„Was willst du hier?", fragte ich Dad unfreundlich. Wenn er hier war, dann bedeutete es nie etwas Gutes. Im Gegenteil, wenn er hierherkam, dann nur weil etwas Ernstes war. Grundlos war er auf jeden Fall nicht hier, denn normalerweise mied mein Vater jeglichen Kontakt zu mir. Den einzigen Kontakt, wenn man das überhaupt so nennen konnte, hatten unsere Bankkonten miteinander. Mein Vater hatte vor einem Jahr aufgehört sich für mich zu interessieren. Vielleicht auch schon viel früher. Ich wusste es nicht genau. „Freut mich auch, dich zu sehen, Chase." Sein Lächeln war so aufgesetzt, am liebsten hätte ich es ihm aus dem Gesicht geschlagen. „Sind wir ehrlich, wir wissen beide, dass du nicht froh bist mich zu sehen", sagte ich zu ihm. Er wusste genauso gut wie ich, dass ich Recht hatte. „Wie auch immer. Kann ich reinkommen?", fragte er mich. Widerwillig öffnete ich ihm die Tür und gewährte ihm Zutritt. Ich hasste es, wenn er hier war. Alles daran fühlte sich einfach absolut falsch an. Wir gingen in die Küche, wo er sich auf einen Stuhl setzte, während ich mich an die Küchenzeile lehnte. „Warst du mit Freunden unterwegs?", wollte er von mir wissen. „Wir wissen beide, dass es dich nicht wirklich interessiert, wo ich war. Also überspringen wir den Smalltalk und kommen zum Grund, wieso du hier bist", sagte ich schroff zu ihm. Smalltalk mit meinem Vater konnte ich mir wirklich sparen. Zumal er nicht an meinem Leben interessiert war und ich nicht an seinem.
„Ich werde heiraten", eröffnete mein Vater mir. „Was?" Ich hatte mit vielem gerechnet, aber nicht damit, dass er heiraten würde. „Ich habe Simone einen Antrag gemacht und sie hat ja gesagt. Ist das nicht toll?", sagte er enthusiastisch. Das war alles andere als toll. Ich hasste diese Frau. Ich hasste sie so unglaublich. „Du erwartest doch nicht wirklich, dass ich mich freue?", fragte ich ihn. „Nun ja, mir war bewusst, dass deine Begeisterung sich in Grenzen halten würde", sagte mein Vater, während er sich verlegen am Hinterkopf kratzte. „Meine Begeisterung ist nicht vorhanden", murrte ich. „Jedenfalls wollen Simone und dich bei der Hochzeit gerne dabei haben." Ich hatte noch nie größeren Schwachsinn gehört. Simone wollte mich ganz sicher nicht bei der Hochzeit dabei haben. Sie mochte mich genauso wenig, wie ich sie mochte. Unsere Abneigung füreinander war das Einzige, was uns miteinander verband. „Wir wissen beide, dass Simone mich nicht dabei haben will", sagte ich emotionslos zu meinem Vater. „Schwachsinn, Chase. Sie mag dich genauso, wie deine Mutter dich möchte." Mein Herz zog sich zusammen. „Vergleich sie nicht mit Mum", sagte ich sauer. Diese Frau war in keiner Weise mit meiner Mum zu vergleichen. Die Zwei hatten keine einzige Ähnlichkeit. Weder innerlich noch äußerlich. Mum war ein Engel. Simone ein Biest. „Sie wird so etwas wie deine Mutter werden, Chase." „Sag sowas nie wieder. Sie wird Mum niemals auch nur Ansatzweise das Wasser reichen können." Allmählich wurde ich sauer. Jeder Vergleich zwischen Mum und Simone schmerzte mir. „Wie auch immer", sagte er unbeeindruckt. „Ich möchte, dass du zur unserer Hochzeit kommst." Er wollte, dass ich komme, um den Schein zu wahren. Jeder der meinen Vater kannte, dachte, dass