Die Sonne quälte sich durch die dicke Wolkendecke, die an manchen Stellen ein wenig riss und die warmen Strahlen drangen durch das Dickicht. Der Waldboden knackte und knisterte unter ihren Füßen. Sie genossen die gemeinsame Einsamkeit in der Natur, lauschten den Geräuschen des Waldes und saugten all die Eindrücke auf, als wäre es der erste Waldspaziergang ihres Lebens. Keiner Menschenseele waren sie an diesem Nachmittag begegnet. Nach den vielen Wochen in der Isolation spürte Anna dieses große Gefühl der Freiheit in sich. Sie hatte sich so sehr nach etwas Zeit für sich gesehnt. Auch wenn sie ihre Kinder abgöttisch liebte, war sie sehr dankbar über die neue Regelung mit ihrem Mann, die Kinder vorerst nun wochenweise im Wechsel bei sich zu haben. Ungewöhnliche Zeiten fordern ungewöhnlich Entscheidungen. Anna freute sich wie ein kleines Kind und verspürte den Drang darauf loszurennen.
Ihre Augen erforschten neugierig die Natur und ihre Ohren schienen jedes noch so zarte Zwitschern und Knacken zu hören. Am liebsten wäre sie zum krönenden Abschluss auf einen Baum geklettert. Doch sie hielt ihre Euphorie zurück, denn ihr entging nicht Paddys gedrückte Stimmung, die seit dem Morgen immer wieder an die Oberfläche schwappte.
Nachdenklich und mit den Händen tief in seinen Taschen vergraben, stolperte er immer wieder über das herausragende Wurzelwerk.
Zärtlich griff Anna nach seiner Hand und blieb ruckartig stehen. Sie zog Paddy nah zu sich. Ihre Hände umfassten zart sein Gesicht, ihre Finger streichelten behutsam seine Wangen und glitten durch sein Haar. Er schloss die Augen, schmiegte seinen Kopf in ihre Hände und genoss ihre Berührungen. Ohne Worte zu wechseln, verstand Paddy, dass Anna wissen wollte, was ihm auf der Seele lag. Er atmete tief durch und nahm sie dabei noch einmal fest in die Arme.
,,Du kennst mich noch besser, als ich dachte Babe ," flüsterte er in ihr Haar.
,,Lass mich bitte zuerst sagen, dass ich keine Antwort darauf habe," sagte er leise. ,,Ehrlichkeit ist eine so schwere Angelegenheit. Ich versuche einen Weg zu finden, der mich nicht unmenschlich sein lässt. Einen Weg der dir gerecht wird und die Welt da draußen und aber auch mich als Künstler auf irgendeine Weise zufriedenstellt."Anna schaute ihn verständnisvoll an. Sie kannte ihn wahrscheinlich wirklich besser, als es ihm lieb war. Dieses Verhalten kam ihr mehr als bekannt vor und erinnerte sie daran, wie Paddy zu gerne ausschweifend und passioniert um den heißen Brei herum redete, bevor er auf den Punkt kam. Ihre Augen leuchteten wie warmer flüssiger Honig als die Sonnenstrahlen auf sie fielen. Ihr wacher und forschender Blick war Schuld daran, dass Paddy schon wieder den Faden verlor. Anna traf ihn mitten ins Herz und entfachte in ihm eine wilde und tiefe Liebe. Er zog sie an sich, bis sich ihre Nasenspitzen fast berührten und sah ihr tief in die Augen. Er hauchte ihr einen Kuss auf die Stirn. Paddy besann sich wieder und versuchte sich auf sein Anliegen zu fokussieren.
,,Es ist so, als ob ich mein Leben in zwei Teile schneide und beide Teile haben eine eigenes, selbstständiges Leben und eine eigene Wahrheit."
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So tief und weit wie das Meer
FanfictionDie offizielle Fortsetzung von "Für immer verbunden" von @AnnaParadiso78. Diese Geschichte hat mich sehr gefesselt und tief berührt. Ich habe viel über diese Geschichte nachgedacht und mir oft ausgemalt, wie es für Anna und Paddy weitergehen könnte...