach ich. Versprochen." „Deine Mutter würde sie lieben, Chase. Emiliana ist alles, was sie sich jemals für dich gewünscht hat." Ein trauriges Lächeln schlich sich auf meine Lippen. Ich erinnerte mich noch genau daran, wie Mum mir wie ich zehn war, erklärt hatte, was sie sich für mich wünschte. Sie hatte niemals explizit erläutert, was für eine Freundin sie sich für mich wünschte, was wahrscheinlich daran lag, dass ich mit zehn absolut nicht am Thema Liebe interessiert war. Jedoch hatte sie gesagt, dass sie sich wünschte, dass ich jemanden fand, der mein Leben erhellte. Das tat Emiliana definitiv. „Ich weiß", sagte ich zu Anna. „Am besten hältst du sie für immer fest, Chase." „Nur wenn sie das auch möchte", seufzte ich. „Oh, glaub mir, dass will sie", versicherte Anna mir. Ich hoffte es. Ich hoffte es so sehr. „Danke." Anna schaute mich kurz an, dann zog sie mich in eine mütterliche Umarmung. „Ihr werdet alle so schnell erwachsen. Ich habe immer noch das Gefühl es wäre gestern gewesen, als ihr in den Kindergarten gekommen seid", seufzte sie. Sentimentale Mütter waren nie gut, denn sie waren immer nur einen Schritt davon entfernt gleich ein paar Tränen zu verdrücken. „Und jetzt nimm die Gläser und geh zurück zu den Jungs und Emiliana", sagte sie lächelnd zu mir. „Ay, Ay Captain", sagte ich lachend, bevor ich wieder zu den anderen ins Wohnzimmer ging.
Ich gab Lia ihr Wasserglas, bevor ich mich wieder neben sie auf die Couch setzte. „Wir haben uns überlegt, dass es vielleicht gut wäre, wenn wir erst einmal eine Mindmap machen, wo wir alles was wir bis jetzt haben noch einmal sammeln", informierte Aiden mich. „Das macht Sinn." Lia schrieb in den kommenden zwanzig Minuten alles auf, was uns zum Thema in den Sinn kam. Am Ende hatten wir mehr als genug. Nachdem wir für heute fertig waren, fuhr ich Emiliana nach Hause. „Wir sehen uns morgen", verabschiedete sie sich von mir, bevor sie sich über die Mittelkonsole beugte und unsere Lippen aufeinander trafen. Jedes Mal, wenn wir uns küssten hatte ich das Gefühl zu schweben. So berauschend waren unsere Küsse. Doch wer schwebte konnte auch fallen. Und ich fiel, als ich nach Hause kam und mein Vater vor meiner Tür stand.
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Between Love
Teen FictionWenn du die Zeit zurückdrehen könntest: Würdest du es tun? Nein. Würdest du eine bestimmte Sache ungeschehen machen? Nein. Wirklich nicht? Nein. An wen denkst du gerade? Angefangen: 15.11.2020 Beendet: 30.05.2021 ‼️Alle Rechte für dieses Buch liegen...