ich freiwillig ausgezogen war. Die wahre Geschichte kannte keiner. „Wieso sollte ich das tun?" Für mich gab es keinen Grund dort aufzutauchen. „Du solltest das mir zu lieben tun. So wie ich alles dir zur Liebe tue." Ich lachte höhnisch auf. „Meinst du wie du mich zum Beispiel mir zur Liebe zu Hause rausgeworfen hast?", fragte ich ihn sauer. „Ich überweise dir jeden Monat einen Haufen Geld, Chase. Und diese Wohnung." „Diese Wohnung hat Mum gehört. Und gehört jetzt mir", unterbrach ich ihn. „Wie auch immer. Simone ist die Liebe meines Lebens und ich würde mich freuen, wenn du bei der Hochzeit dabei wärst." Er legte eine Einladung für die Hochzeit auf meinen Esstisch. Ich war froh, dass er Mum nicht als die Liebe seines Lebens bezeichnete, denn die Liebe seines Lebens zerstörte man nicht auf die bestialische Weise, wie er Mum zerstört hatte. Er hatte nicht nur Mums Leben, sondern in gewisser Weise auch das meiner Großeltern und mir zerstört. „Ich werde darüber nachdenken", versicherte ich ihm. Eigentlich würde ich es wahrscheinlich in die hinterste Ecke meines Gedächtnis schieben, in der Hoffnung es zu vergessen. Denn auch wenn ich nach außen gerade noch ruhig wirkte, in mir brodelte es. „Ich würde mich wie gesagt sehr freuen. Wenn etwas ist, dann ruf mich an." Er stand auf, verabschiedete sich von mir und ging. Ich würde ganz sicher nicht bei ihm anrufen, wenn etwas war. Wenn ich ihm wirklich wichtig wäre, dann hätte er mich nicht zu Hause rausgeworfen, sondern hätte zu mir gehalten, als es nötig gewesen wäre. Das hatte er jedoch nicht. Er hatte nicht zu mir gehalten und egal, wie sehr er sich bemühen würde, ich würde ihm niemals vollständig verzeihen können. Er hatte mich mit 17 vor die Tür gesetzt, wegen Simone. Jetzt wollte er, dass ich zu ihrer Hochzeit kam. Merkte doch jeder, dass da vorne und hinten etwas gewaltig schieflief. Sobald ich sicher war, dass mein Vater weg war, ließ ich alles raus. Ich schrie wie ein Verrückter, bevor ich mich an der Küchenzeile hinunter auf den Boden gleiten ließ. Stundenlang saß ich an der gleichen Stelle und dachte nach. Die letzten Jahre liefen wie ein Film immer wieder in meinem Kopf.
Irgendwann schaffte ich es aufzustehen, ins Bad zu gehen und mich fertig fürs Bett zu machen. Am liebsten hätte ich meine Gedanken ausgeschaltet. Stundenlang wälzte ich mich im Bett, bis die Sonne wieder aufging, doch ich bekam kein Auge zu. Mein Kopf war zu voll. Mum, wo warst du gerade und was machst du? Vermisst du mich auch? Hast du endlich den Frieden gefunden, den du all die Jahre vergeblich gesucht hast? Wahrscheinlich schon. Immerhin hattest du ihn gefunden. Ich vermisse dich, Mum. Ich würde dir so gerne Emiliana vorstellen. Anna hat Recht, du würdest sie lieben. Ich würde dein Lachen gerne wieder hören, Mum. Deine Umarmungen spüren, wenn es mir schlecht geht, wie jetzt gerade. Ich vermisse dich so unendlich.
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Between Love
Novela JuvenilWenn du die Zeit zurückdrehen könntest: Würdest du es tun? Nein. Würdest du eine bestimmte Sache ungeschehen machen? Nein. Wirklich nicht? Nein. An wen denkst du gerade? Angefangen: 15.11.2020 Beendet: 30.05.2021 ‼️Alle Rechte für dieses Buch liegen...