Langsam öffnete er seine Augen während seine Hand über das kühle Laken neben sich strich. Paddy zog das Kissen, auf dem sie letzte Nacht neben ihm lag, nah an sich heran und hielt es fest in seinen Arm. Er atmete mit geschlossenen Augen ihren Duft ein, der noch am Kissen haftete. Allein schon dieser Geruch ließ einen Schwarm wilder Schmetterlinge durch seinen Bauch flattern. Süß und warm, aufregend und doch so vertraut. Sein Verlangen nach Anna machte sich sofort bemerkbar.
Warme, zarte Sonnenstrahlen küssten sein Gesicht, als er das wohlig warme Bett verließ und das Fenster öffnete. Der frische Luftstrom drang in das Zimmer ein und hinterließ auf seiner warmen Haut eine feine Gänsehaut. Mit einem lauten Gähnen und Strecken begrüßte er am offenen Fenster den Tag und sog die kühle Luft in seine Lunge ein.
Für einen Augenblick schien alles ganz normal. Ein gewöhnlicher Tag, wie es die letzten Wochen fast jeder Tag war, während dieser ungewöhnlichen Zeit. Die Tage mit Anna und den Mädchen vergingen wie im Flug und von ihnen umgeben fühlte sich Paddy entspannt und beschützt. Es gab immer wieder Augenblicke in den er inne hielt und sich bewusst machte, was für ein Glück er haben musste, dass das Leben ihm noch ein mal so eine glückliche Wendung geschenkt hatte und seine tiefsten Wünsche und Gebete erhört wurden. Dass das Leid, die Trauer, die Umwege, kaum überwindbare Hürden und die schmerzhaften Erkenntnisse einen Sinn hatten.Auf leisen Sohlen und noch etwas verschlafen trat er in das lichtdurchflutete Wohnzimmer und betrachtete für einen Moment noch ganz unbeobachtet wie Anna und die Mädchen auf dem Boden saßen und mit Kartons, Scheren und Stiften geschäftig hantierten. Mit bunten Stiften malten sie hingebungsvoll Muster und Kringel auf die Pappe. Anna so konzentriert und vertieft zu beobachten erinnerte Paddy unwillkürlich daran wie diszipliniert und ehrgeizig sie schon als Teenager für die Schule paukte, während Paddy mit seinen Geschwistern im Studio stand und ein und dasselbe Lied gefühlt zweihundertfünfundsiebzig Mal eingesungen hatte. Die mittlerweile sehr lang gewachsenen Haare hatte sie zu einem Knoten im Nacken gebunden, feine Strähnen fielen ihr ins Gesicht und ihre Wangen waren leicht errötet. Mit hochgekrempelten Ärmeln und barfuß genoss sie die Sonne, die das Zimmer erwärmte und an diesem Frühlingstag Sommertemperaturen vortäuschte. Paddy hätte ihnen noch eine Ewigkeit zuschauen können, doch schon entdeckten ihn zwei flinke, wache Mädchen die mit nackten Füßen auf ihn zu rannten.
,,Du bist aber eine Schlafmütze" kicherte Mariella und knetete sein zerzaustes Haar, als er in die Knie ging und die Mädchen kurz in seine Arme schloss. ,,Nein, du bist Dornröschen, du hast fast hundert Jahre geschlafen!," stellte Elisa fest und löste sich aus Paddys Arm um ihn an der Hand zur Karton-Baustelle zu ziehen. Grinsend saß Anna auf dem Boden und sah ihren Töchtern und Paddy entgegen, die schon in einer tiefen Diskussion waren.
"Aber er ist doch ein Mann, er kann nicht Dornröschen sein!" entgegnete Mariella entsetzt. Paddy verkniff sich das Lachen, beugte sich herab und hauchte Anna einen Kuss auf den Kopf, bevor er sich neben ihr niederließ. ,,Was baut ihr denn hier?" Paddy versuchte von der Gender-Debatte abzulenken. "Ein Schloss!" riefen beide Mädchen zeitgleich hinaus. "Aber wir brauchen noch einen Turm". Die Regie führten eindeutig die Kinder, die ihre klare Vision von einem Schloss hatten und nun mit Hilfe von Kartons, Schachteln, Papprollen und meterlangen Kleberollen ihren Traum wahrwerden lassen wollten.
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So tief und weit wie das Meer
FanfictionDie offizielle Fortsetzung von "Für immer verbunden" von @AnnaParadiso78. Diese Geschichte hat mich sehr gefesselt und tief berührt. Ich habe viel über diese Geschichte nachgedacht und mir oft ausgemalt, wie es für Anna und Paddy weitergehen könnte...