Einige Sekunden später raffte ich mich auf und verließ nach allen anderen den Klassenraum. Ich sollte Silas finden, bevor eines seiner Vögelchen, aka seine Freunde, ihm gesagt hatte, dass ich neben Chase saß. Zwar saß keiner seiner Freunde mit mir in einem der Kurse, in denen ich neben Chase saß, aber bekanntermaßen wandern solche Sachen schnell durch die ganze Schule, immerhin war es kein Geheimnis, dass Chase und Silas sich nicht leiden konnten. Jeder an unserer Schule wusste das. Wirklich jeder. Selbst die, die sich in der Pause in der Bibliothek aufhielten und somit von den meisten Gerüchten und Tratschereien gar nichts mitbekamen.
Lange musste ich nicht nach Silas suchen, denn er wartete schon an meinem Spind auf mich. Sein Gesichtsausdruck sprach Bände. Es war schon bei ihm angekommen, dass ich neben Chase saß. Und welch ein Wunder, war er darüber alles andere als erfreut. „Hi", begrüßte ich ihn, als ich direkt vor ihm stehen blieb. „Stimmt es? Sitzt du neben Garcia?", wollte er von mir wissen. Er versuchte gar nicht erst den wütenden Unterton in seiner Stimme zu verstecken. Die ersten Schüler neben uns richteten auch schon ihre Aufmerksamkeit auf uns. Wie ich es hasste. Natürlich musste man sowas mitten auf dem Gang besprechen. Sowas sorgte nur für ungewollte Aufmerksamkeit. Für mich war die Aufmerksamkeit zumindest ungewollt. So oft, wie Silas auf dem Gang eine Szene schob, glaubte ich mittlerweile, dass er diese Aufmerksamkeit mochte.
Die Aufmerksamkeit, die jedem perfekt zeigte, wie kaputt und teilweise toxisch unsere Beziehung war. „Emiliana? Stimmt es?", riss mich Silas' Stimme aus meinen Gedanken. „Ja", antwortete ich ihm ehrlich. In seinen Augen flammte Wut auf. Pure Wut. Richtete seine Wut sich gegen Chase oder mich? „Und du hast nicht darüber nachgedacht, dass es vielleicht eine gute Idee wäre, dass du dich an einen anderen Platz setzt?", schnauzte er mich an. „Du weißt ganz genau, dass es absolut nichts bringt mit Misses Miller zu diskutieren. Und jetzt hör auf in der Schule so eine Szene zu machen", verteidigte ich mich. „Ich müsste diese Szene gar nicht machen, wenn du nicht neben Garcia sitzen würdest. Weißt du wie schlecht das für mein Image ist, wenn meine Freundin neben dem Typ sitz, den ich aus der gesamten Schule am meisten hasse?"
Ich wusste es. Es ging mal wieder nur um sein Image. Es ging einzig und allein darum, was andere über ihn denken könnten. Es ging weder um mich, noch um Chase. Es ging wie immer nur um Silas und sein Image. Wie immer. Ich kannte keine Person, der ihre Außendarstellung so wichtig war, wie ihm. Dabei würde ich mein ganzes Geld darauf verwetten, dass sich niemand dafür interessieren würde, dass ich neben Chase saß, wenn Silas nicht so eine große Sache daraus machen würde.
„Darum geht es dir? Es geht dir nur um dein beschissenes Ego?", wollte ich aufgebracht von ihm wissen. Die kleine Menschentraube, die sich mittlerweile um uns gebildet hatte, war mir in diesem Moment dann doch mal,-zumindest für eine kurze Zeit-, relativ egal. „Ja, genau darum geht es mir, Emiliana! Um was soll es mir sonst gehen?", schoss Silas zurück. „Vielleicht um mich? Aber das wäre natürlich zu viel verlangt", mit diesen Worten drehte ich mich um und wollte gehen, als Silas mich am Handgelenk packte und mich herumdrehte. „Wohin willst du?", fragte er mich. „Weg", antwortete ich ihm und entzog ihm mein Handgelenk. „Wir sind noch nicht fertig mit unserem Problem", sagte er zu mir. „Ach nein? Bei der ganzen Sache geht es um dein Image oder wohl eher um deine Egoprobleme. Vielleicht bekommst du die mal in den Griff und dann reden wir weiter." Jetzt drehte ich mich endgültig um und stapfte sauer aus der Schule. Meine Mittagspause würde ich ganz sicher nicht bei Silas und seinen Freunden verbringen.
Die Eingangstür der Schule fiel hinter mir zu. Ich nahm einen tiefen Atemzug, bevor ich anfing zu überlegen, wie und wo ich meine Mittagspause verbringen sollte. Alleine in die Cafeteria gehen? Ganz schlechte Idee. In die Stadt gehen und mir dort etwas zum Essen kaufen? Hörte sich schon besser an. Den restlichen Schultag einfach ausfallen lassen und nach Hause gehen? Das war wohl die beste Idee. So musste ich Silas heute definitiv nicht mehr sehen, denn er würde heute Abend ganz sicher nicht bei mir auftauchen und sich entschuldigen. So war er nicht. Leider nicht.
Ich suchte meinen Autoschlüssel aus meinem Rucksack heraus, bevor ich die Stufen hinunter zum Schülerparkplatz ging. Mein Auto stand weiterhinten auf dem Parkplatz. Aus der Ferne konnte ich schon erkennen, dass jemand neben meinem Auto stand. Als ich näher kam erkannte ich auch wer neben meinem geliebten Audi A3 Sportback stand. Chase. Der hatte mir gerade noch gefehlt.
„Ärger im Paradis?", fragte er mich, als ich an meinem Auto ankam. „Was willst du, Garcia?" „Nichts." „Könntest du dann bitte zur Seite gehen? Ich möchte nach Hause fahren und das eigentlich, ohne dich umzufahren", sagte ich zu ihm. „Hast du keinen Unterricht mehr?", wollte er von mir wissen. „Doch, aber offensichtlich habe ich keine Lust darauf, also fahre ich nach Hause", beantwortete ich ihm seine Frage. „Nicht gerade sehr vorbildlich", witzelte er. „Glaub mir, gerade ist es mir egal, ob ich in irgendeiner Form für irgendwen ein Vorbild bin. Ich möchte einfach nur nach Hause." „Dann möchte ich dich mal nicht aufhalten. Und Emiliana, wenn du wegen mir mit Silas Stress hattest, dann tut es mir leid, zumindest ein bisschen", sagte Chase zu mir.
Moment mal! Hatte er sich gerade ernsthaft bei mir entschuldigt? „Danke, aber bei dem Streit geht es mal wieder nur um Silas' Ego und Imageprobleme." „Okay, dann sehen wir uns wohl morgen im Unterricht." „Ja, bis dann", sagte ich zu ihm, bevor ich in mein Auto stieg und nach Hause fuhr.
DU LIEST GERADE
Between Love
Teen FictionWenn du die Zeit zurückdrehen könntest: Würdest du es tun? Nein. Würdest du eine bestimmte Sache ungeschehen machen? Nein. Wirklich nicht? Nein. An wen denkst du gerade? Angefangen: 15.11.2020 Beendet: 30.05.2021 ‼️Alle Rechte für dieses Buch liegen...